Kombucha: Es lebt!

Neues von der Kombucha-Front. Unser Symbiont entwickelt sich prächtig. Nach meinem letzten Post zum Thema hatte er zunächst 10 Tage Zeit zu reifen. Zugegeben wirklich viel Aktivität konnte ich nicht beobachten, nur geringe Gasbildung war detektierbar.

Am Ende der Wachstumsperiode habe ich allerdings den pH-Wert bestimmt und siehe da, dieser war sogar unter 2,5. Mein Getränk war demnach überreif. Geschmacklich war die Sache allerdings noch nicht so ganz mein Fall. Es war nur wenig Kohlensäure vorhanden und das Ganze schmeckte ziemlich hefig.

Aber ok, der Symbiont musste sich sicherlich erst etwas einleben bevor es so richtig losgehen konnte. Ich kochte deshalb nochmals frischen Tee mit einem Zuckergehalt von 10% und tatsächlich, jetzt ging es richtig los. Er blubberte schön vor sich hin und nach weiteren 9 Tagen war die Zeit abermals reif.

Dabei machte ich eine großartige Entdeckung:

Aus einem Symbionten sind mittlerweile drei geworden.

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Abb.1 Aus einem Symbionten wurden drei! Made by Chapper - unrestricted use allowed

Ihr erinnert euch sicherlich, dass ich anfangs versucht hatte den Symbionten mit einem Keramikmesser zu zerteilen, um verschiedene Chargen herzustellen. Der Symbiont entpuppte sich aber als ziemlich harte Nuss, weshalb ich die Aktion abbrechen musste.

Nun erübrigten sich solche Maßnahmen glücklicherweise, was mich wiederum zum Nachdenken veranlasste.

Hatte sich der Symbiont tatsächlich vervielfältigt oder war dies eine Spätfolge meines Eingriffs?

Was soll dieser Symbiont überhaupt sein?


Normalerweise sind Hefen und Bakterien mikroskopisch klein. Nur wenige µm (also ein millionstel eines Meters) messen diese oft [1]. Die berechtigte Frage ist demnach was dieses widerspenstige Etwas überhaupt ist. Eine Mega-Hefe? Oder eher ein Zusammenschluss von Bakterien und Hefen in einem schier unzerstörbaren Biofilm? Meine Nachforschungen ergaben, dass es sich tatsächlich um eine Art Biofilm handelt, welcher als Pellicel bezeichnet wird [2]. Häufig bestehen Biofilme aus Nukleinsäuren (also DNA z.B.), Proteinen und Kohlenhydraten [1, 3]. Letzteres scheint auch bei unserem Symbionten der Fall zu sein. Der Symbiont (Pellicel) besteht aus Zellulose [2]. Verantwortlich für die Bildung der Zellulose ist das Bakterium Komagataeibacter xylinus, welches vorher Gluconacetobacter xylinus und davor Acetobacter xylinus genannt wurde. In der Mikrobiologie (und auch in anderen biologischen Disziplinen) werden Lebewesen aufgrund neuer molekularer Daten oft umgruppiert. Früher erfolgte die Einordnung von Organismen anhand ihres Aussehens, ihres Verhaltens und ihrer Reaktionen. Irgendwann kam dann der Durchbruch der Molekularbiologie und seitdem wird gefühlt einmal pro Woche alles komplett durcheinandergewirbelt.

Gluconobacter-Arten gehören zusammen mit Acetobacter-Arten zu den Essigsäurebakterien (Acetobacteraceae), allerdings unterscheidet sich deren Biochemie etwas [1].

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Abb.2 Biochemie der Essigsäurebakterien. GA3P = Glycerinaldehyd-3-phosphat. Made by Chapper - unrestricted use allowed

Ich habe beim letzten Mal darauf hingewiesen, dass Essigsäurebakterien den von Hefen (aus Zucker) produzierten Alkohol (Ethanol) über Acetaldehyd zu Essigsäure weiter oxidieren und die freiwerdenden Elektronen zur Energiegewinnung nutzen. Einer Batterie gleich baut sich dabei an der inneren Membran der Bakterien ein elektrochemisches Potential auf, dessen enorme Spannung den universellen Energieträger ATP hervorbringt. Dafür brauchen die Bakterien Sauerstoff, denn dieser fängt die Elektronen ab und wird zu Wasser reduziert. Gleiches passiert auch in den Kraftwerken unserer Zellen, den Mitochondrien, welche ursprünglich auch mal Bakterien waren.

