...und dann waren da keine mehr Teil 3/3

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„Bis zu einem gewissen Punkt.“

„Zu welchem Punkt?“

„Ein Mann hat Pflichten. Er hat kein Recht sich diesen zu verweigern.“

„Nein?“ Sie hob verlockende Augenbrauen, grazil gebogen. „Wer bestimmt diese Pflichten - er selbst oder Jemand anders?“

„Seine Höherstehenden die meiste Zeit.“

„Höherstehende.“ spottete sie mit niederschmetterndem Hohn. „Kein Mensch ist höherstehender als ein anderer. Kein Mensch hat das Recht die Pflichten eines anderen zu bestimmen. Wenn irgendjemand auf der Erde solch unverschämte Macht ausübt, liegt das nur daran, weil ihm Idioten erlauben dies zu tun. Sie fürchten Freiheit. Sie bevorzugen es sich sagen zu lassen. Sie mögen es herumkommandiert zu werden. Sie lieben ihre Ketten und küssen ihre Fesseln. Was für Menschen!“

„Ich sollte dir nicht zuhören.“ protestierte Gleed, dazwischenfahrend. Sein ledriges Gesicht war errötet. „Du bist fast so unanständig wie hübsch.“

„Fürchtest dich vor deinen eigenen Gedanken?“ stichelte sie, pointiert sein Kompliment ignorierend.

Er wurde röter. „Nie im Leben. Aber ich -.“ Seine Stimme verstummte, als Seth mit drei beladenen Tellern eintraf und sie auf dem Tisch ablud.

„Sehe euch nachher.“ erinnerte Seth. Er war mittelgroß, mit mageren Zügen und scharfen, sich schnell bewegenden Augen. „Hab euch etwas zu sagen.“

Seth schloss sich ihnen kurz nach Ende der Mahlzeit an. Sich einen Stuhl nehmend, wischte er kondensierten Dampf von seinem Gesicht und überschaute sie berechnend.

„Wie viel wisst ihr zwei?“

„Genug um sich drüber zu streiten.“ warf Elissa ein. „Sie machen sich Gedanken über Pflichten, wer sie bestimmt und wer sie ausführt.“

„Mit gutem Grund.“ konterte Harrison. „Du selbst kannst ihnen nicht entkommen.“

„Was bedeutet -?“ fragte Seth.

„Diese Welt funktioniert auf einem seltsamen System sich austauschender Obligationen. Wie wird irgendeine Person eine Ob streichen, außer sie erkennt ihre Pflicht an dies zu tun?“

„Pflicht hat damit nichts zu tun.“ stellte Seth fest. „Und wenn es eine Sache von Pflicht wäre, wäre es jedem Menschen selbst überlassen, diese als solche für sich zu erkennen. Es wäre eine unverschämte Frechheit für jeden, ihn daran zu erinnern, undenkbar für jeden, ihm zu befehlen.“

„Einige Leute müssen ein leichtes Auskommen haben.“ unterbrach Gleed. „Es gibt nichts, was mir einfiele, was ihn aufhalten könnte.“ Er beobachtete Seth kurz, bevor er fortfuhr „Wie kommt ihr mit einem Bürger zurecht, der kein Gewissen hat?“

„Kinderleicht.“

Elissa schlug vor „Erzähl ihnen die Geschichte vom Untätigen Jack.“

„Es ist eine Geschichte für Kinder.“ erklärte Seth. „Alle Kinder hier kennen sie auswendig. Es ist eine zeitlose Fabel wie... wie -.“ Er verzog sein Gesicht. „Ich habe die Spur verloren an Erd-Erzählungen, die die Erstankommenden mit sich gebracht haben.“

„Rotkäppchen.“ bot Harrison an.

„Ja.“ Seth griff dies dankbar begierig auf. „So etwas wie dieses. Eine Kindergeschichte.“ Er befeuchtete seine Lippen, begann „Dieser Untätige Jack kam von der Erde als Säugling, wuchs auf in unserer neuen Welt, gewann ein Verständnis unseres ökonomischen Systems und dachte, er wäre mächtig schlau. Er entschied sich ein Schnorrer zu werden.“

„Was ist ein Schnorrer?“ fragte Gleed.

„Jemand, der dadurch lebt, Obs anzunehmen, aber nichts dafür tut, um sie auszulöschen oder eigene zu pflanzen. Jemand, der alles nimmt, was geht, aber nichts zurückgibt.“

„Verstehe. Mir sind in meinem Leben ein oder zwei wie dieser begegnet.“

„Bis zum Alter von sechzehn kam Jack damit davon. Er war nur ein Kind, verstehste? Alle Kinder tendieren dazu zu einem gewissen Maße zu schnorren. Wir erwarten es und erlauben es. Aber mit sechzehn saß er bald in der Patsche.“

„Inwiefern?“ drängte Harrison, interessierter als er gewillt war zu zeigen.

„Er trödelte in der Stadt herum, Obs sammelnd bis seine Arme voll fahren. Mahlzeiten, Kleidung und alles mögliche fürs bloße Fragen. Es war keine große Stadt. Es gibt keine großen auf diesem Planeten. Sie sind gerade klein genug, sodass jeder jeden kennt - und jeder plappert reichlich. Nach wenigen Monaten wusste die ganze Stadt, Jack ist ein entschlossener und unverbesserlicher Schnorrer.“

„Fahr fort.“ sagte Harrison ungeduldig.

„Alles trocknete aus.“ sagte Seth. „Wo immer Jack hinging, gaben ihm Leute das ‘Ich verweigere.’ Er bekam keine Mahlzeiten, keine Kleidung, keine Gesellschaft, keine Unterhaltung, nichts! Schon bald wurde er fürchterlich hungrig, brach eines Nachts in die Speisekammer von Jemandem ein, führte sich seine erste anständige Mahlzeit innerhalb einer Woche zu Gemüte.“

„Was haben sie dagegen unternommen?“

„Nichts, nicht eine Sache.“

„Das muss ihn etwas angespornt haben, nicht wahr?“

„Wie könnte es?“ sagte Seth mit einem Lächeln. „Es tat ihm nichts Gutes. Den nächsten Tag war sein Magen wieder leer. Er war gezwungen den Auftritt zu wiederholen. Und den nächsten Tag. Und den nächsten. Die Leute wurden vorsichtig, verschlossen ihr Zeug und standen Wache. Die Umstände wurden schwieriger und schwieriger. Sie wurden so unerträglich schwierig, dass es bald weit einfacher war die Stadt zu verlassen und eine andere zu versuchen. Also ging der Untätige Jack davon.“

„Um dasselbe wieder zu tun.“ legte Harrison nahe.

