Medien 027 - Kampf in Deutschen Medien - Tichy's Einblick mittendrin

07. Februar 2019

Dass besonders einer von Deutschlands grössten Parteien, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) [1], bei den kommenden Wahlen im Jahr 2019 erneut herbe Verluste drohen, sollte bekannt sein. Es wird regelmässig darüber berichtet [2], dazu werden wöchentlich neue Umfrageresultate bekanntgegeben [3].

Dass in Deutschland die Parteien, vor allem die grossen, über einen ziemlich grossen Einfluss verfügen, dürfte dem interessierten Beobachter nicht entgangen sein. Grob dargelegt funktionieren die Parteien als Karrierenetzwerk für Politiker, nehmen über Gewerkschaften und Betriebsräte Einfluss auf Firmen, unterhalten parteinahe Stiftungen, sind in kirchennahen Vereinen aktiv, beteiligen sich an Medien, geben selbst Publikationen heraus und sind nicht unwesentlich an der Verwaltung und Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Sender beteiligt. Da es im Bereich der dritten Staatsgewalt, der Judikative, keine eigenen Karriereorganisationen gibt, sind einige Juristen auch Parteimitglieder.

Speziell von der SPD wurde schon in der Vergangenheit immer wieder gesagt, dass sie gerade im Bereich der Medien direkt und indirekt Einfluss ausübt. Auch wenn die Partei bezüglich des Wählerzuspruchs - teilweise nur noch ca. 15 Wähler pro Parteimitglied - und damit verbunden wohl auch mit den Finanzen in einer grossen Krise steckt, sollte man sie nicht unterschätzen.

Wenn eine Partei oder auch eine andere Organisation nicht öffentlich bekannt Einfluss auf mediale Inhalte ausüben kann, besteht die Möglichkeit, mit einer scheinbaren Objektivität Menschen, Organisationen und andere Publikationen bewerten.

Im Zuge des Auftritts von Henryk M. Broder [4] bei der Bundestagsfraktion der AfD [5] Ende Januar 2019 kam es zu einer Szene, die photographiert und verbreitet wurde. Darauf war eine Umarmung zu sehen. Die Fraktionsvorsitzende der AfD, Alice Weidel, hat Herrn Broder umarmt und es war klar zu sehen, dass die Initiative und Begeisterung für diese Umarmung von ihr ausgingen. An dem Bild ist also wie bereits gesagt, nichts wirklich aufregend.

Dennoch wurde das Bild von einigen Journalisten weiterverbreitet und kommentiert, versehen mit einer warnenden Botschaft. Es sei stets darauf zu achten, dass zwischen Journalisten und Politik ausreichend Distanz herrscht. Die mahnenden Worte wiederum wurden zum Anlass genommen, Bilder von Gala-Abenden zu verbreiten, in denen sich Presse und Politik auch eher ungebührlich nahestehen. Ein Bundestagsabgeordneter der SPD hielt es für nötig, die beiden Juden Henryk M. Broder (Journalist) und Michael Wolfssohn (Historiker) [6] auf eine mir absurd erscheinende Weise als Leute von ganz rechtsaussen zu bezeichnen [7]. Worauf ich mich gefragt habe, welche Bezeichnungen dieser Abgeordnete für Leute verwendet, die sich tatsächlich als rechtsaussen bezeichnen und dennoch sehr darauf bedacht sind, keine nationalsozialistischen Positionen zu vertreten, die Bezeichnung Nazi also nicht zutreffen kann. Vielleicht will ich das auch gar nicht wissen.

Letzte Woche erschien in verschiedenen Zeitungen ein Artikel [9] des Journalisten Markus Decker [10], der als Korrespondent für das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) [11] tätig ist. In diesem hiess es in der ersten Version [12]:

„Als Medien in der Grauzone zum Rechtspopulismus gelten Kritikern schließlich „Tichys Einblick“ [13], verantwortet von dem früheren „Wirtschaftswoche“-Chefredakteur Roland Tichy [14], das Magazin „Cicero“ [15] und die „Neue Züricher Zeitung“ [16]. Die „Achse des Guten“ [17] und die „Junge Freiheit“ [18] haben die Grenze nach allgemeiner Einschätzung überschritten.“

Redaktionell bearbeitet heisst es jetzt:

Als Medien in der Grauzone zum Rechtspopulismus gelten Kritikern etwa „Tichys Einblick“, verantwortet von dem früheren „Wirtschaftswoche“-Chefredakteur Roland Tichy. Die „Achse des Guten“ und die „Junge Freiheit“ haben die Grenze nach allgemeiner Einschätzung überschritten.

