Gibt es ein richtiges Gefühl für den eigenen Körper?

@love-your-wild hat mir freundlicherweise erlaubt, auch etwas zum #Wochenthema Körpergefühl zu veröffentlichen. Dies ist übrigens Anlauf Nr. 2 und da ich gerade erst anfange, zu schreiben, ist noch völlig offen, ob ich den Beitrag auch abschicke. :)
(Tatsächlich habe ich ihn nach dem Abschicken nochmal ergänzt.)

Zuerst einmal möchte ich einmal oder noch einmal meinem Erstaunen darüber Raum geben, daß ich hier mit dem Gefühl "ich mag meine großen Brüste nicht" nicht allein bin. Nach etwa 4 Jahren, in denen mir von Männern verschiedenen Alters und verschiedentlicher kultureller Prägung vermittelt wurde, meine (übermäßig großen, mich in Bewegungen einschränkenden und meines Erachtens ein völlig falsches Bild von meiner Ernährungs- und Lebensweise vermittelnden) Brüste seien doch super. (Super zum Ankuscheln, das vielleicht, ja. Blöd nur, wenn ich selbst dabei nichts empfinde und mich aus den eben genannten Gründen an meinem "Vorbau" störe.)
Ich gehe jetzt nicht auf einzelne Erlebnisse ein - das gehört nicht hierher. Weniger wegen meiner Privatsphäre als der der beteiligten Männer. Natürlich könnte man deren Verhalten sexistisch nennen. Aber weil es eben so viele verschiedene waren, tue ich mich mit einer solchen Verallgemeinerung schwer.

Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich seit Jahren einen schief gewachsenen Menschen. Bei meiner aktuell guten Polsterung ;) fällt die mehr herausstehende linke Hüfte nicht ganz so auf, aber sie ist eben da - genau wie die stärkere Vorwölbung des Bauches auf der rechten Seite (die, wie ich inzwischen weiß, auch an einer gewissen Fettleber liegt :( ), der leichte Buckel auf der rechten Rückenseite, der schiefe Hals. Als ich mich das erste Mal als junge Erwachsene von der Seite gesehen habe, bin ich erschrocken. Noch heute habe ich mich mit der Seitansicht meines Gesichtes nicht so wirklich angefreundet - wer mich von den hier mitlesenden in den letzten 2-3 Monaten persönlich getroffen hat, kann das möglicherweise verstehen. Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt eine Frisur gibt, die das Elend einigermaßen kaschiert.

Aber unabhängig von alldem gibt es in Bezug auf meinen Körper noch ein viel größeres Manko. Zum einen, daß ich nach dem Essen fast immer Blähungen habe und dann für manche Menschen aussehe, als würde ich ein Kind austragen (dabei liegt doch die Gebärmutter ein paar Zentimeter weiter unten ...). Zum anderen, daß es seit meinem 3. oder 4. Lebensjahr keinen wirklichen Zeitpunkt in meinem Leben gab, wo mein Gewicht kein Thema war. Also gefühlt seit "immer". Ich erinnere mich dunkel, daß ich auch mal langsam essen konnte. Und dann habe ich wohl irgendwann auf Kompensationsesserin umgestellt. Die Familie saß zusammen und es gab Kuchen? Ich wollte immer noch ein Stück mehr, denn dann war ich abgelenkt. Die Schulfreunde luden zum Geburtstag und gemeinsame Spiele und gemeinsames Essen waren geplant? Ich habe vor allem gegessen - und mehr als einmal Rückzug vor zuviel Spiel in der Küche bei der essensvorbereitenden Mutter gesucht (die mir dann etwas zusteckte).

Seit ich selbst koche, koche ich eigentlich auch schon immer zu große Mengen, bin aber nicht in der Lage, sie aufzubewahren für eine spätere Mahlzeit.

Rückblick

In punkto typische Kindesentwicklung fiel ich auch in frisuren- und sporttechnischer Weise aus dem Rahmen. Klar kann man ein kleines Mädchen über Jahre hinweg mit kurzen Haaren herumlaufen lassen. Aber bereits auf Klassenfotos der 1. Klasse falle ich als weniger weiblich "gestylt" auf als meine Klassenkameradinnen. Und dabei waren das die 1980er-Jahre ... Mädchentypisches Ballett blieb mir erspart, weil ich, als ich gewollt hätte mit vielleicht 5 Jahren, schon als "zu groß und zu schwer" bezeichnet wurde. Attribute, die seitdem fast immer für mich galten. Vielleicht war ich zu Abiturzeiten und einige Jahre danach mit Größe 42 mal ein bißchen schlanker. Aber nie richtig schlank. Und mittlerweile ... naja, lassen wir das. :D

Als ich dann doch mal durchsetzen konnte, mir die Haare langwachsen lassen zu dürfen, war das, nachdem eine gewisse Länge erreicht war, mit der Maßgabe verbunden, sie dann zum Zopf gebunden zu tragen. Jeden Morgen stand mein Vater mit mir vor dem Spiegel und kämmte die Haare mit groben Bewegungen zusammen. Die anderen Mädchen trugen natürlich ab und zu die Haare offen. Es war also nicht so der Gewinn für mich. Und nach ein paar Jahren ließ ich sie mir freiwillig wieder knapp schulterlang abschneiden.

An die letztgenannte Zeit erinnere ich mich ausgerechnet mit Äußerungen meiner Mutter, ich hätte kein Gefühl dafür, wie kalt es draußen sei bei der Wahl meiner Kleidung. Deshalb müsse sie mir Vorschriften machen. Paradoxerweise gibt es aus eben dieser Zeit Fotos, auf denen ich eher zu warm angezogen bin im Sommer. Dabei hatte ich aufgrund mangelnder Tiefe sozialer Kontakte sicher keinen Anlaß irgendwelchen Moden oder Gruppenzwängen zu folgen. (Manchen Jugendlichen, die im Winter bei Minusgraden ohne Mütze, mit unbedeckten Knöcheln oder nur in der Löcherjeans an der Haltestelle stehen, könnte man ja genau das unterstellen ...)