„Mit den gleichen Ergebnissen aus den gleichen Gründen.“ warf Seth ihm zurück. „Weiter ging er zu einer dritten, einer vierten, einer fünften, einer zwanzigsten. Er war störrisch genug um gedankenlos zu sein.“

„Aber er kam über die Runden.“ beharrte Harrison. „Alles an sich nehmend für die bloßen Kosten des Umziehens.“

„Oh nein, kam er nicht. Unsere Städte sind klein, wie ich sagte. Und die Leute machen reichlich Besuche von der einen in die andere. In der zweiten Stadt musste Jack riskieren gesehen zu werden und dass über ihn gesprochen wurde von Besuchern aus der ersten Stadt. In der dritten Stadt musste er mit Schwätzern sowohl aus der ersten, als auch der zweiten Stadt umgehen. Als er weiterging, wurde es eine ganze Menge schlimmer. In der zwanzigsten musste er das Risiko von plappernden Besuchern aus jeder der vorigen neunzehn eingehen.“ Seth lehnte sich vor, sagte mit Nachdruck
„Er kam nie in Stadt Nummer achtundzwanzig an.“

„Nein?“

„Er hielt es zwei Wochen aus in Nummer fünfundzwanzig, acht Tage in sechsundzwanzig, einen Tag in siebenundzwanzig. Das war dann fast das Ende. Er wusste, er würde erkannt werden in Nummer achtundzwanzig, den Moment wie er sein Gesicht zeigte.“

„Was machte er dann?“

„Er nahm Reißaus aufs offene Land, versuchte von Wurzeln und wilden Beeren zu leben. Dann verschwand er - bis eines Tages einige Spaziergänger ihn von einem Baum hängend fanden. Der Körper war ausgemergelt und in Lumpen gekleidet. Einsamkeit und Selbstvernachlässigung hatten ihn umgebracht. Das war der Untätige Jack, der Schnorrer. Er war nicht einmal zwanzig Jahre alt.“

„Auf der Erde“ bemerkte Gleed selbstgerecht „erhängen wir Leute nicht für bloße Faulheit.“

„Noch tun wir das.“ sagte Seth. „Wir lassen ihnen frei, sich selbst zu erhängen.“ Er beäugte sie scharfsinnig, als er weitermachte „Aber lasst euch davon nicht verunsichern. Niemand wurde zu solch drastischen Maßnahmen während meiner Lebenszeit getrieben, zumindest nicht dass ich davon gehört habe. Die Leute würdigen ihre Obs aus ökonomischer Notwendigkeit heraus und nicht wegen irgendeinem Pflichtbewusstsein. Niemand gibt Befehle, niemand schubst jemanden herum, aber da ist eine Art von Zwang in die Gegebenheiten der Lebensweise auf diesem Planeten eingebaut. Die Leute handeln ehrlich - oder sie leiden. Niemand genießt es zu leiden, nicht einmal ein Schwachkopf.“

„Ja, ich nehme an, da hast du recht.“ stimmte Harrison zu, viel geübt im Denken.

„Du kannst darauf wetten, dass ich recht habe!“ versicherte Seth. „Aber über was ich mit euch zwei reden möchte, ist etwas Wichtigeres. Es ist das: Was ist euer echter Lebenstraum?“

Ohne Zögern sagte Gleed „Das Weltall zu bereisen, während ich in einem Stück bleibe.“

„Hier genauso.“ trug Harrison bei.

„So viel dachte ich mir. Ihr wärt nicht im Weltraumdienst, wenn es nicht eure Wahl gewesen wäre. Aber ihr könnt nicht für immer in ihm verbleiben. Alles Gute hat einmal ein Ende. Was dann?“

Harrison zappelte unruhig herum. „Ich mag es nicht darüber nachzudenken.“

„Eines Tages wirst du das tun müssen.“ hob Seth hervor. „Wie viel länger habt ihr?“

„Vier und ein halbes Erdjahr.“

Seths Blick wanderte zu Gleed.

„Drei Erdjahre.“

„Nicht lang.“ kommentierte Seth. „Ich hatte nicht erwartet, ihr hättet noch viel Zeit übrig. Es ist eine recht sichere Sache, dass jedes Schiff, welches so tief in den Weltraum vorstößt, eine Besatzung hauptsächlich bestehend aus erfahrenen Alteingesessenen hat, die sich dem Ende ihrer Verträge nähern. Die geübten Hände werden ausgewählt für die unangenehmen Arbeiten. An dem Tag, an dem euer Boot auf der Erde landet, wird es das Ende der Reise für viele von euch sein, nicht wahr?“

„Wird es für mich.“ gab Gleed zu, nicht allzu glücklich über diesen Gedanken.

„Zeit, Zeit, je älter du wirst, desto schneller rennt sie. Aber wenn ihr den Dienst verlasst, werdet ihr immer noch vergleichbar jung sein.“ Er setzte ein mattes, neckendes Lächeln auf. „Ich nehme an, ihr kauft euch ein privates Weltraum-Fahrzeug und fahrt damit fort den Kosmos auf eigene Faust zu durchkreuzen?“

„Erzähl keinen Quatsch.“ schnappte Gleed. „Ein Mond-Boot ist das beste, was ein reicher Mann sich leisten kann. Hin und her zu tuckern zwischen einem Trabanten und seinem Ursprung macht keinen Spaß, wenn du an Blieder-Sprünge durch die Galaxie gewohnt bist. Das kleinste weltraumbefahrende Fahrzeug ist weit außer Reichweite der Reichsten. Nur Regierungen können die Rechnung für sie stemmen.“

„Mit ‘Regierungen’ meinst du Gemeinschaften?“

„Gewissermaßen.“

„Nun also, was werdet ihr tun, wenn eure Weltraum durchkreuzenden Tage vorüber sind?“

„Ich bin nicht wie Großohr hier.“ Gleed ruckte einen hindeutenden Daumen nach Harrison. „Ich bin ein Soldat und kein Techniker. Demnach ist meine Wahl begrenzt durch Mangel an Qualifikationen.“ Er kratzte seinen Kopf und sah schwermütig drein. „Ich wurde geboren und aufgezogen auf einem Bauernhof. Ich weiß nach wie vor eine Menge über Landwirtschaft. Demnach denke ich, ich hätte gerne selbst einen kleinen und lasse mich nieder.“

„Denkst du, du bekommst das hin?“ fragte Seth, ihn aufmerksam anschauend.