In der bearbeiteten Version macht man im ersten Satz zwar einen Singular/Plural-Fehler, weil man nur mehr ein unabhängiges Medienerzeugnis in die Grauzone zum Rechtspopulismus schreibt. Zuvor hat man neben Tichys Einblick, den ich oft empfehle, das liberal-konservative politische Magazin Cicero und die ehrwürdigste Schweizer Tageszeitung Neue Zürcher Zeitung (NZZ) erwähnt. Das "i", welches Zürcher zu Züricher macht, hat der Verfasser wohl dem Duden entnommen, der neben Zürcher auch Züricher gelten lässt. Als jemand, der aus der näheren Umgebung stand und jahrelang in Zürich tätig war, weiss ich unzweifelhaft, dass aus Zürich die Zürcher stammen und sich auch die NZZ entsprechend nennt.

Die NZZ verfügt über eine bald 240-jährige Geschichte - ihr erster Jahrgang war 1780 - wobei man stets mit Profil aufgetreten ist und eine freisinnig-demokratische Ausrichtung pflegte. Die NZZ ist die wohl intellektuellste Tageszeitung der Schweiz mit internationaler Strahlkraft im ganzen deutschsprachigen Raum. In Deutschland gibt es nichts vergleichbares. Ein Populistenblättchen ist die NZZ also keineswegs, sie in eine Nähe dazu zu rücken eine Respektlosigkeit höherer Klasse, aber auch eine Entlarvung des eigenen Unwissens. Das RND, für welches der genannte Autor tätig ist, wurde 2013 gegründet. Auch sonst gibt es in Deutschland keine Pressehäuser mit ähnlich langer Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Presselizenzen neu vergeben.

Die NZZ hat übrigens vor nicht allzu langer Zeit den genannten Historiker Michael Wolfssohn in ihrer Sendung NZZ Standpunkte zu Gast gehabt [19], zum Thema neuer Judenhass. Mit rechtsaussen hat das Video offensichtlich nichts zu tun.


Auch nicht gerade rühmlich ist die letzte zitierte Zeile, in der zwei Publikationen genannt werden, die die Grenze zum Rechtspopulismus eindeutig überschritten haben sollen und zwar nach allgemeiner Einschätzung. Wer dazu eine Einschätzung publiziert hat, die tatsächlich als allgemein gültig verstanden werden kann, wird nicht genannt. Die eines einzelnen Journalisten dürfte nicht über das entsprechende Gewicht verfügen.

Bei Tichys Einblick verstand man den Angriff wohl als Aufruf zum Kampf. Diese Woche erschienen einige Artikel zum Thema SPD und Medien [12, 21], wobei ersterer Artikel wegen befürchteter finanzintensiver juristischer Auseinandersetzungen mittlerweile offiziell gelöscht wurde [22]. Bei Twitter war Roland Tichy [23] dieser Tage sehr aktiv und verlinkte einige Artikel, die in anderen Medienerzeugnissen erschienen sind und dasselbe Thema behandelten. Die Auseinandersetzungen in Deutschlands Medien könnten in naher Zukunft noch spannend werden. Der Versuch, andere durch wenig fundierte Aussagen verächtlich zu machen, kann stets gegen einen verwendet werden.

Auch der Ruf des sehr erfahrenen Journalisten Roland Tichy könnte nachhaltiger zu beschädigen versucht werden. Er ist neben der Leitung des Magazins Tichys Einblick Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung [24], im Kuratorium der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung [25] und Mitglied der Mont-Pèlerin-Society [26]. Mit dieser Vernetzung gehört Roland Tichy in die Kategorie der Verfechter der Marktwirtschaft und bürgerlich-konservativer Werte. Der durchaus hoffnungsvolle, aber unterlegene Kandidat für den Parteivorsitz der CDU, Friedrich Merz, hätte 2018 mit der unregelmässig verliehenen Ludwig-Erhard-Medaille ausgezeichnet werden sollen und lehnte ab [27]. Medial wurde versucht, die Ablehnung als Votum gegen Roland Tichy zu interpretieren, aber es wurde nicht eindeutig klar, in welchem Masse Friedrich Merz seine Entscheidung von der Perönlichkeit Tichy beeinflussen liess.



