Burg Seebenstein

Liebe Hiver,
das strahlend sonnige Herbstwetter ausnützend, besuchten wir am Wochenende die Burg Seebenstein im südlichen Niederösterreich.

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Quelle ©Bwag/CC-BY-SA-4.0.

Die Anlage thront auf einem teils steil abfallenden Felsmassiv.
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Der Aufstieg führte über lichtdurchflutete Laubwälder.
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Die Burg, deren früheste Teile aus dem 12. Jhd. stammen, war einst riesig, aber vieles davon ist verfallen, da sie nicht durchgehend bewohnt war. Hier Teile der äußeren Wehranlage.
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Sie war eine Fliehburg und hatte hunderten von Bauern aus der Umgebung vor Plünderern und Belagerern Schutz geboten (die äußere Burg, nur wenige hatten dagegen Zugang zu den inneren Bereichen).

Diese Wiese, im Inneren der äußersten Burgmauer war damals voller Wirtschaftsbauten (Ställe, Handwerksbetriebe, etc.). Heute kaum vorstellbar.
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Die Burg hat viele verschiedene Besitzer in ihrer wechselvollen Geschichte, unter anderem die Wildensteiner (Ministeriale der Babenberger), der österreichische Herzog Friedrich der Schöne, die Königsberger und das Haus Liechtenstein. Derzeit ist sie im Privatbesitz von Christine Vopara, der Großnichte von Lilly Nehammer-Prinz, die 1942 die Burg von den Liechtensteins abgekauft hatte und die bewohnbaren Teile umfangreich renoviert und mit ihrer Kunstsammlung bestückt hatte. Sie wohnt auch heute noch in den Sommermonaten in der Burg (wo es aber auch im Sommer kalt und feucht ist und man daher einheizen muss).

Detail der Befestigungsanlagen bzw. dessen Reste. In diesen Häuschen konnten einzelne Soldaten Ausschau nach Feinden halten.
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Der noch gut erhaltene Burgfried stammt laut dendrochonologischen Untersucheungen aus 1385 (das Dach ist aus 1824, das ursprüngliche war damals abgebrannt).
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Er ist 23m hoch und hat 7 Stockwerke!
Er hätte als letzter Zufluchtsort für die Burgbewohner gedient. Über eine Leiter zu erreichen, die nach dem Besteigen hochgezogen wird, konnten die Personen tagelang ausharren. Burg Seebenstein war zweimal belagert worden. 1488 hatte es der ungarische König versucht und 1529 scheiterten die Türken bei der versuchten Eroberung.

Der Burggraben, von der angeblich heute noch funktionierenden Zugbrücke aus gesehen, ist komplett überwuchert und zugewachsen.
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Im Inneren der Anlage. Früher war, was hier im Freien war, noch überdacht. Der Bereich ist, wie viele solcher Art, der Dachsteuer Maria Theresias zum Opfer gefallen, aufgrund der man viele Dächer abgetragen hatte, um Steuer zu sparen. Es ist nur mehr dieser Trakt bewohnbar, die sog. "Neue Burg".
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Ein Wasserspeier in Form eines Drachen.
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Beim Aufgang in den "Rittersaal" erwartet die Besucher ein Sägefisch (auch Schwerthai genannt). Gemäß des damaligen Aberglaubens sollten solche exotischen Tiere (andernorts wurden Krokodile verwendet) böse Geister draussen halten!
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Die Einrichtungsgegenstände im Burginneren sind natürlich bunt zusammengewürfelt und frühestens aus dem 17./18.Jhd., da die meisten Vorbesitzer kaum inaktes Mobiliar zurückgelassen hätten.
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Darstellung Kaiser Leopolds I. (1640-1705).
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Der Habsburger und Gegenspieler von Ludwig XIV. wurde im Volksmund Türkenpoldl genannt, da in seine Amtszeit der engültige Sieg über das osmanische Reich fiel (2. Wiener Türkenbelagerung 1683). Er war unter anderem der Großvater von Maria Theresia.

Im "Festsaal", dem früheren Rittersaal, mit ausgestelltem chinesischen Porzellan.
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Der Lüster ist aus Delfter Porzellan.
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Ein besonderes Kleinod befindet sich in der Bibliothek. Ein sog. Bewegungsautomat oder "Vogelautomat" - eine Spieluhr mit sich bewegenden und zwitschernden mechanischen Vögeln.
Sie ist noch voll funktionsfähig. Mehrere solche Automaten stehen auch noch im Wiener Uhrenmuseum.
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Der ehem. Gerichtssaal. Über die Klappe im Boden wurden die Gefangenen aus dem direkt darunter befindlichen Gefängnistrakt hochgezogen, wenn über sie gerichtet wurde, aber nur bis der Kopf gerade noch zu sehen war!
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Der Grund: Die Gefangen vegetierten in ihren Zellen in ihren eigenen Exkrementen und waren daher selbst für die damaligen Verhältnisse vom Geruch her nur schwer zu ertragen. Daher liess man sie nur gerade so in die Nähe der adligen Burgbewohner. Von daher stammt noch der Ausdruck "über seinen Kopf hinweg entscheiden".

Apropos Redewendungen. Damals wurde das Essen in einem Topf über dem Feuer zubereitet. Der Topf hing an solch einer Schiene mit Zacken, auch Zähnen genannt. Sollte das Essen schneller fertig werden, hängte man den Topf einen Zacken tiefer, näher an das Feuer. Man legte also einen Zahn zu!
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Die übliche Sammlung an Folter- und Züchtigungswerkzeugen darf in keiner Burg fehlen.
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Das unten ist ein Schandkragen, oder auch treffend Halsgeige genannt.

In solche Schuhe zwang man Deliquenten, aus denen man Geständnisse pressen wollte. Man goß dazu einfach kochendes Wasser oder Öl hinein. Primitiv, aber sicher wirkungsvoll.
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Zurück aus dem Verlies und dem Mittelalter, kann man den wunderschönen Ausblick von der Burg geniessen!
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Tipp: Die Führungen am Wochenende jeweils um 14.00 sind sehr interessant und kurzweilig. Eintritt 5€/Person.
Bemerkenswert: Corona war bei der Führung, die teils auch in Innenräumen war, kein Thema. Nichts! Was für eine Wohltat. Für eine Stunde hätte man im "alten Normal" sein können - wenn nicht die Mehrheit der Gruppe freiwillig teils FFP2-Masken aufgezogen hätte, wie brav konditionierte Äffchen.

Es gibt heute zwar keine Ritter mehr, aber einen Männerbund, der sich teils ritterlichen Tugenden widmet: Schlaraffia! Seine Leitwerte sind Kunst, Freundschaft und Humor, das Wappentier ist der Uhu. Es gibt ca. 10000 Mitglieder und Zweigstellen auf der ganzen Welt.

Quellen:
http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=449
https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Seebenstein
https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_I._(HRR)
https://www.schule-und-familie.de/wissen-redewendungen/kategorie/woher-kommt-einen-zahn-zulegen.html

Abgesehen vom 1. Luftbild all pics by @stayoutoftherz

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