„Auf Falder oder Hygeia oder Norton’s Rosa Himmel oder einem anderen unentwickelten Planeten. Aber nicht auf der Erde. Meine Ersparnisse werden dafür nicht ausreichen. Ich bekomme nicht halb so viel, um die Kosten auf der Erde zu begleichen.“

„Das bedeutet du kannst nicht ausreichend Obs anhäufen?“

„Ich kann nicht.“ stimmte Gleed düster zu. „Nicht einmal, wenn ich sparte, bis ich einen Bart hätte, der vier Fuß lang wäre.“

„Das ist also die Belohnung der Erde für eine lange Dauer treuen Dienstes - auf deinen Herzenswunsch verzichten oder hau ab?“

„Halt die Klappe!“

„Ich verweigere.“ sagte Seth. Er lehnte sich näher. „Warum denkst du vier Millionen Gandis kamen hierher, Doukhobors und Naturisten nach Hygeia, Quäker nach Zentauri B und all die anderen zu ihren ausgewählten Lebensräumen. Weil die Belohnung der Erde für gute Bürgerschaft schon immer die gebieterische Anweisung sich reinzuknien gewesen ist oder abzuhauen. Also hauten wir ab.“

„Es war gut so, sowieso.“ warf Elissa ein. „Gemäß unserer Geschichtsbücher war die Erde schwer überfüllt. Wir gingen fort und erleichterten den Druck.“

„Das gehört nicht zur Sache.“ wies Seth zurecht. Er fuhr fort zu Gleed. „Du willst einen Bauernhof. Das geht nicht auf der Erde, auch wenn du es gerne da möchtest. Die Erde sagt ‘Nein! Hau ab!’. Also muss es woanders sein.“ Er wartete ab, bis das ankam, dann „Hier kannst du einen haben fürs bloße Nehmen.“ Er schnippte mit seinen Fingern. „Einfach so!“

„Du kannst mich nicht veräppeln.“ sagte Gleed, den Ausdruck von jemandem tragend, den es danach sehnte veräppelt zu werden. „Wo ist der Haken?“

„Auf diesem Planeten gehört jeder Grund Boden demjenigen in Besitz, dem, der von ihm Nutzen macht. Niemand bestreitet seinen Anspruch, solange er fortfährt ihn zu benutzen. Alles was du tun musst, ist herumzuschauen nach einem geeigneten Stück ungenutzten Lands - von denen es reichlich gibt - und anfangen es zu benutzen. Von diesem Moment an gehört es dir. Unmittelbar nachdem du aufhörst es zu benutzen und es verlässt, ist es für jeden anderen einnehmbar.“

„Bei den zischenden Meteoren!“ Gleed war ungläubig.

„Überdies, wenn du lange genug herumschaust und einen Glückstreffer landest, mag es sein, dass du Anspruch anmelden kannst auf einen Bauernhof, den Jemand aufgegeben hat, sei es wegen Todes, Krankheit, einem Verlangen woanders hinzugehen, eine Gelegenheit zu etwas, das er mehr mochte oder irgendeinem anderen hervorragenden Grund. In diesem Falle würdest du dir Boden aneignen, der schon teilweise bereitet ist, mit Bauernhaus, Melkschuppen, Scheunen und all dem ganzen Rest. Und es wäre deins, alles deins.“

„Was würde ich dem vorigen Besitzer schulden?“ fragte Gleed.

„Nichts. Nicht eine Ob. Wieso solltest du? Wenn er nicht begraben liegt, hat er ihn verlassen zuliebe etwas anderem ebenso freien. Er kann den Vorteil nicht in beide Richtungen haben, kommend und gehend.“

„Es ergibt keinen Sinn für mich. Irgendwo ist da ein Haken. Irgendwo muss ich klingende Münze ausschütten oder einen Haufen Obs anhäufen.“

„Selbstredend musst du. Du fängst einen Bauernhof an. Eine handvoll lokaler Leute helfen dir ein Haus zu bauen. Sie laden schwere Obs auf dich ab. Der Zimmerer will Erzeugnisse vom Bauernhof für seine Familie für die nächsten zwei Jahre. Du gibst sie, dadurch die Obs loswerdend. Du fährst fort sie für einige weitere Jahre zu geben, dadurch Obs auf ihn pflanzend. Das erste Mal, dass du Zäune ausgebessert haben willst oder einen anderen geeigneten Auftrag erledigt, kommt er vorbei um die Obs auszulöschen. Und so läuft das mit dem ganzen Rest, einschließlich der Leute, die deine Rohmaterialien, dein Saatgut und Maschinerie zur Verfügung stellen oder etwas Transport für dich erledigen.“

„Sie werden nicht alle Milch und Kartoffeln wollen.“ sagte Gleed.

„Weiß nicht, was du mit Kartoffeln meinst. Nie von ihnen gehört.“

„Wie kann ich meine Rechnungen begleichen mit Jemandem, der all die Bauernhoferzeugnisse, die er will, von anderswo erhält?“

„Einfach.“ antwortete Seth. „Ein Blechschmied versorgt dich mit mehreren Milchkannen. Er will kein Essen. Er kriegt alles, was er braucht von einer anderen Quelle. Seine Frau und drei Töchter sind übergewichtig und auf Diät. Der bloße Gedanke an eine Ladung von deinem Bauernhof verschafft ihnen Schrecken.“

„Nun?“

„Aber der Schneider des Blechschmieds oder sein Schuster haben Obs auf ihm, für die er noch keine Gelegenheit gefunden hat, sie zu streichen. Also überträgt er sie auf dich. Sobald es dir möglich ist, gibst du dem Schneider oder Schuster was immer sie benötigen, um den Obs zu genügen, dadurch sowohl die des Blechschmieds als deine eigenen erledigend.“ Sein übliches halbes Grinsen gebend, fügte er hinzu „Und jeder ist glücklich.“

Gleed grübelte drüber nach, in Gedanken die Stirn runzelnd. „Du versuchst mich. Du solltest das nicht tun. Es ist ein kriminelles Vergehen zu versuchen einen Raumfahrer von seiner Loyalität abzulenken. Es ist Aufwiegelung. Die Erde ist hart mit Aufwiegelung.“

