Versöhnung oder Bruch?

Alles versucht oder doch zu früh resigniert?

Gleich zu Anfang das Eingeständnis, die Motivation für diese Zeilen aus einem Beitrag von @redpalestino und seiner Liebeserklärung an seine Insel geschöpft zu haben. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass das Herz auch von Zeit zu Zeit beweist, nicht immer nur auf Harmonie bedacht zu sein, sondern durchaus auch bereit scheint, einem Konfrontationskurs nicht aus dem Weg gehen zu wollen.


Die Vorgeschichte:

Die Stadt, um die es in diesem Beitrag geht und zu der ich ein besonderes Verhältnis pflege, liegt eingebettet mitten im Saarland, bietet zirka 15.000 Menschen Unterkunft, ist nicht meine Geburtsort, aber so etwas wie meine Heimatstadt.
Hier wuchs ich auf, veranstaltete meine ersten Kapriolen, kannte fast jeden und kehrte ihr erstmals mit 18 den Rücken. Ohne viel Wehmut aber auch nicht mit Groll im Herzen.
Dann, nach vielen Jahren der Wanderschaft, war ich plötzlich und auch für mich völlig unerwartet zurück in den alten Gassen. Der Grund war eine berufliche Herausforderung, wie sie einem nur selten angeboten werden.
Obwohl mit dieser Aufgabe jeden Tag von früh bis spät ausgelastet, bemerkte ich sehr bald, dass die Gassen, Häuser und Winkel zwar dieselben geblieben waren, doch hatte sich die Stadt drumherum total verändert. Die Gassen atmeten nicht mehr. Das Leben war aus ihnen gewichen.

Schuld daran hatte, in einem nicht unerheblichen Maß, eine seit zwei Jahrzehnten vollkommen verkorkste Kommunalpolitik. Anstatt, nach dem Wegfall von Kohle und Stahl, sich früh darum zu bemühen Arbeitsplätze in der Umgebung zu schaffen, setzte sich die glorreiche Idee durch, aus der Stadt die “Wohnstadt mit Herz” oder auch “die Perle an der Blies” zu kreieren.
Bauland wurde (dank bester Mauscheltechniken) zum Schleuderpreis angeboten. Der Chef der ortsansässigen Baufirma verdiente sich mit der Erschließung die erste Million, während der Stadtkämmerer verzweifelt auf Steuereinnahmen hoffte.
Das Resultat präsentierte sich jedoch in Form eines kommunalen, gewerblichen und kulturellen Kollaps. Die Bevölkerungszahlen stiegen zwar ständig, doch da keine Arbeitsplätze vorhanden waren, verwandelte sich die Stadt von morgens um 7:00 Uhr bis 18:00 in eine Geisterstadt. Lediglich die Schulkinder und die Alten bezeugten mit ihrer Präsenz, dass zumindest noch etwas Sauerstoff in der Luft zu finden ist.

Eigentlich hätte es mir egal sein können, da meine berufliche Zukunft nur ganz unwesentlich mit der Situation der Stadt zu tun hatte. Doch es war noch immer meine Stadt. Dazu gesellte sich der Umstand, dass auch ich mich dahingehend verändert hatte, nicht mehr immer alles locker und leicht zu sehen, sondern kein Grund dafür sah, offensichtliche Missstände nicht zur Sprache zu bringen.
So begann ich nachzuhaken, zu fragen und zu nerven. Ich trat, ohne Rücksicht auf Verluste denjenigen auf die Füße, die breit lächelnd an jedem Samstagmorgen über den Marktplatz liefen und furchtbar stolz auf das waren, was sie mit ihren Entscheidungen aus der Stadt gemacht hatten. Und ehe ich mich versah, steckte mir nicht nur der Schwarze Peter am Revers, sondern durfte ich auch in die Rolle schlüpfen, die der bekommt, der alles nur schlechtreden möchte.
Okay, warum nicht. Damit hatte ich überhaupt kein Problem.
Aber, dass ich auf dem richtigen Weg war, offenbarte sich erst langsam und ab dem Augenblick, als mich plötzlich Mitbürger aufsuchten und mir ihre Erfahrungen und Beobachtungen mitteilten, die sie jedoch, mit Rücksicht auf das eigene Ansehen oder dem erlangten politischen Status, nicht unbedingt öffentlich äußern wollten. Bei mir durfte gekotzt werden, da ich ja bereits gebrandmarkt war.

