FotoGedanken - #6 Die Rolltreppe ins Danach

Vergott vs. Haßtenteufel



Am letzten Samstag war es dann endlich soweit. Nach fast zweijähriger Bauzeit, unzähligen Schwierigkeiten während der Planungsphase und einer Vervierfachung der ursprünglich veranschlagten Baukosten, wurde das Mammut-Projekt Rolltreppe ins Danach, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und im Beisein der üblichen Verdächtigen aus Politik, Vetternwirtschaft und Bankgewerbe, feierlich eröffnet.

Bevor wir jedoch Zitate aus den selbstbefriedigenden Reden der Honoratioren, Profiteure und ersten Nutzern der Rolltreppe günstig zum Kauf anbieten, werfen wir einen kurzen Blick zurück und fragen uns gemeinsam:

Warum überhaupt und warum gerade hier?


Beginnen wir also mit dem Warum. Aus dem Grund mit dem Warum, weil es das am häufigsten genutzte Wort in dieser Frage darstellt. Sollten wir etwa mit HARIBO-Golbären beginnen, die sich nicht einen einzigen Tag auf der Baustelle aufhielten und sich auch nicht in die Frage getrauten? Macht also erstmal keinen Sinn und außerdem lässt es das Mehrheitsprinzip nicht zu. Obwohl wir uns hier auf einer ehemaligen Baustelle befinden, müssen ja nicht gleich alte Werte untergebuddelt werden.

Also, warum? Darum! Das hat mein Opa immer schon so gesagt und hatte auch recht damit. Aber warum gerade hier?

Dieser ehemalige Kartoffelacker zwischen den Gemarkungen Fürth und Steinbach ist bereits seit Menschengedenken der Zankapfel schlechthin zwischen den Familien Vergott und Haßtenteufel. Beide Familien bleiben seither ihrer Tradition treu, bestellen Jahr für Jahr zur selben Zeit den selben Acker. Trifft man sich dann in der Mitte, wird zur Harke gegriffen und man drischt solange aufeinander ein, bis der eine oder andere Schwachkopf nicht Hunger oder Durst verspürt. Dann wird die Schlacht unterbrochen und auch erst zur Ernte fortgesetzt.

Um diesem Gemetzel zwischen Ver-Gott und Haßten-Teufel ein endgültiges Ende zu setzen, einigten sich die Ortsvorsteher der beiden Gemeinden darauf, den Acker kurzerhand zu enteignen und die Fläche in den Bebauungsplan mit aufzunehmen. Anfänglich hatte man an die Errichtung einer öffentlichen Toilette gedacht, da beide Gemeinden zwar eine Kirche im Dorf aber kein Satelliten-Klo vorzuweisen hatten.
Alleine der Gedanke, dass ihr gemeinsamer Kartoffelacker zum Scheißhaus verkommen sollte, verbündete die beiden Erzfeinde. Dieses Mal bekamen die Ortsvorsteher ihr Fett ordentlich weg und die Idee zur Rolltreppe ins Danach wurde geboren.

Während der ersten erstellten Bauzeichnungen sah es zwar noch einmal kurz danach aus, als könnte der Streit erneut eskalieren, da die Haßten-Teufel auf Biegen und Brechen nicht in das Untergeschoss abgeschoben werden wollten. Erst als ihnen vertraglich zugesichert wurde, dass im Keller auch Grill und Holzkohle genutzt werden darf (was ja oberirdisch wegen der erhöhten Waldbrandgefahr streng verboten ist), lenkten sie nicht nur ein, sondern adoptierten gleich auch noch den bis dahin unbescholtenen Bürger Ernst Adolf Köhler, der dafür bekannt ist, seinem Namen alle Ehre zu machen.

Aber jetzt schnurrt sie ja, die Rolltreppe ins Danach. Zur besseren Orientierung benannte man das Untergeschoss “Hölle” und den Acker mit Tageslicht und freier Sicht auf Lautenbach “Himmel”.
Nachdem das schraffierte Band der Freundschaft am Samstagnachmittag dann endgültig durchschnitten war, eröffnete sich der Bevölkerung die Möglichkeit zu einer Schnuppertour, von der dann auch reichlich Gebrauch gemacht wurde.

Wie wir heute aus dem Einwohnermeldeamt erfahren konnten, mussten bereits nach zwei Tagen vier Löschungen aus dem Register vorgenommen werden. So wurde Kurt Sticher (78) aus der Blumenstraße zuletzt dabei beobachtet, wie er mit einem Spanferkel über der Schulter die Rolltreppe in Richtung “Hölle” nahm. Seither gilt er als vermisst.
Emma Gutwohl (84) wurde zuletzt im Bereich Himmel gesichtet, als sie sturzbetrunken sich mit ihren eigenen Rollator überschlug. Bei ihr verzichtete die Familie auf eine Vermisstenanzeige, da die alte Schnapsdrossel sowieso von niemandem vermisst wird.

Andere, die den Weg zurück nach Fürth oder Steinbach schafften, berichteten unisono von einzigartigen Erlebnissen, wie sie nur in Himmel und Hölle zu erleben sind.
Stellvertretend für den Rest derer, die dem Tod von der Kartoffelharke gesprungen sind, lassen wir Theodor Batschkapp zu Wort kommen.

“So gute Bratwürste wie dort unten, habe ich noch nie gegessen. Ich habe mir jedenfalls eine Grillstelle reserviert. Nur den Senf, den muss man selbst mitbringen.”

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#FotoGedanken geht aus einer Initiative von @kadna hervor.

Ich steuere gerne ein paar Gedanken bei, da ich mir Woche für Woche damit selbst beweise, überhaupt noch in der Lage zu sein, mir Gedanken zu machen. Auch keine schlechte Erkenntnis, wenn keine eigene Intension erkennbar ist, diese Rolltreppe in absehbarer Zeit zu nutzen.

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