„Von wegen hart!“ Seth schnaubte verächtlich. „Wir haben Gandi Gesetze hier.“

„Alles was du tun musst,“ schlug Elissa vor, herzig überzeugend „ist dir zu sagen, dass du zum Schiff zurückgehen musst, dass es deine beschränkte Pflicht ist dies zu tun, dass weder das Schiff noch die Erde ohne dich zurechtkommen können.“ Sie versteckte eine Locke. „Dann sei ein freies Individuum und sage ‘Ich verweigere.’“

„Sie würden mich bei lebendiger Haut abziehen. Bidworthy würde bei dem Vorgang in eigener Person den Vorsitz führen.“

„Ich denke nicht.“ widersprach Seth. „Dieser Bidworthy - von dem ich mutmaße, dass er alles andere als eine heitere Person ist - steht mit dir und dem Rest der Besatzung an derselben Kreuzung. Die Straße vor ihm teilt sich in zwei Wege. Er muss den einen oder den anderen nehmen und es gibt keine dritte Alternative. Früher oder später wird er ganz versessen auf Zuhause sein, an seiner Oberlippe knabbernd, wenn er geht oder aber er wird in einem Laster herumzuckelnd deine Milch ausliefern - weil tief in ihm drinnen das das ist, was er immer schon tun wollte.“

„Du kennst den Rücksichtslosen Rufus nicht.“ beklagte Gleed. „Er benutzt einen Klumpen alten Eisens als Seele.“

„Witzig,“ bemerkte Harrison „ich habe von dir immer so gedacht - bis heute.“

„Ich bin außer Dienst.“ erwiderte Gleed, als ob dies alles erklärte. „Ich kann mich entspannen und das Ego sausen lassen außerhalb der Dienststunden.“ Seinen Stuhl zurück schiebend, kam er auf die Beine. Seine Augen waren stur und sein Kinn fest. „Aber ich gehe zurück zum Dienst - jetzt sofort.“

„Du bist nicht fällig vor morgen Sonnenuntergang.“ protestierte Harrison.

„Möglicherweise nicht. Doch ich gehe gleichwohl zurück.“

Elissa öffnete ihren Mund, schloss ihn, als Seth sie anstupste. Sie saßen schweigend als Gleed bestimmt herausmarschierte.

„Es ist ein gutes Zeichen.“ kommentierte Seth, seltsam selbstsicher. „Ihm wurde ein Schlag verpasst, genau da wo er am schwächsten ist.“ Leise unter der Gürtellinie lachend, wandte er sich Harrison zu. „Was ist dein endgültiger Traum?“

Harrison kam ebenfalls auf seine Beine, tief beschämt. „Vielen Dank für die Mahlzeit. Es war eine gute und ich brauchte sie.“ Er machte eine kraftlose Geste Richtung der Tür. „Ich werde ihn einholen. Wenn er zum Schiff zurückkehrt, denke ich, tue ich es ihm gleich.“

Erneut stupste Seth Elissa an. Sie sagten nichts, während Harrison seinen Weg nach draußen machte, sorgsam die Tür hinter sich schließend.

„Schafe.“ entschied Elissa, enttäuscht aus keinem offensichtlichen Grund. „Einer folgt dem anderen. Genau wie Schafe.“

„Nicht wirklich.“ sagte Seth. „Sie sind Menschen, getrieben von denselben Gedanken und denselben Emotionen wie unsere Vorfahren es waren, welche nichts schafsmäßiges an sich hatten.“ Sich in seinem Stuhl verdrehend, winkte er Matt. „Bring uns zwei Schemacks.“ Dann zu Elissa „Wir trinken auf Aufwiegelung. Meine Vermutung ist, dass sie dieses Schiff nicht dafür bezahlen wird noch allzu lange herumzuhängen.“

Des Schlachtschiffs Rufanlage brüllte dringend „Fanshaw, Folsom, Fuller, Garson, Gleed, Gregory, Haines, Harrison, Hoffnung -“ und so weiter durch das Alphabet.

Ein stetiges Rinnsal von Männern strömte die Korridore, Laufplanken und Gassen entlang in Richtung des vorderen Kartenraums. Sie sammelten sich außerhalb in kleinen Bündeln, mit leiser Stimme schwatzend und sonderbare Schnipsel von Unterhaltungen die Flure widerhallend hinab sendend.“

„Wollte nichts anderes zu uns sagen außer ‘Myob!’. Hatte es gründlich satt nach einer Weile.“

„Ihr hättet euch aufteilen sollen, wie wir es taten. Dieser Schauplatz in den Außenbezirken wusste nicht wie ein Erdler aussieht. Ich ging einfach rein und nahm Platz, ohne jeglichen Ärger.“

„Wenn zehn von euch zusammenkleben, alle in der gleichen Uniform, müsst ihr erwarten bei Sichtung erkannt zu werden. Das und eure verkommenen Gesichter verraten euch sofort.“

„Hast von Meakin gehört? Er reparierte ein undichtes Dach, wählte eine Flasche doppelter Dipf als Bezahlung und nahm das Los an sich. Er lag absolut flach, als wir ihn fanden. Wie ein Schwein schnarchend. Musste zurückgetragen werden.“

„Manche Kerle haben das ganze Glück. Wir bekamen eine Abfuhr, wo immer wir unsere Gesichter zeigten. Mann, war das aufreibend.“

„Ihr hättet euch trennen sollen, wie ich sagte.“

„Die halbe Messe muss immer noch in der Gosse liegen - sie sind noch nicht aufgetaucht.“

„Grayder wird stinksauer sein. Er hätte das zweite Kontingent von diesem Morgen gestoppt, wenn er es rechtzeitig gewusst hätte.“

„Wenn ich zum Zug komme, wird das Verfahren sein, so schnell wie möglich die Landungsbrücke hinab zu kommen und höllisch schnell loszurennen, bevor sie eine Möglichkeit bekommen mich zurückzurufen.“

„Sammy, du wärst mächtig glücklich, wenn du zum Zug kämest.“

Ab und zu streckte Erster Offizier Morgan seinen Kopf aus dem Kartenraum hervor und rief einen Namen, der bereits durchgesagt worden war. Oftmals gab es keine Antwort.

„Harrison!“ brüllte er.

Mit einem verwirrten Gesichtsausdruck ging Harrison hinein. Kapitän Grayder war vor Ort, hinter seinem Schreibtisch sitzend und launisch auf eine Liste schauend, die vor ihm lag. Oberst Shelton stand steif und aufrecht zu einer Seite, mit Major Hame leicht hinter ihm. Beide trugen die gequälten Gesichtsausdrücke von solchen, die einen schlechten Geruch aushielten, während der Klempner vergeblich nach dem Leck sucht.

