Lebenslektionen - Schamanischer Besuch - (Part 30)

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Chantal lernte ich vor einigen Jahren in der Schweiz kennen. Obwohl wir nur wenige Male die Gelegenheit hatten, miteinander zu sprechen, entdeckten wir viele Gemeinsamkeiten, nicht zuletzt wegen unseres beidseitigen Interesses an schamanischen und indianischen Kulturen. Im Sommer hatte ich von Chantal einen langen Brief erhalten, in dem sie mir ihre momentane Lebenssituation schilderte und ihren starken Wunsch, für einige Zeit die Schweiz hinter sich zu lassen und in einem neuen Land völlig andere Erfahrungen zu sammeln. Dass Chantal ausgerechnet die kalten Wintermonate bei uns verbringen will, macht mir zu Anfang etwas Bedenken. Nicht alle Leute ertragen auf die Dauer die Abgeschiedenheit und Isolation eines kanadischen Winters. Ganz zu schweigen davon, dass die Temperaturen viele Aussenaktivitäten verunmöglichen und man doch schon sehr an die Räumlichkeiten eines Hauses gebunden ist. In einem langen Telefongespräch klären wir vorab die Gegebenheiten, die Chantal bei uns vorfinden wird. Ich erzähle ihr von unserem Familienleben, von den Kindern, den täglichen Arbeiten, die sie gemeinsam mit mir erledigen wird und kann mich natürlich auch nicht zurückhalten, von meinem Kanada zu schwärmen! Chantal will kommen und macht Nägel mit Köpfen. Sie kündet ihre Wohnung, verkauft einen Grossteil von ihrem Habe und trennt sich sogar von ihrem Freund. Sie wäre sogar bereit, in diesem Land zubleiben, falls sich eine entsprechende Möglichkeit ergibt. Sie hat sich entschlossen, ein neues Leben zubeginnen.

Am 29. September trifft Chantal bei uns ein. Mit dem gleichen Humor und derselben Lebensauffassung ausgestatten wie wir, integriert sie sich nahtlos in unsere Familie. Als gelernte Kinderkrankenschwester ist sie mir eine grosse Hilfe mit Shane. Aber auch mit den beiden Älteren versteht sie sich bestens, spielt, bastelt und zeichnet mit ihnen. Während Chantal mich in schamanischen Lebensweisheiten unterrichtet, lehre ich sie den Umgang mit den Pferden. Wir ergänzen uns prächtig. Im Dezember unternimmt sie mit einem Bekannten aus Ulverton eine dreiwöchige Reise nach Manitoba. Michel, der mit seiner Familie im Dorf lebt, muss auf der Universität in Winipeg eine technische Arbeit abgeben und da er in derselben Region Beziehungen zur Urbevölkerung, den Natives pflegt, ist es für Chantal eine einmalige Gelegenheit, das Leben der Indians direkt aus dem Kern heraus und nicht nur als Tourist kennenzulernen. Als erste weisse Frau kommt sie dabei sogar zur grossen Ehre, vom Häuptlingssohn auf eine traditionelle Elchjagd mitgenommen zu werden. Als sie kurz nach Weihnachten wieder zu uns nachhause kommt, ist sie im Besitz von vielen Geschenken, die für einen schamanisch orientierten Menschen von unbezahlbarem Wert sind.

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Zähne von Bibern, Wölfen, Elchen und Bären bringt sie mit. Handgefertigte Utensilien aus Knochen und Pelz und als ganz besonderes Geschenk, über hundert Jahre alte Mokassins aus dem Besitz der Häuptlingsfamilie. Aber auch uns hat man nicht vergessen! Kariboo- und Elchfleisch, das uns für mehrere Monate ernährt, lässt uns Chantals indianische Gastfamilie überbringen. Im März 99 kehrt Chantal schweren Herzens in die Schweiz zurück. Aber sie hat sich fest entschlossen, wieder zu kommen, wer weiss, vielleicht einmal für immer.

(To be continued)

(Auszug aus meinem Buch: https://www.amazon.de/Wenn-Pferde-fliegen-Heidi-Grieder/dp/3833006323 )

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