Suchaktion MÄX – Ein Dorf in Aufruhr

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Dies ist mein Fahndungsfoto…



Es ist schon faszinierend, wie schnell man im digitalen Zeitalter Berühmtheit erlangt! Mich kennt man nun nicht nur auf dem STEEM – Polizei, Tierschutz, mehrere Freiwillige Feuerwehren, Jäger diverser Reviere, eine Pettrail-Hundestaffel und natürlich ganz Facebook – alle haben nun meine Daten! Super! Man muss nur wissen, wie…



Am Freitagvormittag gingen Nuka, Frauchen und ich bei miesem Nieselregen auf einem Wanderweg spazieren. Ob des Wetters, hatte Frauchen keine Lust auf einen langen Marsch, weshalb Nuka und ich auf einer Wiese herumspökern und nach der ein oder anderen Wühlmaus Ausschau halten durften. Nuka hat’s besser als ich. Sie darf sich frei bewegen, während ich immer an einer 8 Meter langen Schleifleine befestigt bin, die Frauchen nicht aus der Hand lässt. Weiß der Teufel, warum.
Als wir umkehren sollten, wurde Nuka auch angeleint, die kommt nämlich nicht mit, wenn sie mitkommen soll, sondern nur, wenn ihr eigener Dickkopf ihr dies befiehlt. Nach ein paar Metern riss Nuka sich plötzlich von der Leine los (Frauchen hatte den Karabiner wohl nicht korrekt eingehakt). Ich hinterher. Die Schleppleine schnitt Frauchen in die Hand, so dass sie diese vor Schreck auf den Boden fallen ließ. Freiheit!
Wir rannten und rannten. Ich wusste gar nicht genau, warum, Nuka aber meinte, sie hätte im Augenwinkel ein Reh bemerkt. Über Wiesen und Gräben, eine Straße, matschige, gepflügte Äcker, durch kleine Wäldchen und Erlenbrüche… weit!
Irgendwann hatte ich Nuka natürlich abgehängt, doch das war mir egal. Jagdtrieb geht vor Rücksicht auf die Schwächeren im Rudel!

In einem Wald fernab der Startwiese verlor ich die ursprüngliche Spur. Das machte aber nichts, denn dieses Waldstück, in das sich außerhalb der Jagdsaison kein Zweibeiner verirrt, duftete so herrlich nach allem, was das Hundeherz höherschlagen lässt: Wildschwein, Fuchs, Damwild, Hase… Und so stöberte ich, immer die Schnauze am Boden, kreuz und quer durchs dichte Brombeergestrüpp. Ein schräger Wurzelstumpf sorgte zuletzt dafür, dass meine Tour beendet war. Zusätzlich hatte sich die Schleifleine in den Brombeeren verheddert, so dass Kraft allein nicht ausreichte, den köstlichen Wildspuren weiter zu folgen. Also begann ich, am Eingang eines Karnickelbaus ein wenig zu graben. Ohne Beute machte ich es mir dann gemütlich, döste ein, weil mir langweilig wurde. Frauchen wurde an diesem Tag nicht langweilig.

Frauchen lief nach Nukas und meinem Abgang nochmal für etwa eine Stunde rufend die zurückgelegte Wanderstrecke in dem Wissen, dass Hunde meist dorthin zurückkehren, wo sie abgehauen sind, ab. Dann ging sie genervt nach Hause. Sonst sind wir in solch seltenen Fällen ohnehin bereits vor ihr dort. Freitag aber war’s natürlich anders und so setzte sie sich ins nicht geländetaugliche Auto und fuhr die matschigen Wirtschaftswege des Dorfes entlang. Nach erfolgloser Suche saß immerhin Nuka, von der Farbgebung her einer Wildsau zum Verwechseln ähnlich, auf der Terrasse.
Frauchen badete den großen Hund, machte ein Stündchen, innerlich auf mich fluchend, Alltägliches und setzte sich dann nochmals in Bewegung.
Als sie wiederkam, war Herrchen zu Hause, der nach einem kurzen Bericht ebenfalls die Beine in die Hand nahm und etliche Kilometer nach mir rufend Ausschau hielt.
Als er ohne mich zurückkam, rief Frauchen den Tierschutz an, Herrchen die Polizei. Recht beunruhigend empfand Frauchen den Gesprächsfetzen, den sie mithören konnte: „Ja, die Wildschweine haben schon Frischlinge. Wenn er in eine Rotte geraten ist, ist er hin.“

