Eine freie Gesellschaft braucht ein Fundament. Teil 29 (Richterbeamte) (Entmachtung des Monopols)

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Die Richterbeamten!!! Der nächste Punkt, den es zu beleuchten gilt

Richter sollen unabhängig sein. Artikel 97 des deutschen „Grundgesetzes“ enthält in Absatz 1 eine entsprechende Deklamation. Es war zu erwarten, dass wegen des Versäumnisses der Verfassungsschöpfer, die Unabhängigkeit des deutschen Richters inhaltlich genau zu fixieren, nachgeordnete Gesetzgebung (etwa das Deutsche Richtergesetz) die unerbittlichste Abhängigkeit der Justiz festschrieb. Das ist die existentielle Abhängigkeit vom Staat. Die bürgerliche Existenz der Richter einer Staatsgesellschaft sichert die Obrigkeit.

Auch wenn dagegen von richterlicher Seite immer wieder eingesprochen wird: „In unserem schwindsüchtigen System“ (so der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa, 2017) agieren Richter zweifelsfrei in der Rolle von besoldeten Staatsbeamten. Insofern sind sie dem Staat verpflichtet. Das zeigt sich schon darin, dass der Wechsel zwischen den Justizpositionen Richter und Staatsanwalt und sogar Richter und Gefängnisdirektor auf Geheiß des Staates jederzeit möglich ist.

Justizunabhängigkeit bedeutet in Deutschland: Halten sich die Richter an die von ihrem Ernährer aufgestellten Regeln, dann brauchen sie wegen ihres Auskommens nach erfolgter Festanstellung nicht mehr zu bangen - und übrigens auch um ihre Obrigkeitslosigkeit nicht. Über die Dienstaufsicht unterliegen sie weiterhin dem Einfluss von oben. „Vorhalt“, „Ermahnung“, „Pensenschlüssel“, “Disziplinarrecht“, „Beurteilung“ durch die Vorgesetzten (in letzter Instanz durch den Justizminister) sind die Sanktionen, denen die deutschen Richter unterworfen sind.

Bei Beförderungen beispielsweise hat nur jeder vierte Richter eine Chance. Ein Aufstiegswilliger ist der Konkurrent des anderen. Auf die für das Hochkommen geltenden Maßstäbe wird der Aspirant sich einstellen müssen. Spruchkammervorsitzende, Gerichtspräsidenten, Richterwahlausschüsse, Personalreferenten und letztlich wieder der Justizminister bestimmen, was „richterliche Unabhängigkeit“ in der Staatsgesellschaft ist.

Die deutsche Justiz ist Staatspersonal, das seine Amtsgeschäfte zur Zufriedenheit von Vorgesetzten erledigen muss - aller gegenteiligen Deklamationen zum Trotz! Die Erklärung, die feste Staatsanstellung der Richter sichere deren Unabhängigkeit, ist ein schlechter Witz. Die Ketten des Richters sind zwar lang und man übersieht fast den Pflock, an dem sie festgemacht sind. Aber die Ankettung ist sicher und fest. Denn eine existentielle Abhängigkeit ist die haltbarste Kette, mit der man einen Menschen festbinden kann, auch wenn Richterverbände die richterliche Unabhängigkeit stets im Munde führen.

„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Am Kletterbaum der stufenweise dotierten Beamtenhierarchie muss das Lächeln, je höher die Sprossen, desto freundlicher sein. Wo ein Schlüssel zur Kasse ist, bilden sich Gefolgschaftsverhältnisse. Wer vom Hofe lebt, bildet den Höflingsgeist aus...So wird der Richter zum willigen Werkzeug des machthabenden Willens...Berühmt geworden ist der Satz des preußischen Justizministers Leonhardt, der gesagt haben soll: ‘Solange ich über die Beförderung bestimme, bin ich gerne bereit, den Richtern ihre sogenannte Unabhängigkeit zu konzedieren’...Die persönliche Unabhängigkeit der Richter ist eine pure Fiktion.“ (H. Aitin, 1989).