Vor dem Tisch stapfte der Botschafter stetig hin und her, tief in seinen Bart nuschelnd. „Gerade mal fünf Tage und die Fäulnis hat bereits eingesetzt.“ Er hielt, als Harrison eintrat, feuerte scharf ab „Also Ihr seid’s, der Herr. Wann seid Ihr vom Freigang zurückgekehrt?“

„Den vorletzten Abend, Sir.“

„Vor der Zeit, hä? Das ist bemerkenswert. Hatten Sie eine Reifenpanne oder was?“

„Nein, Sir. Ich habe mein Fahrrad nicht mitgenommen.“

„Was genauso gut ist.“ billigte der Botschafter. „Wenn Sie es mitgenommen hätten, wären Sie jetzt schon über alle Berge und immer noch stark am Treten.“

„Wieso das, Sir?“

„Wieso? Er fragt mich wieso! Das ist exakt, was ich gerne wüsste - wieso?“ Er schäumte ein bisschen vor Wut, fragte dann nach „Habt Ihr diese Stadt allein besucht oder in Gesellschaft?“

„Ich ging mit Feldwebel Gleed, Sir.“

„Ruft ihn herbei.“ befahl der Botschafter, Morgan anschauend.

Die Tür öffnend, schrie Morgan „Gleed! Gleed!“

Keine Antwort.

Er versuchte es erneut, ohne Ergebnis. Ein weiteres Mal gaben sie es durch die Rufanlage durch. Der Name hallte über das ganze Schiff wider, vom Bug bis zum Heck. Feldwebel Gleed verweigerte sich unter den Anwesenden zu sein.

„Hat er sich eingetragen?“

Grayder zog seine Liste hinzu. „Ja. Früh rein. Vierundzwanzig Stunden vor der Zeit. Er ist vielleicht erneut hinausgeschlichen mit dem zweiten Freigangskontingent diesen Morgen und hat es unterlassen sich ins Buch einzutragen. Das ist ein doppeltes Verbrechen.“

„Wenn er nicht auf dem Schiff ist, ist er runter vom Schiff, Verbrechen oder kein Verbrechen.“

„Jawohl, Eure Exzellenz.“ Kapitän Grayder brachte leichten Überdruss zum Ausdruck.

„GLEED!“ jaulte Morgan außerhalb der Tür. Einen Moment später steckte er seinen Kopf herein und sagte „Eure Exzellenz, einer der Männer sagt mir, Feldwebel Gleed kann nicht an Bord sein, weil er ihn vor kurzem in der Stadt gesehen hat.“

„Schick ihn rein.“ Der Botschafter machte eine ungeduldige Geste zu Harrison. „Bleiben Sie wo Sie sind, der Herr und bewahren Sie diese Ohren vorm Schlackern. Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.“

Ein langer, schlaksiger Schmiermaxe [Mechaniker] kam herein und blinzelte herum, offensichtlich eingeschüchtert von der Ansammlung an hohen Tieren.

„Was weißt du über Feldwebel Gleed?“ verlangte der Botschafter.

Der andere befeuchtete nervös seine Lippen, es bedauernd, dass er den fehlenden Mann genannt hatte. „Es ist so, Euer Ehren, ich -.“

„Nennt mich ‘Sir’.“

„Ja, Sir.“ Weiteres betroffenes Blinzeln. „Ich ging früh an diesem Morgen mit der zweiten Gruppe heraus, aber kam vor kurzer Zeit zurück, weil mein Magen revoltierte. Auf dem Weg hierher sah ich Feldwebel Gleed und sprach zu ihm.“

„Wo?“

„In der Stadt, Sir. Er saß in einem dieser großen Langstreckenbusse. Ich fand das etwas eigenartig.“

„Kommt zur Sache, Mann! Was teilte er dir mit, wenn überhaupt?“

„Nicht viel, Sir. Er schien ziemlich aufgekratzt über etwas. Erwähnte eine junge Witwe, die sich damit schwertut nach zweihundert Acre zu schauen. Jemand hatte ihm von ihr erzählt und er dachte sich, er würde einen Blick drauf werfen.“ Er zögerte, trat vorsichtig zurück und endete „Er sagte mir außerdem, ich sehe ihn in Eisen gelegt oder nie wieder.“

„Einer eurer Männer.“ sagte der Botschafter zu Oberst Shelton. „Ein abgebrühter Weltraum-Soldat, angeblich erfahren, loyal und wohldiszipliniert. Einer mit langem Dienst, drei Streifen und einer Pension zu verlieren.“ Seine Aufmerksamkeit kehrte zurück zum Auskunftgeber. „Sagte er genau, wo er hinfuhr?“

„Nein, Sir. Ich fragte ihn, aber er grinste nur wie ein Affe und sagte ‘Myob!’. Also kehrte ich zum Schiff zurück.“

„In Ordnung. Du kannst gehen.“ Der Botschafter schaute dem anderen beim Verlassen zu, fuhr mit Harrison fort. „Ihr wart einer dieses ersten Kontingents.“

„Jawohl, Sir.“

„Lasst mich Euch etwas sagen, der Herr. Vierhundertundzwanzig Männer gingen hinaus. Nur zweihundert sind zurückgekehrt. Vierzig von diesen waren in Stadien verschiedenster alkoholischer Schändlichkeit. Zehn von ihnen sind im Bau, im ständigen Chor schreiend ‘Ich verweigere!’. Ohne Zweifel werden sie es weiter schreien, bis sie ausgenüchtert sind.“

Er starrte Harrison an, als würde er ihn persönlich für dieses Durcheinander verantwortlich machen, fuhr dann fort „Etwas ist paradox an dieser Situation. Ich kann die Betrunkenen verstehen. Es gibt immer einige Trottel, die ihren Kopf wegblasen, den ersten Tag an Land. Aber von den Zweihundert, die sich dazu herabgelassen haben zurückzukommen, kehrte etwa die Hälfte vor der Zeit zurück, genau wie Ihr es tat. Ihre Gründe waren identisch: Die Stadt war unfreundlich, jeder behandelte sie wie Geister, bis sie genug davon hatten.“

Harrison machte keine Bemerkung.