Die ersten Nachbarn (Nachrichten verbreiten sich auf einem Dorf wie ein Lauffeuer) fragten per SMS oder Telefon an, ob sie etwas tun könnten, die Freiwillige Feuerwehr bot an, in der mittlerweile eingetretenen Dunkelheit eine Suchübung mit Scheinwerfern zu initiieren. Meine Leute waren sich darüber einig, die gemeinsame Suche, wenn nötig, auf den nächsten Morgen zu verschieben.
Sie selbst kamen dann aber doch nicht zur Ruhe, fuhren langsam mit dem Auto auch größere Straßen ab und leuchteten jeden Straßengraben aus. Sie blieben bis nachts um 23:00 Uhr an jedem Wald stehen, riefen und lauschten.
Jo, auch etwa 50 Meter von mir entfernt standen sie. Ich hörte ihre doch schon recht heiseren und von Sorge geprägten Stimmen und freute mich, dass sie mich gleich abholen würden. War doch Vollmond, da kann man doch wohl gut gucken. Wieso sollte ich also bellen? Kostet doch nur Energie! Die wollte ich sparen, denn ich war ziemlich hungrig und außerdem war es kalt. Saukalt, es gab Frost in dieser Nacht.
Und dann hörte ich den Motor von Herrchens Auto. Hallo? Die lassen mich im Wald sitzen? Unglaublich! Vielleicht hätte ich doch mal bellen sollen…

Frauchen schlief nur stundenweise, fuhr Samstag gegen 5:00 Uhr, zu einer Zeit, in der es noch schön ruhig ist, mit dem Fahrrad, bewaffnet mit einer Taschenlampe (Hallo? Vollmond!), nochmal überall hin, wo sie Freitag schon mehrfach gewesen war. Auch an „meinem“ Wald an einem wunderschönen Biotop kam sie vorbei. Ui, wie ich mich freute, ihre Stimme zu hören! Als viel interessanter jedoch, empfand ich die Antworten einer Krähe auf ihre Rufe, was fast wie ein eingeübter Dialog klang. Dass ein paar Enten und Wildgänse, in ihrer Nachtruhe gestört, das Schnattern und Platschen im Wasser anfingen, war genauso spannend, wie das Vorbeihüpfen eines riesigen Hirsches. Bei solch einer Vorstellung vergisst man das Bellen…

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Zu Hause wollte Frauchen nicht mal einen Kaffee trinken. Sie schnappte sich ihr Handy, eröffnete eine WhatsApp-Gruppe und trommelte das Dorf zusammen. In Windeseile standen schon mal fünf gut befreundete Nachbarn vor der Tür und es wurde das „Sondereinsatzkommando Mäx“ gebildet.

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Zu zweit begab man sich in verschiedene Richtungen und Gebiete und ohne weitere Organisation schlossen sich immer mehr Leute dem Suchtrupp an, verbreiteten meine Suchanzeige bei den Jägern und Wehren mehrerer Dörfer, auch überregional auf Facebook. Sich im Urlaub befindende Dorfis bekundeten über WhatsApp ihre Solidarität, sogar von München aus wurde eine Suchhundestaffel in Plön alarmiert, die allerdings erst am dritten Tag ausgerückt wäre.

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Zeitweise stapften vierzehn Leute ziemlich warm verpackt, ausgerüstet mit hochwertigen Gummistiefeln, durch die nassen Wälder und Wiesen der Gegend. Neben den Wegen, durch die Matsche, durchs Dickicht. Immer wieder kamen WhatsApp-Nachrichten, welches Gebiet – erfolglos – durchkämmt worden ist. Nach etwa vier Stunden ohne Spur, sollen die Zweibeiner langsam die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit mir verloren haben.
Frauchen berichtete später, wie schrecklich es gewesen sei, sich in der totalen Erschöpfung irgendwann zu wünschen, den eigenen Hund überfahren im Straßengraben zu finden, um nicht mit der Vorstellung, wie grausam er irgendwo verendet sein könnte, leben zu müssen.

