Vom Homo Sapiens zum Homo Deus

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“Wenn ich das Antivirenprogramm meines Körpers nicht regelmäßig aktualisiere, werde ich eines Tages aufwachen und feststellen, dass Millionen von Nanorobotern durch meine Venen kreisen, die nun von einem nordkoreanischen Hacker gesteuert werden.” [5]

Keine erbaulichen Aussichten, wenn man sich so das vorstellt. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari beschreibt in seinem Buch „Homo Deus - Eine Geschichte von Morgen“ wie er sich die Zukunft des Menschen ausmalt – und zwar als düstere Version des Technologiezeitalters. Ich muss schon zugeben, manche seiner Thesen sind sehr überspitzt dargestellt und beim Lesen wird einem teilweise schon mulmig, wenn man so über seine Zukunftsthesen nachdenkt. Doch dennoch regen seine Vorstellungen des zukünftigen Homo Deus, also des Übermenschen, der sich aus dem Homo Sapiens, gezwungen durch die fortschreitende künstliche Intelligenz, entwickeln soll, eindeutig zum Nachdenken an. [2]

Wie wird unsere Zukunft wirklich aussehen?
Wird die künstliche Intelligenz die Überhand gewinnen?

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Dem Tod ein Ende bereiten

Im Grunde ist unsere Zukunft so offen und gestaltbar wie nie zuvor. Künstliche Intelligenz, Automatisierung, revolutionäre Technologien in unterschiedlichsten Bereichen entwickeln sich immer besser und werden immer greifbarer. Wir sind im Stande Kriege, Hunger und Naturkatastrophen zu beherrschen und in Grenzen zu halten. Was wenn wir das alles in Zukunft auf das Minimalste reduzieren? Wenn wir alles beherrschen können? Wenn wir sogar den Tod überwinden? Was wird dann unser neues Ziel sein?
Harari ist der Auffassung, dass durch die wachsende Selbstermächtigung, der Mensch zum Homo Deus wird und das neue Glaubenssystem des Dataismus, Werte wie Individualismus, Seele und freien Willen ablöst. Der nächste Schritt, meint er, ist der Griff nach der Unsterblichkeit. Dank den Fortschritten in der Biotechnologie und künstlicher Intelligenz könnte dies für ihn durchaus bald möglich sein. [1] [5]


Kontrollverlust

Durch die rasante Entwicklung der Technik droht der Mensch obsolet zu werden. Im Gegensatz zu Elon Musk, der davon überzeugt ist, dass der Mensch sich langfristig zum Cyborg aufrüsten muss, da er sonst von der KI überschwemmt und überflüssig wird, sieht Harari aber nicht die Technik als Ausweg, sondern die Ursache dafür, dass der Mensch in diese Lage gerät. [1] [5]

„Es ist ein bisschen so, wie wenn man eine Software herunterlädt und gebeten wird, einen beigefügten Lizenzvertrag zu unterzeichnen, der aus Dutzenden von Seiten in schönstem Juristendeutsch besteht; man wirft einen kurzen Blick darauf, scrollt dann bis ans Ende des Dokuments, macht ein Häkchen bei „ich stimme zu“ und hat das Ganze schon gleich wieder vergessen.“ [5]

Der Mensch verliert im Zeitalter der Automatisierung zunehmend die Kontrolle und wir ertappen uns immer wieder dabei, Entscheidungen an Algorithmen abzugeben. Wer war nicht schon mal aufgeschmissen, als das Navigationssystem nicht funktionierte? Egal, ob wir Begriffe googeln, mit Termingeschäften an der Börse handeln oder im Drohnenkrieg – überall nehmen wir uns Algorithmen zur Hilfe.


Verschwimmen der Grenzen

Im seinem Buch beginnt er beim Anfang der Menschheitsgeschichte, um bestimmte Entwicklungen genau nachzuvollziehen. Natürlich spielt hier die Religion auch eine wichtige Rolle, bei der er der Meinung ist, dass sich diese im 21. Jahrhundert grundlegend ändert. [2]

„Im 21. Jahrhundert werden wir wirkmächtigere Fiktionen und totalitärere Religionen als jemals zuvor schaffen. Mit Hilfe von Biotechnologie und Computeralgorithmen werden diese Religionen nicht nur jede Minute unseres Daseins kontrollieren, sondern auch in der Lage sein, unseren Körper, unser Gehirn und unseren Geist zu verändern sowie durch und durch virtuelle Welten zu erschaffen.“ [5]