Nicht nur befinden sich die Richter aufgrund der Form ihrer Anstellung in einer exzeptionellen Abhängigkeit von der potentiellen Streitpartei „Staat“. Sie befinden sich bei ihrem Arbeitgeber auch in einer inneramtlichen Abhängigkeit. Darauf macht der SPIEGEL (N. 51/2013) unter Verweis auf eine Reihe von Fehlurteilen aufmerksam, in denen die Richter den Vorgaben der Staatsanwälte mehr oder weniger kritiklos gefolgt sind. Die Zeitschrift spricht hier von einem „Systemfehler“ des staatlichen Rechtswesens. Vor diesem Hintergrund kann die Rechtssuche des deutschen Staatsbürgers, wenn er den Staat als Streitgegner hat, zum Abenteuer werden.

Nun sind seitens des Deutschen Richterbundes schon lange Bestrebungen im Gange, den unwürdigen Status der Richter zu beenden und für sie eine eigenständige Verwaltung zu schaffen mit eigenem Kassenwesen. Die Bemühungen in diese Richtung sind jedoch durch das Parlament bisher immer abgeblockt worden (s. Jens Gnisa, 2017).

Besonders bei seinen Verwaltungsgerichten und beim Bundesverfassungsgericht tritt der deutsche Staat als Richter in eigener Sache auf (Murray Rothbard, 2012; Michael von Prollius, 2008; Hans Herbert von Arnim, 2017). Die Folgen kann man anlässlich der Urteilsfindung dieser Gerichte besichtigen. Über 90% der Urteile des höchsten deutschen Gerichts, des Bundesverfassungsgerichts, gehen im Streitfall zugunsten des Staates und zu Ungunsten des Staatsbürgers aus. So wird jeder Rechtsstreit mit dem Staat zu Abenteuer.

Abenteuerlich ist besonders die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der Grundsätze des Rechtswesens „bewusst und systematisch ignoriert, Entscheidungen unsauber begründet…und Rechtsgrundsätze erfindet, die er dann bei späteren Entscheidungen wieder zugrunde legen kann“ (Bruno Bandulet in ef, Nr. 141).

Noch ein weiterer Gesichtspunkt ist in die Betrachtung einzubeziehen: der Bildungsgang der Staatsrichter. Richter wird man beim Staat aufgrund einer in sich geschlossenen Schulkarriere: Vorschule („Kindergarten“), Grundschule, Oberschule, Hochschule. Ein Referendariat unterbricht die Schulkarriere kurzfristig. Richter wird nur, wer auf dieser Laufbahn „Überflieger“ ist. Man kann also davon ausgehen, dass die Psychostruktur des deutschen Richters wesentlich vom Durchgang durch den Schultunnel geprägt ist. Sein Blick auf die Realität ist ein Tunnelblick, der zudem noch leicht zu verunsichern ist. Er ist durch Medienhysterie, Obrigkeitsdiktat und „Experten“ mühelos beeinflußbar. Gerald Radnitzky konstatiert deshalb - besonders bei den Aktivitäten der Verfassungsgerichte - eine „gewisse Nähe zum Straßenpöbel“ (1997).

In einer Reihe von biographischen Notizen, z. B. jenen der beiden hochkarätigen Wirtschaftsführer Thomas Middelhoff (2017) und Horst Kirsten (2017), ist die abenteuerliche Inkompetenz des Gerichtswesens in Deutschland schonungslos ans Licht gezogen worden. Nun kann man zum Fehlverhalten dieser beiden Männer stehen wie man will. In ihren Dokumentationen geben sie ein plastisches Bild von der Funktionsweise der deutschen Justiz. Dort gewinnen völlig gerichtsfreie Entscheidungsinstanzen immer mehr an Einfluss. „Experten“ sind als „Gerichtsgutachter“ im Vormarsch. Sie nehmen den überforderten Richtern das Urteilen ab und erledigen im Vorhinein quasi deren Job.

Entmachtung des Monopolismus

Nach all dem, was ich bis hierhin ausgeführt habe, ist ersichtlich, wie weit ich mich in konsequenter Verfolgung des Freiheitsgedankens von den gängigen Vorstellungen über das „normale“ Zusammenleben von Menschen entfernen musste. Das Ungewohnte des hier gebotenen theoretischen Ansatzes setzt sich fort und verstärkt sich noch bei dem Versuch, eine für die Freie Gesellschaft passende Machtstruktur zu entwickeln - als Alternative zu den Machtstrukturen in den Staatsgesellschaften.