„Demnach haben wir zwei genau entgegengesetzte Reaktionen.“ beschwerte sich der Botschafter. „Die eine Gruppe von Männern sagt, der Ort stinkt ihnen so sehr, sie wären viel lieber zurück auf dem Schiff. Die andere Gruppe findet die Stadt so gastfreundlich, dass sie sich entweder lieber bis unters Dach abfüllen mit einer entsetzlichen Jauche namens doppelter Dipf oder nüchtern bleiben und fahnenflüchtig werden. Ich will eine Erklärung. Es muss irgendwo eine dafür geben. Ihr wart zweimal in der Stadt. Was könnt Ihr uns sagen?“

Sorgsam sagte Harrison „Es hängt alles davon ab, ob man unmittelbar als Erdler erkennbar ist oder nicht. Zudem, ob es dir passiert Kontakt zu knüpfen mit Gandis, die dich lieber konvertieren möchten, als dir eine Abfuhr zu erteilen.“ Er überlegte ein paar Sekunden und fügte hinzu „Uniformen verraten einen.“

„Ihr meint, sie sind allergisch auf Uniformen?“

„Ja, Sir.“

„Irgendeine Idee warum?“

„Kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, Sir. Ich weiß noch nicht genug über sie. Als eine Vermutung, ich denke, ihnen wurde möglicherweise beigebracht Uniformen mit dem Erd-Regime zu assoziieren, von dem ihre Vorfahren flüchteten.“

„Flüchteten? Nonsens!“ rief der Botschafter aus. „Sie schnappten sich die Vorteile der Erfindungen der Erdler, Erdlermethoden und Herstellungsfähigkeiten von Erdlern um anderswo hinzugehen, wo sie mehr Ellbogenfreiheit hätten.“ Er gab Harrison einen verdrießlichen Blick. „Tragen keine von ihnen Uniformen?“

„Nicht, was ich als solche wiedererkennen würde. Sie scheinen Freude daran zu finden ihre individuellen Persönlichkeiten auszudrücken, indem sie alles tragen, was sie für schick erachten, von Zöpfen bis rosa Stiefel; Sonderbarkeit in der Tracht ist die Norm unter den Gandis. Für sie ist Uniformität die echte Sonderbarkeit - sie denken sie ist unterwürfig und erniedrigend.“

„Sie sprechen von ihnen als Gandis. Wo haben sie diesen Namen ausgegraben?“

Harrison erzählte es ihm, an Elissa und ihre Erklärung zurückdenkend. Vor seinem inneren Auge konnte er sie sehen.
Und Seths Stätte mit ihren einladenden Tischen und Dampf hinter der Theke hinaufsteigend und köstliche Gerüche aus dem Hintergrund hervorquellend. Nun, da er sich die Szenerie erneut vor Augen hielt, erschien sie ein dezentes aber schwer fassbares Etwas zu verkörpern, welches das Schiff nie besessen hatte.

„Und diese Person“ schloss er „erfand, was sie Die Waffe nennen.“

„Hm-m-m! Und sie sagen er war ein Erdler, ne? Wie sah er aus? Haben Sie ein Photo oder eine Statue gesehen?“

„Sie richten keine Statuen auf, Sir. Sie betrachten keine Person als wichtiger als irgendeine andere.“

„Blödsinn!“ schnappte der Botschafter, instinktiv diese Perspektive ablehnend. „Fiel es Ihnen ein irgendwelche aufschlussreichen Details über ihn in Erfahrung zu bringen oder zumindest herauszufinden in welcher Epoche der Geschichte diese wundervolle Waffe zuerst auftauchte?“

„Nein, Sir.“ gestand Harrison ein. „Ich sah es nicht als wichtig an.“

„Ihr würdet nicht. Einige von euch Männern sind zu langsam um ein schlafwandelndes kallistrisches Faultier zu fangen. Eure Fähigkeiten als Raumfahrer moniere ich nicht, aber als Geheimagenten seid ihr ein Totalausfall.“

„Es tut mir leid, Sir.“ sagte Harrison.

Leid? Du Lumpenhund! flüsterte etwas tief in seinem Kopf. Warum sollte es dir leidtun? Er ist lediglich ein aufgeblasener fetter Mann, der nicht eine Ob streichen könnte, wenn er es versuchte. Er ist kein bisschen besser als du. Diese rauen Jungs, die auf Hygeia herumtanzten, würden darauf bestehen, dass er nicht so gut ist wie du, weil er einen Kugelbauch hat. Doch du starrst weiterhin auf seinen Kugelbauch und sagst „Sir“ und „Es tut mir leid.“ Wenn er versuchte dein Rad zu fahren, fiele er runter, bevor er zehn Yard weit käme. Er ist nur ein weiterer Erd-Verrückter. Los, spuck in sein Auge und sag „Ich verweigere!“. Du hast keine Angst, oder?“

„Nein!“ gab Harrison bekannt, laut und eindrücklich.

Kapitän Grayder blickte überrascht auf. „Wenn du beginnst Fragen zu beantworten, bevor sie gestellt wurden, sieh lieber einen Sanitäter. Oder haben wir einen Telepathen an Bord?“

„Ich dachte nach.“ erklärte Harrison.

„Ich befürworte das.“ warf der Botschafter ein. Er zerrte ein paar riesige Bände von den Wandregalen, begann sie rasch zu durchblättern. „Denkt reichlich nach, wann immer Ihr die Gelegenheit dazu bekommt und es wird zur Gewohnheit. Es wird einfacher und einfacher wie die Zeit sich dahin wälzt. Tatsächlich mag ein Tag kommen, an dem es ohne Schmerzen ausgeübt werden kann.“

Die Bücher zurück schiebend, zog er zwei weitere hervor, zu Major Hame sprechend, der sich wie zufällig an seinem Ellbogen befand. „Steht nicht mit gläsernem Blick dort herum, wie eine Reliquie, die in einem Militärmuseum aufgestellt wurde. Geht mir zur Hand mit diesem Berg an Wissen. Ich will Gandhi, irgendwo zwischen vor vierhundert bis vor tausend Erd-Jahren.“

Hame erwachte zum Leben, begann Bücher herauszuziehen und sie zu durchsuchen. So tat Oberst Shelton. Kapitän Grayder verblieb an seinem Schreibtisch und fuhr fort den Fehlenden nachzutrauern.

„Ah, hier ist es, nahezu sechshundert Jahre zurück.“ Seine Exzellenz führte einen dicken Finger die Zeilen entlang.