Zunächst einmal erschreckend, sich so etwas vorzustellen und im ersten Moment denkt man, dass so etwas nicht so schnell passieren könnte. Auch wenn es vielleicht ein bisschen übertrieben dargestellt ist, hat diese düstere Aussage nicht eine plausible Begründung?
Viele Städte, die sich in Richtung Cyborg-Cities entwickeln, driften doch darauf zu, dass sich die Grenzen zwischen Mensch, Stadt und Technologie auflöst. Schon mal bewusst durch die Stadt gegangen und die vorbeigehenden Menschen beobachtet? Eine Sache fällt da ziemlich häufig auf. Der Großteil starrt mechanisch in sein Handy und ist ganz gefesselt davon. Nur wenige konzetrieren sich auf ihre Umwelt. Diese „Smombies“ laufen also auch heute schon wie ferngesteuert durch unsere Straßen. [1]

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Vom Humanismus zum Dataismus

Organismen beschreibt er als Algorithmen – alles in unserer Natur ist auf einem Algorithmus aufgebaut. Im Grunde basiert alles auf einem bestimmten Ablauf, der durchgeführt wird, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Den Menschen sieht er nicht als Individuum, sondern als Dividuum. Daraus ergibt sich die Frage, ob ein Algorithmus dann nicht eigentlich mehr über mich Bescheid weiß, als ich selbst. [5]

„Liberale Gewohnheiten wie demokratische Wahlen werden obsolet werden, denn Google wird in der Lage sein, sogar meine politischen Überzeugungen besser zu repräsentieren als ich selbst.“ [5]

„Nie und nimmer wird irgendjemand über meine persönliche politische Überzeugung besser bestimmen können, als ich selbst!", wird sich jetzt jeder selbst denken.
Aber ist ein solcher Punkt eventuell nicht schon erreicht? Eine berechtigte Frage: Nach dem Referendum des Vereinigten Königreichs bezüglich dem Austritt aus der EU, konnte Google eine 250-prozentige Erhöhung von Suchanfragen nach „Was ist die EU?“ registrieren. Vor der Wahl zu googlen wäre vermutlich besser gewesen als danach. Sollte man Wahlen also lieber einem algorithmischen Voting überlassen, um keine verzerrte Abbildung zu bekommen? Unsere politische Willensbildung wäre dann aber überflüssig, denn die Wahlen folgen dann einem maschinellen Determinismus. Im Dataismus gilt nach Harari nicht umsonst die Regel „Hör auf Algorithmen. Sie wissen wie du dich fühlst.“ [5] [4]

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30, Single, männlich sucht...

Aber auch im noch privateren Bereich, nämlich bei der Partnerwahl, geben wir unsere Kontrolle immer mehr ab. Im Zeitalter von Parship, Tinder und Co. glauben wir, mehr Gewissheit und weniger Risiken zu haben. Harari ist hierbei der Auffassung, dass in diesem Moment der Suchanfrage der Nutzer zwar glaubt, den Befehl zu geben und der Herr zu sein. Jedoch vollstreckt er sich nur dem Page-Rank-Algorithmus und erwirbt daher eigentlich nur eine Art Second-Hand-Wissen. [1]


Ein Weckruf

Generell ist Hararis Beschreibung der Zukunft schon sehr schwarzmalerisch und es ist daher verständlich, dass einige Kritiker die überspitzten Aussagen für nicht gutheißen. Aber man sollte zumindest einen Weckruf darin hören, die Maschinen nicht zu allem zu berechtigen.

Die Frage stellt sich jetzt im Endeffekt, ob es in unserer Zukunft eine Übereinkunft zwischen Mensch und Maschine geben wird oder ob für uns eh schon alle zu spät ist und wir uns schon unterworfen haben. Heutzutage wird die Teilnahme am Computernetzwerk zum Zwang und ist gar nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Eventuell könnte irgendwann der Punkt erreicht sein, an dem es unmöglich ist sich vom Netzwerk abzukoppeln und wir eigentlich nur von der Technik abhängig sind und damit nutzlos.

WIRD DER MENSCH ZUM HOMO DEUS?

Diese Frage bleibt wohl weiterhin offen.

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Wie seht ihr das? Wird die Grenze zwischen Mensch und Technik schneller verschwimmen als gedacht? Oder werden wir uns auf irgendeine Art und Weise doch dagegen wehren und wenn, mit welchen Mitteln?

UND: Würdet ihr unsterblich sein wollen, wenn es irgendwann die Möglichkeit dazu gäbe?


Quellen:

[1] https://www.zeit.de/kultur/literatur/2017-04/homo-deus-yuval-noah-harari-buchkritik
[2] https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-homo-deus/1451773
[3] http://www.ynharari.com/de/book/homo-deus/
[4] https://www.macleans.ca/politics/worldpolitics/what-were-googles-most-frequent-searches-after-brexit/
[5] Harari, Y. N. (2018). Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen. (A. Wirthensohn, Übers.) (14. Aufl.). München: C.H.Beck.

Fotos stammen alle von Unsplash

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