Von den im Teil 8 in #freie-gesellschaft gestellten Leitfragen war die erste („Welches Fundament braucht eine dem Ich - in seiner Rolle als Freiheitsträger - angemessene Gesellschaftlichkeit?“) Gegenstand der beiden vorangegangenen Hauptabschnitte Teil 9 - Teil 28/29. Die Antwort auf die zweite Frage steht noch aus. Sie lautet: Wie kann das Verhältnis des freiheitsbegabten Ich zu den Machtinstanzen der Gesellschaft so entkrampft werden, dass kein vernünftiger Anlass besteht, gegen diese Widerstand zu leisten? Bei dieser Frage geht es um Macht von Menschen über Menschen, um die Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft. Wie kann diese Frage freiheitsgemäß beantwortet werden?

Bereits 1656 hatte sich der Brite James Harrington in seiner Oceana (Nachdruck 2008) mit der Frage des höchsten Maßes an gesellschaftlicher Freiheit beschäftigt. Er ist damit nicht sehr weit gekommen, obwohl er die Lösung des anstehenden Problems: Machtausübung zwischen Menschen im Angesicht der Freiheit durchaus als gesellschaftspolitisches Kernproblem erkannt hat. Charles-Louis de Montesquieu ist zuzustimmen, wenn er über Harrington sagt: „Er fing die Freiheit… zu suchen an, nachdem er sie missverstanden hatte“ (Nachdruck 1965).

Jean-Jacques Rousseau hat, beispielgebend für viele seiner Nachfolger, die Antwort auf die anstehende Frage in seinem Contract Social als Imperativ formuliert: „Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder… frei bleibt wie zuvor [nämlich wie im Naturzustand; d. Verf.]“ (Nachdruck 2011).

Inspiriert durch diesen Imperativ fragte der Liberalismus des 19. und 20. Jahrhunderts, wie man eine freiheitssichernde Macht idealer Weise zu errichten habe. Er sah eine solche als staatliche Ordnungsmacht, die dafür zu sorgen hätte, eine freie Form von Gesellschaftlichkeit zu ermöglichen. Rousseaus Imperativ diente als Leitbild für den Aufbau eines mehr oder weniger liberalen Staatsapparats. Ob nun der Staat die Lösung des anstehenden Problems ist oder nicht, ein Diskurs über gesellschaftliche Machtverhältnisse wird nicht umhin können, sich auch mit dem Staat zu beschäftigen, vor allem dann, wenn dessen Existenzberechtigung zur Diskussion steht.


Bei der Untersuchung des Individuums in seiner Rolle als Tauschpartner am Markt taucht die auch sonst überall gebrauchte Redewendung vom „König-Kunden“ auf. Das in solchem Kontext verwendete Wort „König“ deutet an: am Markt geht es nicht nur um ökonomische und juridische, sondern auch um Machtfragen. Der Markt ist per se eine Stätte der Machtausübung, d. h. der Ausbildung von Herrschafts-Knechtschafts-Strukturen.

Die Macht von Menschen über Menschen ist in jeder leistungsteiligen Tauschgesellschaft also von je her vorhanden. Die Menschen schaffen sie sich ganz bewusst und freiwillig in ihren Verträgen (wir haben in den vergangenen Teilen ausgiebig darüber gesprochen). Sie leben wie selbstverständlich in vorgegebenen bzw. selbst geschaffenen Herrschafts-Knechtschafts-Strukturen.

Angesichts dieses Faktums muss gefragt werden: Entsteht in einer entwickelten Gesellschaft (die im Kern leistungsteilige Tauschgesellschaft ist) überhaupt eine Situation, in der das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft zum Problem wird und deshalb ausdrücklich zur Sprache kommen muss?

Die Frage ist bereits in den Teilen 10. 11. 12 bejaht worden - im Zusammenhang mit dem ökonomischen und dem juridischen Monopolismus. Dort besteht einerseits die Gefahr des Wuchers (s. Wettbewerb und Monopolismus am Markt) und andererseits die Gefahr der Willkür (s. Teil 25 in #freie-gesellschaft). Dabei ist unerheblich, ob es sich um die Monopole eines Staatsapparats handelt, oder um irgendwelche anderen am Markt.