[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialdemokratische_Partei_Deutschlands
https://en.wikipedia.org/wiki/Social_Democratic_Party_of_Germany
[2] Umfrage: Union und SPD drohen bei Europawahl herbe Verluste. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02. Februar 2019, von dpa https://www.faz.net/aktuell/politik/umfrage-union-und-spd-drohen-bei-europawahl-herbe-verluste-16020787.html
[3] Umfrageresultate der Sonntagsfrage. Bundestagswahl: http://www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm Landtagswahlen: http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/index.htm Europawahl: http://www.wahlrecht.de/umfragen/europawahl.htm
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Henryk_M._Broder
https://en.wikipedia.org/wiki/Henryk_Broder
[5] Zitate 117 - Henryk M. Broder zu Gast bei der AfD-Fraktion im Bundestag. @saamychristen, 31. Januar 2019 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/zitate-117-henryk-m-broder-zu-gast-bei-der-afd-fraktion-im-bundestag
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Wolffsohn
[7] Tweet von Johannes Kahrs, 02. Februar 2019


[8] Meinung - Rede vor Fraktion - Henryk M. Broder, der AfD-Entzauberer. Welt online, 31. Januar 2019, von Michael Wolfssohn https://www.welt.de/debatte/kommentare/article188065403/Michael-Wolffsohn-Henryk-M-Broder-der-AfD-Entzauberer.html
[9] Umarmung mit AfD-Politikerin Autoren am rechten Rand – Broder ist kein Einzelfall. Berliner Zeitung, 31. Januar 2019, von Markus Decker https://www.berliner-zeitung.de/politik/rnd/umarmung-mit-afd-politikerin-autoren-am-rechten-rand---broder-ist-kein-einzelfall-31969254
[10] Twitter Profil von Markus Decker: https://twitter.com/Herr_Decker
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/RedaktionsNetzwerk_Deutschland
https://en.wikipedia.org/wiki/RedaktionsNetzwerk_Deutschland
[12] Gelöschter Artikel: Wie SPD in die Zeitungen kommt - Zeitungen, auf die die SPD heimlich und indirekt Einfluß nimmt. Tichys Einblick, 04. Februar 2019, von Roland Tichy https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/spd-medien-erklaeren-nzz-zur-grauzone-des-rechtspopulismus
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Tichys_Einblick
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Roland_Tichy
[15] https://de.wikipedia.org/wiki/Cicero_Zeitschrift
https://en.wikipedia.org/wiki/Cicero_magazine
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Zürcher_Zeitung
https://en.wikipedia.org/wiki/Neue_Zürcher_Zeitung
[17] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Achse_des_Guten
https://en.wikipedia.org/wiki/Die_Achse_des_Guten
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Junge_Freiheit
https://en.wikipedia.org/wiki/Junge_Freiheit
[19] Michael Wolffsohn | Die Hydra hebt ihr Haupt - der neue Judenhass (NZZ Standpunkte 2018). NZZ Standpunkte YouTube Kanal, 29. Dezember 2018
[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Amadeu_Antonio_Stiftung
https://en.wikipedia.org/wiki/Amadeu_Antonio_Foundation
[21] SPD Ade - Arbeiter raus! Tichys Einblick, 06. Februar 2019, von Alexander Wendt https://www.tichyseinblick.de/meinungen/arbeiter-raus/
[22] Pressemacht in Deutschland - Es muss gelöscht werden. Tichys Einblick, 06. Februar 2019 https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/es-muss-geloescht-werden-was-sie-wissen-sollten/
[23] Roland Tichy bei Twitter: https://twitter.com/RolandTichy
[24] https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig-Erhard-Stiftung
[25] https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung
https://en.wikipedia.org/wiki/Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung
[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Mont_Pèlerin_Society
https://en.wikipedia.org/wiki/Mont_Pelerin_Society
[27] Populismus-Vorwurf Eklat in der Ludwig-Erhard-Stiftung – Friedrich Merz lehnt Preis ab. Handelsblatt, 16. Juli 2018, von Sven Afhüppe, Martin Greive, Jan Hildebrand https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/populismus-vorwurf-eklat-in-der-ludwig-erhard-stiftung-friedrich-merz-lehnt-preis-ab/22798842.html


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