Hat mich altersgemäße und weibliche Kleidung und ebensolches Benehmen in den Jahren zwischen 12 und 19 interessiert? Ich glaube: eher nicht. Mit 12-14 lief ich eher jungenhaft herum, auf den Fotos, die zur Jugendweihe entstanden, trug ich ein blaues Kostüm mit Rock, das etwas zu groß wirkt, mit einer Frisur, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Vorn kurz (aber mit Pony), hinten (schulter)lang. Inwieweit ich bei der Frisur Mitspracherecht gehabt hatte gegenüber der Friseurin, weiß ich nicht mehr. Außerdem kam mit dem Umzug eine gewisse soziale Isolation. Einen Tanzkurs, wie es zwischen 14 und 16 üblich ist, besuchte ich nicht. Von meiner Abiturszeit gibt es Fotos mit strähnigen ungekämmten Haaren und Kapuzenpulli. Ähnlich lief ich auch in den Berufsschulphasen herum.

Büroklamotten shoppen fiel mir immer leichter als das Einkaufen von Alltagskleidung. Mit langen, mehr oder weniger breiten Hosen ist man nie unpassend angezogen. Etwas unformelleres, das in der Mitte gelegen hätte, hatte ich nicht - und auch keinen Bezug zu dieser Art Mode. Eine Zeitlang hätte ich mir, Kleidungsregeln des frühen 20. Jahrhunderts folgend, das Tragen von Jeans gern komplett untersagt. Aber da sind mir dann - mit etwa Ende 20 - doch wieder meine Eltern reingegrätscht. Das ginge doch auch nicht. Hauptsache nicht auffallen?

Doch, ich habe auch Röcke. Zwei gekaufte (von denen einer unrepariert kaputt ist), zwei selbstgenähte, die nicht mehr richtig passen, aber eine Zeitlang von mir getragen wurden. Ich kann ja auch nicht richtig nähen, aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag. Aber da ich ja schon immer Gewichtsprobleme habe, habe ich auch schon immer Oberschenkel, die, wenn ich einen Rock ohne Unterhose trage, aneinander reiben. Für mich fürchterlich und unerträglich. Darf man sich als älteres Kind / Fast-Jugendliche im Rock breitbeinig hinsetzen? Ich konnte nicht anders. Spätere Röcke waren dann lang und weit, aber immer noch die Ausnahme.

Wenn ich heute Dirndl trage, muß daher auch immer eine Unterhose drunter - meist die Radlerhose. Zum Glück drehen wir uns beim Tanzen nicht so intensiv, daß das aufgefallen wäre.

Für mich ist (positives) Körpergefühl damit verbunden, wie man sich kleidet und auftritt. Und in beiden Bereichen scheine ich komplett versagt zu haben.

Könnte ich meinen Körper trotzdem lieben?

Mein Bild von mir selbst und meinem Körper ist schon recht an den vorhandenen Defiziten orientiert. Die Liste meiner verschiedenen Zipperlein ist lang (zu lang für Steemit ;)), zusammen lassen sie mich daran zweifeln, ob ich jemals wieder sinnvoll berufstätig sein werde. Für fast jegliche kreative berufliche Betätigung scheine ich das passende Eintrittsalter verpaßt zu haben (und die Frage, ob ich dort ein Auskommen gefunden hätte, ist auch noch offen). Keins der erwähnten Zipperlein - den Autismus eingeschlossen - wurde entweder noch nie behandelt oder ist ausgeprägt genug, um einer Behandlung würdig zu sein. Die Gespräche mit dem Psychologen gehen in eine (für mich) absurde Richtung und ich bin froh, daß erstmal Pause ist. Ob ich danach den Mut finde, ihm gegenüber den Mund aufzumachen?

Ich komme auch nicht darum herum, zuzugeben, daß ich mit der Anti-Bodyshaming-Bewegung nichts anfangen kann. Einfach, weil sie für manche Leute (auch einige aus meinem Online-Umfeld) zur Ersatzreligion geworden ist (Zitat: "Mein Arzt hat nicht an meiner Figur herumzukritteln"). Weil für mich Dicksein und Wohlfühlen nach all den Jahren des mal mehr oder weniger subtilen Mobbings und vor allem meinem derzeitigen Selbstbild nicht zusammenpassen. Für mich ist ein gut gepflegter Körper ein Zeichen von Wohlstand, eigener innerer Sicherheit und Zielstrebigkeit, vielleicht auch: harter Arbeit. Wenn es wirklich stimmt, daß wir einander in den ersten 3 Sekunden einer persönlichen Begegnung bewerten - geht das in der Kürze der Zeit denn dann ohne einen kritischen Blick auf die Figur und Körperhaltung des Gegenübers?
Letzten Endes schützt umfangreiche sportliche Betätigung leider trotzdem nicht vor Herz-Kreislauf-und Schlaganfall-Erkrankungen im Alter, zumal es da eine familiäre Komponente zu geben scheint. Ein Argument dafür, sich nicht für im Laufe des Lebens angefutterte "Trostkilos" zu schämen, ist das in meinen Augen trotzdem nicht. Und weite Kleidung ist bis Größe 44 oder vielleicht noch 46 attraktiv - darüber hinaus leider oft wegen ungünstiger Schnitte und Zeltartigkeit nicht.

Meines Erachtens sollte sich keiner schämen müssen, aber durchaus schämen dürfen.

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