Diese wirre Situation veranlasste mich ein Projekt in Angriff zu nehmen, das mich nicht nur monatlich ungefähr 1.000 DM kosten, sondern meine tägliche Nachtruhe auf maximal 4 bis 5 Stunden reduzierte sollte. In dieser Zeit wurde mir erstmals richtig bewusst, wie viel Geduld meine Frau mit mir haben konnte. Ich gründete ein Nachrichtenblatt, das monatlich erscheinen sollte und sich ausschließlich mit meiner Stadt beschäftigen sollte. Die Ankündigung brachte mir viel Schulterklopfen und zirka 20 Werbeanzeigen ein. Eingerechnet des Verkaufspreises schien sich abzuzeichnen, dass das Blatt sich zwar nicht restlos, aber doch einigermaßen finanziell tragen sollte. Nach der ersten Ausgabe nahmen die Schulterklopfer zu und die Werbekunden waren nicht mehr auffindbar. Ab sofort war ich auf Spenden und mein eigenes Bankkonto angewiesen. Das Projekt nannte sich übrigens “Stadtlupe”. Und genau mit einer solchen machte ich mich weiter auf die Suche.

Nach zwölf Ausgaben warf der Bürgermeister entnervt das Handtuch, die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat hatten sich dramatisch verändert, Korruptionsvorwürfe wurden von der Staatsanwaltschaft überprüft, dem Kämmerer wurde ein Sparkommissar vor die Nase gesetzt und mehrere hoch angesehene Köpfe aus dem politischen Leben mussten feststellen, dass auch sie rollen können.

Als krönenden Abschluss schenkte ich meiner Stadt diese Zeilen, die ich überdimensioniert an allen Litfaßsäulen und öffentlichen Gebäuden ankleisterte.

Dein Schnarchen treibt mich weg

Ich wende mich.
Ich drehe mich
Jetzt mal auf den Rücken.
Die Sonne blinzelt schräg
am Gardinenrand entlang.
Der Morgen hat schon längst begonnen.
Das Leben ist erwacht.
Du liegst noch schwer im Kissen.
Die Federdecke überm Kopf.
Dein Schnarchen tönt im Raum.
Vom Wachsein bist du weit entfernt.

Vorsichtig schleiche mich zum Fenster.
Ein Blick zum Nachbarn rüber
Der gerade seine Zeitung holt
Ein Strauch dient spielenden Kindern als Versteck.
Ich ziehe den Vorhang etwas mehr zur Seite,
in der Hoffnung, die Sonne wird dich wecken.
Doch du ziehst deine Decke noch ein Stück höher
und dein Schnarchen dringt weiter durch den Raum.

Die Sonne zieht langsam weiter ihre Bahn.
Das Leben füllt die Straßen auf.
Rings um unser Haus lärmen Kinder.
Doch zu dir dringt nichts empor.
Ich öffne nun alle Fenster.
Geräusche strömen in den Raum.
Du drehst dich demonstrativ um
und schnarchst dann weiter vor dich hin.

Ich beginne langsam zur Musik zu tanzen.
Dann springe ich wie wild umher.
Gebe lachend einen Stepptanz zum Besten.
Bis ich völlig außer Atem bin.
Ich kann nicht mehr.
Es geht schon stramm auf Mittag zu.
Hunger klopft an meinem Magen.
Ich würde gerne einen Karpfen jetzt mit dir genießen.
Doch du schnarchst weiter vor dich hin.

Die Sonne ist im Sinken begriffen.
Draußen tobt das Leben weiterhin.
Gleich packe ich und renn nach unten,
wenn du nichts weiter, als nur schnarchen willst.
Ich schüttele dich
und rüttele dich.
Du wirst nur furchtbar wütend
und schlägst mir ins Gesicht.
Dann triffst du mich im Magen,
Als Zugabe einen Tritt von hinten in die Beine.
Ich kann es noch immer nicht fassen

als der letzte Schlag mich trifft.

Ottweiler, ich will dich doch nur wecken.
Lass uns das Leben einfach nur genießen.
Ich will dich necken, lieben und auch provozieren.
Lass uns mit den gläsernen Murmeln spielen
oder einfach nur Arm in Arm spazieren gehen.
Doch wie lange soll ich dieses Schnarchen noch ertragen.
Das schon wieder dröhnt durch diese Stadt?

Mich würde jetzt interessieren, wie euer Geschenk an eure Heimatstadt aussehen, klingen oder sorgsam “verzeilt” aussehen würde. Aber bitte in einem schönen, eigenen Beitrag. Ich bin mehr als gespannt!

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