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Auf dem Weg, einen Suchtrupp zu unterstützen, der sich ein größeres Waldgebiet vorgenommen hatte, wollte Frauchens Teampartnerin einen Zwischenstopp am Biotop samt angrenzendem Gehölz einlegen. „Das ist sinnlos. Da war ich heute früh, Mäx hätte mich gehört“, meinte Frauchen. „Und wenn er dich nicht mehr hören konnte und irgendwo liegt?“ Die Entscheidung war sorgenbehaftet getroffen.
Ach, wie schön! Ich hörte die nette Nachbarin, die Nuka und mir häufig die Reste köstlicher Rehkeulen bringt, rufen. Und Frauchens Stimme! Ich setzte mich in meine allerschönste Position, was nicht ganz einfach war, denn inzwischen hatte ich ein Bein aus dem Geschirr zwingen können. Dabei hatte sich die Leine um einen Hinterlauf derartig geschlungen, dass ich sie zum Durchbeißen nicht mehr erreichen konnte. Ich wedelte freudig mit dem Schwanz bis meine üppig befellte Rute den Erdhaufen vor dem Karnickelbau akkurat glatt gefegt hatte. Bellen? Wieso? Die Damen können doch gucken und schnüffeln!
Dann erblickte mich Frauchen! Sie schrie hundeohrenbetäubend laut meinen Namen und das, was sie, nachdem sie mich durch das Lösen des Karabiners der Leine endlich befreit hatte, in die Sonderkommando-WhatsApp-Gruppe tippte:

Ich freute mich riesig, schmiegte mich an und schleckte sie ab. Als hätte Frauchen die letzten Stunden nicht genug geheult, fragte ich mich, warum ich ihr Tränen aus dem Gesicht lecken musste. Später wurde mir erklärt, dass Zweibeiner durchaus auch vor Freude und Erleichterung weinen können.
Nach der ersten Begrüßungseuphorie wollte ich nur noch eines: Etwa zwei Minuten ausgiebig das Bein heben und einen riesigen Haufen im Wald hinterlassen! Diese Bedürfnisse hatte ich über 24 Stunden unterdrückt – Rüden beschmutzen doch nicht ihren Lagerplatz!

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Es dauerte ein wenig, bis wir zu Hause waren, da noch ein paar Suchtrupps eingesammelt werden mussten, die natürlich zunächst mal hören wollten, wo und wie genau ich aufgefunden wurde.
Zu Hause rannte ich zuerst zu Nuka und schleckte sie ab. Sie schnüffelte lange an mir herum. Zugegebenermaßen konnte ich die Vortäuschung meiner Coolness nun nicht mehr verbergen, denn ich roch heftig nach Stress. Das konnten sogar die mehr und mehr eintreffenden, teils bereits umgezogenen Zweibeiner wahrnehmen. Und dann genoss ich es erstmal, der Mittelpunkt der Welt zu sein, sowie eine ordentliche Portion Futter, während Frauchen die Flasche Krimsekt, die für ganz besondere Anlässe im Keller lagerte, köpfte.

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Nachbarn kamen mit Thermoskannen voll Kaffee sowie einem großen Topf Glühwein. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass alle Zweibeiner leere Mägen hatten, niemand sich aber auch nur noch einen Schritt bewegen wollte, um eine Partypizza zu holen. Es wurde lauter und lustiger… Um während der Suchaktion in Kontakt zu bleiben, hatte natürlich jeder sein Handy am Mann und damit auch einen alles überwachenden Schrittzähler. Im Schnitt legten die Zweibeiner an diesem Samstag je 13 Kilometer zurück – über Stock und Stein, abseits befestigter Wege oder asphaltierter Straßen. Augenscheinlich ein erfüllendes Partythema, wobei niemand auch nur annähernd an Frauchens Gesamtleistung von Freitag und Samstag heranreichen konnte.

Frauchen hätte jetzt gern auch noch ein paar Worte geschrieben, aber das kann nur nach hinten losgehen. Ihr Adrenalinspiegel ist noch nicht ganz runter und sie würde hier nur ellenlang Danksagungen aussprechen, wobei sie die Hälfte all der großartigen Unterstützer vergessen würde. Ja, sie ist tatsächlich immer noch überwältigt von so viel Hilfsbereitschaft und der Erfahrung echter Freundschaft und Solidarität.
Und ich? Hm. Mir geht’s gut und mir ging’s immer gut! Allerdings habe ich als ehemaliger Straßenköter spätestens jetzt erlebt, was es bedeutet, wirklich geliebt zu werden!
Mir ist ja nichts passiert und es gab keinen Ärger. Ganz im Gegenteil; ich werde sogar noch ein teures Geschenk erhalten: einen GPS-Tracker…

Tschüss, euer Mäx




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14.01.2020


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