Wucher bewirkt Ausbeutung. Ausbeutung behindert die freie individuelle Lebensentfaltung, weil sie die lebenserhaltenden Ressourcen mindert. Willkür bewirkt Tyrannei. Tyrannei gefährdet die freie individuelle Lebensentfaltung, weil sie in die Knechtschaft treibt. Sowohl beim Wucher als auch bei der Willkür bleibt der (durchaus natürliche!) Egoismus des Monopolisten vom Altruismus unbehelligt und darf in einem blanken Egoismus verharren. Die „König-Kunde“-Position der Abnehmer der Monopolgüter ist ausgehebelt.

Der einschränkende Einfluss von Wucher und Willkür auf die Lebensentfaltung der monopolausgelieferten Tauschpartner kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn das Kommando über ein monopolistisches Leistungsfeld ist das Kommando über das menschliche Leben schlechthin. Nicht nur die Willkür, sondern auch der Wucher ist ein tiefer gehender Eingriff in das individuelle Leben als man zunächst geneigt ist anzunehmen.

Die Tauschpartner sind im Umgang mit Monopolen bezüglich ihrer Marktmacht prinzipiell unterlegen. Monopole sind als Tauschgutanbieter gewissermaßen von Natur aus in der Position unbeschränkter Marktmacht. Das trifft insbesondere für diejenigen Monopole zu, die die sogenannten „öffentlichen Güter“ anbieten.

Während beim Wettbewerb ein gegenseitig ausgewogenes Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnis zwischen den Tauschpartnern besteht, ist dieses Verhälnis beim Tausch mit Monopolen einseitig. Der Monopolist ist der alleinige Herr, sein Tauschpartner der alleinige Knecht. Dadurch entsteht eine Gesellschaftsstruktur, die durch Obrigkeiten (Herren) und Untertanen (Knechte) gekennzeichnet ist. Monopolismus generiert eine Zweiklassengesellschaft. Er bringt eine Gesellschaftsform hervor, bei der es herrschaftsbegünstigte Obrigkeiten und herrschaftsbenachteiligte Untertanen gibt.

Eine Obrigkeit muss das Alter-Ego (das DU) nicht in sein Ego einbeziehen. Das Alter-Ego steht unter dem Diktat des Ego. Solches Diktat charakterisiert das Obrigkeiten-Untertanen-Verhältnis im Kern. Nachhaltigen Frieden kann es bei solcher Konstellation nur geben, wenn die Tauschpartner, sehen wir sie einmal als wettbewerbsverwöhnt und wettbewerbseuphorisch, eine Chance sehen, auch beim Tausch mit Monopolen neben diesen als „Könige“ dazustehen, mit anderen Worten: wenn ein ausgeglichenes Macht- und Herrschaftsverhältnis auch zwischen Monopolen und deren Tauschpartnern besteht. Das wäre ein Herrschaftsverhältnis, bei dem auch der Monopolist - wie alle anderen Mitglieder der leistungsteiligen Tauschgesellschaft - das Alter-Ego in seinen Egoismus aufnehmen, sich also altruistisch verhalten muss.

Die natürlichen Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnisse sind beim Umgang mit Monopolen verzerrt, und zwar zu Lasten des Naturrechts. Die monopolistische Marktmacht kann zu erheblichen Lebenseinbußen führen. Dieser Gefahr wollen freiheitlich gesinnte Marktteilnehmer entgehen. Sie sind daher bestrebt, die dadurch bedingten Störungen der individuellen Lebensentfaltung zu beseitigen, d. h. sie wollen die Macht der Monopole versuchen zu brechen.

Bevor ich mich tiefergehenden Erörterungen zum Thema „Entmachtung des Monopolismus“ zuwende, will ich prüfen, ob das anstehende Problem nicht dadurch zu lösen ist, dass man den Monopolismus völlig aus der Gesellschafft verbannt. Warum schafft man Monopole nicht einfach ab? Die Antwort auf diese Frage muss die beobachtbaren individuellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigen (das müssen wir uns jn den nächsten Teilen in #freie-gesellschaft sehr genau betrachten).
Sollte das Vorhaben „Abschaffung des Monopolismus“ im Widerspruch stehen zu dem Ziel, das man damit zu erreichen hofft, ist zu prüfen, ob sich Strategien ausfindig machen lassen, die Gefahren des Monopolismus auf eine andere, und zwar widerspruchsfreie Weise zu beseitigen (wir schauen genau)

Somit ist Teil 29 beendet und Teil 30 folgt

Euer Zeitgedanken

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