Ich muss allerdings einwerfen, dass dies nicht der generelle Mechanismus der Essigsäurebakterien zur Energiegewinnung ist. Zwar handeln Acetobacter-Arten nach diesem Muster, bei Gluconobacter-Arten sieht die Sache jedoch etwas anders aus. Diese können mit dem Ethanol wenig anfangen und setzen deshalb Glucose um [1]. Sie oxidieren zunächst die Glucose gewissermaßen „eigenhändig“ zu Acetaldehyd und oxidieren dieses dann, ähnlich den verwandten Acetobakterien, weiter zu Essigsäure.

In beiden Fällen finden viele Reaktionen im Periplasma (dem Raum zwischen innerer und äußerer Membran) statt.

In beiden Fällen sind die Endprodukt Essigsäure und ATP.

In beiden Fällen wird Sauerstoff verbraucht. Der Unterschied ist jedoch, dass die Gluconobakterien, von der wesentlich elektronegativeren Glucose, viel mehr Elektronen abgreifen und daher mehr Energie gewinnen können [1].

Ich habe mich lange gefragt, warum so wenig Ethanol im Kombucha enthalten ist. Immerhin kippe ich da soviel Zucker rein, dass euch nach einer Tasse frischen Tees vermutlich sofort der Bohrer droht. Ich war zunächst verblüfft, dass die Acetobacter-Arten so effizient arbeiten und erklärte mir so den sehr sauren „Touch“ von Kombucha.

Weit gefehlt! In Wahrheit sind nämlich nicht die Acetobacter-Arten, sondern die Gluconobacter-Arten die „Acid Kings“ im Kombucha. In einer hervorragenden Studie aus dem Jahre 2014, untersuchten die Autoren die Besiedelung unterschiedlicher Kombucha rund um den Globus, und konnten wunderbar zeigen, dass die Acetobacter-Arten eher eine untergeordnete Rolle spielen [2].

Hinzukommt das enorme Wachstum der Symbionten was bedeutet, dass viel Glucose zum Bau verwertet wird. Die Zellulose, aus denen der Symbiont besteht, wird nämlich durch die Essigsäurebakterien direkt aus Glucose errichtet. Das heißt auch hier gibt’s kein Ethanol und somit gehen die Acetobacters abermals leer aus.

Man hat’s eben nicht leicht!

Nun könntet ihr vermuten: „Na gut dann sind die Acetobakterien eben zweite Wahl!“

Aber auch das ist nicht der Fall, denn Rang 2 nehmen Milchsäurebakterien ein. Das sind die, welche euren Joghurt, Käse und Sauerkraut herstellen und aufpeppen [1]. Milchsäurebakterien leben im Anaeroben und vermehren sich zum Ende des Fermentationsprozesses immer mehr, da immer weniger Sauerstoff zur Verfügung steht [2].

Milchsäurebakterien sind obligate Gärer, d.h. mit Luft können sie so gar nichts anfangen. Was passiert, ist eigentlich recht leicht zu verstehen. Ihr erinnert euch an die alkoholische Gärung vom letzten Mal? Die Milchsäuregärung (zumindest die homofermentative) läuft so ähnlich ab.

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Abb.3 Die homofermentative Milchsäuregärung. Made by Chapper - unrestricted use allowed

Die Glucose, welche durch die Glykolyse zu Pyruvat abgebaut wird, setzt wiederum Reduktionsäquivalente in Form von NADH frei. Da diese nicht an einer Atmungskette entladen werden können, muss das anders passieren damit die Glykolyse nicht zum Stillstand kommt. Anders als bei der alkoholischen Gärung arrangieren die Milchsäurebakterien dies allerdings nicht durch Reduktion von Acetaldehyd, sondern direkt von Pyruvat. Die Milchsäurebakterien lieben es gewissermaßen quick & dirty. Übrigens genau wie u.a. Muskelzellen oder Tumore. Das Produkt ist Milchsäure bzw. Laktat.