„Gandhi, manchmal Bapu oder Vater genannt. Bürger der Hindi. Politischer Philosoph. Widersetzte sich Obrigkeit mit Mitteln eines geistreichen Verfahrens genannt Zivile Ungehorsamkeit. Letzte Überbleibsel verschwanden mit der Großen Explosion, aber könnten noch bestehen auf Planeten außer Kontakt.“

„Offenbar tut es das.“ kommentierte Grayder trocken.

„Zivile Ungehorsamkeit.“ wiederholte der Botschafter, seine Augen zusammenkneifend. Er hatte die Aura von Jemandem, der versuchte etwas zu untersuchen, das auf den Kopf gestellt und von innen nach außen gekehrt war. „Sie können das zu keiner sozialen Grundlage machen. Es wird nicht funktionieren.“

„Es funktioniert.“ versicherte Harrison, vergessend das „Sir“ hinzuzufügen.

„Widersprechen Sie mir, der Herr?“

„Ich stelle eine Tatsache fest.“

„Eure Exzellenz,“ begann Grayder „ich schlage vor -.“

„Überlasst das mir.“ Vor Wut errötend, winkte ihn der Botschafter ab. Sein Blick verblieb verärgert auf Harrison. „Sie sind weit weg davon ein Experte für sozio-ökonomische Probleme zu sein. Bekommen Sie das in Ihren Kopf, der Herr. Jeder von Ihrem Kaliber kann von oberflächlichen Eindrücken getäuscht werden.“

„Es funktioniert.“ beharrte Harrison, Anlass findend seine eigene Dickköpfigkeit zu bestaunen.

„So tut Ihr blödes Fahrrad. Sie haben eine Fahrrad-Mentalität.“

Etwas riss und eine Stimme bemerkenswert ähnlich zu seiner eigenen sagte „Quatsch!“ Erstaunt von diesem Phänomen, wackelte Harrison mit seinen Ohren.

„Was war das, der Herr?“

„Quatsch!“ wiederholte Harrison, ein Gefühl dafür habend, dass das was geschehen ist, nicht ungeschehen werden kann.

Auf eine Stufe kommend mit dem tiefroten Botschafter, erhob sich Kapitän Grayder mit ernstem Ausdruck und sprach ein Machtwort.

„Ungeachtet weiterer Freigangskontingente, falls es welche geben wird, bist du bis auf Weiteres auf das Schiff begrenzt. Und nun raus!“

Harrison entfernte sich, sein Geist taumelnd aber seine Seele seltsam zufrieden. Draußen blickte ihn Erster Offizier Morgan finster an.

„Wie lange denkst du, dauert es diese Liste an Namen durchzuarbeiten, wenn Leute wie du da für eine Woche drin hocken?“ Er grunzte verärgert, faltete seine Hände um seinen Mund und brüllte „Hoffnung! Hoffnung!“

Keine Antwort.

„Der Hoffnung wurde aufgegeben.“ informierte Soldat Kinvig.

„Das ist wirklich lustig.“ spottete Morgan. „Schau, wie ich übers ganze Deck rolle.“ Er faltete seine Hände erneut zusammen und versuchte den nächsten Namen. „Hyland! Hyland!“

Keine Rückmeldung.

Vier weitere Tage, lange, mühsame, sich dahinziehende. Das ergaben neun im Ganzen, seitdem das Schlachtschiff die Furche geformt hatte, in welcher es noch immer saß.

Es gab Ärger an Bord. Wiederholt vergrault, wurden das dritte und vierte Freigangskontingent ungeduldig, reizbar.

„Morgan hat ihm die dritte Liste heute Morgen erneut gezeigt. Dasselbe Ergebnis. Grayder gab zu, dass diese Welt nicht als feindselig definiert werden kann und dass wir gesetzlich dazu berechtigt sind Freigang zu haben.“

„Und wieso zum Henker hält er sich nicht ans Buch? Das Raumfahrt-Komitee könnte ihn kreuzigen für seine Missachtung.“

„Derselbe Vorwand. Er sagt, er verweigert den Freigang nicht, er schiebt ihn nur hinaus. Das ist eine ausgekochte Ausflucht, nicht wahr? Er sagt, er wird ihn unverzüglich gestatten, wenn die fehlenden Männer zurückkommen.“

„Könnte gut sein, dass das nie passiert. Verflucht sei er, er benutzt sie als Vorwand um mich um meinen Landurlaub zu beschwindeln.“

Es war eine starke und legitime Beschwerde. Wochen, Monate, Jahre dichter Beengtheit in einer andauernd vibrierenden Metallflasche, ganz gleich wie groß und komfortabel, verlangen letztendlich nach Freilassung, wenn auch nur für eine vergleichbar kurze Episode. Männer brauchen frische Luft, die gute Erde, den weiten markanten Horizont, klotziges Essen, weibliche Gesellschaft, neue Gesichter.

„Er hat Zuhause den Stöpsel reingerammt, ausgerechnet als wir den besten Weg gelernt hatten, wie wir herumkommen. Zivilkleidung und wie Gandis verhalten, das ist das Geheimnis. Selbst die Jungs vom ersten Kontingent sind bereit für einen neuen Versuch.“

„Grayder traut sich nicht ein Risiko einzugehen. Er hat bereits zu viele Männer verloren. Ein weiteres Kontingent auf die Hälfte gekürzt und er wird nicht mehr ausreichend Besatzung haben, um das Schiff abheben zu lassen und nach Hause zu bringen. Wir würden hier für immer stecken bleiben. Wie würde dir das gefallen?“

„Ich würde nicht trauern.“

„Er könnte die Bürokraten dazu ausbilden das Schiff zu betreiben. Höchste Zeit, dass diese kurzsichtigen Gammler einmal ehrliche Arbeit leisteten.“

„Das würde drei Jahre dauern. Eure Ausbildung dauerte drei Jahre, nicht wahr?“

Harrison kam vorbei, einen kleinen Umschlag haltend. Drei von ihnen nahmen ihn dran, als er in Sicht kam.

„Schaut, wer den Botschafter besoffen gemacht und Ausgangssperre bekommen hat - genau wie wir.“

„Das ist es, was ich daran mag.“ stellte Harrison fest. „Besser für etwas festgehalten zu werden als für nichts.“

„Es wird nicht mehr für lange sein, du wirst schon sehen! Wir werden nicht für ewig murrend herumlungern. Verdammt bald stellen wir was an.“

„Wie genau was?“

„Wir überlegen es uns.“ wich der andere aus, es nicht mögend so schnell aufgegriffen zu werden. Er bemerkte den Umschlag. „Was hast du da - die Morgenpost?“

„Genau die.“ stimmte Harrison zu.