Es gibt auch noch andere Milchsäuregärungsformen (die heterofermentative z.B. oder jene der Bifidobakterien), ich gehe aber davon aus, dass diese im Kombucha keine nennenswerte Rolle spielen.

Damit werden die Acetobacter-Arten übrigens noch weiter enttäuscht, denn auch hier springt kein Ethanol für sie raus (gäbe es übrigens bei heterofermentativer Milchsäuregärung neben Laktat).

Ansonsten geriet ich fast in eine quasi-philosophische Stimmung wegen diesen Geschöpfen. Ich fragte mich beispielsweise wo der Symbiont eigentlich anfängt und wo er aufhört. Ist diese zähe Struktur (Pellicle) oder die Gesamtheit des Gärgefäßes der Symbiont? Letzteres schien der Fall zu sein, zumindest dämmerte dies mir als ich feststellen musste, dass in der Brühe genau so viel los ist wie im Pellicle selber.

Ich war davon ausgegangen, dass man einfach nur diesen schwimmenden Haufen weiterverpflanzen muss und gut ist. Dies habe ich auch zunächst getan, tags darauf allerdings gleich korrigiert. Ihr müsste nämlich unbedingt Teile eures Kombuchas mit in die nächste Charge überführen. Dies ist nicht nur wichtig, um den pH-Wert zu Beginn auf etwa 5 zu drücken und so Fremdkontamination zu vermeiden [4]. Nein ihr habt in der Kulturflüssigkeit bestimmte Organismen, die im Pellicle nicht vorkommen (z.B. Thermus-Arten) [2].

All diese Organismen spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem „Kombucha“ und dürfen keinesfalls fehlen. Ich kippte deshalb, als ich von der Arbeit kam, hastig noch etwas Kombucha nach. Glück gehabt!

Für mich ist der Symbiont letztlich die Zusammenkunft der sauren Kulturflüssigkeit mit dem festen Etwas an der Oberfläche.


Da ich mittlerweile drei Pellicle mein Eigen nenne, habe ich diesmal übrigens etwas ganz Besonderes angerührt. Zweimal gibt es Kombucha aus Schwarztee mit Whiskey-Kakao-Geschmack und normalen Raffineriezucker. Im dritten Gefäß befindet sich brauner Zucker in Sencha mit Inger-Orangen-Stückchen. Wir fanden nämlich mit reinem Grüntee hatte der Kombucha noch nicht den nötigen Pepp.

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Abb.4 Von Chapper verwendete Tees. In den ersten beiden Anläufen wurde der Grüne Assam der Teekampagne verwendet. Dieses Mal wurden 1,5 L Irish Malt-Schwarztee und 0,75 L Orange-Inger Sencha angesetzt. Made by Chapper - unrestricted use allowed

Die pH-Messung der letzten Charge ergab übrigens 2,645. Ich hoffe dies lag nur daran, weil ich die Fermentationszeit auf neun Tage verkürzte. Aber das ist Gegenstand des nächsten Artikels über Chapper und sein neues Haustier(e).

Wir werden uns dann auch etwas näher mit den Hefen befassen, denn auch dort gibt es mindestens genauso spannende Geschichten zu erzählen wie über die Bakterien. Darüber hinaus müssten wir uns noch etwas mit den möglichen Auswirkungen auf eure Gesundheit befassen.

Alles zu seiner Zeit!

Bis dahin genießt euer Leben und

Beam Da Steem

Euer Chapper

Quellen


  1. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie. Vol. 8. Auflage. 2007: Georg Thieme Verlag.
  2. Marsh, A.J., et al., Sequence-based analysis of the bacterial and fungal compositions of multiple kombucha (tea fungus) samples. Food Microbiol, 2014. 38: p. 171-8.
  3. Reineke W., S.M., Umweltmikrobiologie. 2007: Spektrum Akademischer Verlag.
  4. Nummer, B.A., Kombucha brewing under the Food and Drug Administration model Food Code: risk analysis and processing guidance. J Environ Health, 2013. 76(4): p. 8-11.

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