„Mach was du willst. Ich wollte nicht schnüffeln. Ich dachte, womöglich hast du ein paar weitere niedergeschriebene Befehle. Ihr Maschinisten nehmt üblicherweise den Papierkram als Erstes auf.“

„Es ist Post.“ sagte Harrison.

„Sei nicht beknackt. Niemand erhält Briefe in diesem Teil des Kosmos.“

„Ich tu.“

„Und wie hast du den bekommen?“

„Worrall hat ihn aus der Stadt mitgebracht vor ein paar Minuten. Ein Freund von mir gab ihm eine ordentliche Mahlzeit und ließ ihn dafür den Brief bringen, um die Ob auszulöschen.“ Er zog an einem langen Ohr und griente sie an. „Einfluss, das ist, was ihr Jungs braucht.“

Verdruss zeigend, verlangte einer „Was macht Worrall runter vom Boot? Ist er bevorzugt?“

„Gewissermaßen. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.“

„Na und?“

„Der Botschafter kapierte, dass manchen Personen mehr vertraut werden kann, als anderen. Es ist nicht so wahrscheinlich, dass sie abhauen, da sie zu viel zu verlieren haben. Also wurden einige wenige ausgewählt und in die Stadt geschickt, um Informationen einzuholen über die vermissten Männer.“

„Haben sie irgendwas herausgefunden?“

„Nicht viel. Worrall sagt, die Aufgabe ist schiere Zeitverschwendung. Er hat einige unserer Männer hier und da aufgespürt, versuchte sie zu überzeugen zurückzukehren, aber jeder sagte ‘Ich verweigere.’ Die Gandis sagten alle ‘Myob!’. Und das war’s.“

„Irgendwas muss an diesem Gandi Geschäft dran sein.“ entschied einer von ihnen nachdenklich. „Ich gäbe so einiges, um selbst einen Blick drauf zu werfen.“

„Das ist, was Grayder fürchtet.“

„Wir geben ihm mehr als das zur Sorge, wenn er nicht ziemlich bald vernünftig wird. Unsere Geduld verflüchtigt sich schnell.“

„Aufrührerisches Geschwätz.“ wies Harrison zurecht. Er schüttelte seinen Kopf und stellte Kummer zur Schau. „Ihr Leute schockiert mich.“

Seinen Weg den Korridor entlang fortsetzend, erreichte er seine kleine Kabine und befingerte den Umschlag in zufriedener Vorahnung. Das Geschriebene könnte gut möglich weiblich sein. Er hoffte es. Er riss ihn auf und warf einen Blick. Es war es nicht.

Unterzeichnet durch Gleed, las das Schreiben „Tut nichts zur Sache, wo ich bin oder was ich mache - dieser Zettel könnte in die falschen Hände geraten. Alles was ich dir sagen werde, ist, dass ich erwarte einwandfrei ausgestattet zu sein, vorausgesetzt, dass ich eine anständige Zeit abwarte, um die Bekanntschaften zu verbessern. Der Rest hiervon betrifft dich direkt.“

„Hä?“ Er lehnte sich zurück auf seiner Koje und hielt den Brief näher ans Licht.

„Ich fand einen kleinen fetten Kerl, der einen leeren Laden betreibt. Er macht nichts anderes, als dort zu warten. Als Nächstes erfahre ich, dass er Besitz eingerichtet hat durch Inbesitznahme der Geschäftsräume. Er macht es im Auftrag einer Fabrik, die Zwei-Ball-Roller herstellt, du weißt schon, diese Gebläse-betriebenen Motorräder.

Sie wollen Jemanden, der die Stätte als einen lokalen Roller Verkaufs- und Service-Betriebshof betreibt. Der kleine fette Mann hatte vier Bewerbungen bis zum heutigen Tag, aber keine von Jemandem mit technischen Fähigkeiten und Erfahrung. Derjenige, der schlussendlich diesen Posten gewinnt, wird dadurch eine funktionelle Ob auf die Stadt pflanzen, was immer das bedeutet. Jedenfalls ist dieses Geschäftsangebot wie für dich geschaffen. Es gehört dir fürs bloße Nehmen. Sei nicht verrückt, Verrückter. Spring rein mit mir - das Wasser ist ausgezeichnet!“

„Bei den zischenden Meteoren!“ sagte Harrison. Seine Augen bewegten sich zur Fußnote am unteren Rand.

„P.S Seth wird dir die Adresse geben. P.P.S Der Ort, an dem ich gerade bin, ist die Heimatstadt deiner Brünetten und sie denkt darüber nach zurückzukehren. Sie möchte in der Nähe ihrer Schwester leben. Genau wie ich, Mann! Besagte Schwester ist ein Schatz!“

Sich rastlos hin und her bewegend, las er es ein zweites und drittes Mal durch, stand auf und schritt durch die Kabine. Es gab sechzehnhundert besetzte Welten im Machtbereich des Erd-Imperiums. Er hatte weniger als ein Zwanzigstel von ihnen gesehen. Kein Raumfahrer konnte lang genug leben, um die ganze Menge zu besuchen. Der Dienst war aufgeteilt in kosmische Gruppen, wovon jede mit ihrem eigenen, relativ kleinen Sektor der Galaxie umging.

Außer durch Hörensagen - von dem es reichlich gab und das meiste davon prächtig ausgemalt - würde er niemals erfahren, welche Himmel oder Pseudo-Himmel in den anderen Sektoren existierten. In jedem Falle wäre es ein blindes Wagnis eine nicht vertraute Welt auszuwählen für landgebundenes Leben, lediglich durch Empfehlungen von jemand anderem. Nicht alle denken gleich oder haben dieselben Geschmäcker. Des einen Freud mag des anderen Leid sein. Die Wahl für den Ruhestand - welches der andere, unliebsame Name für das Beginnen eines anderen, verschiedenen aber energischen Lebens war - war die hochpreisige Erde oder ein begehrenswerterer Planet in seinem eigenen Sektor.

Es gab da zum Beispiel die Epsilon-Gruppe, vierzehn von ihnen, alle attraktiv, vorausgesetzt du konntest die Gravität ertragen und es aushalten wie ein müder Elephant herumzutrampeln. Es gab Nortons Rosa Paradies, falls, um des Friedens willen, du Septimus Nortons Rajah-Komplex entgegenkommen sowie seinen Größenwahn ertragen konntest. Draußen, nahe dem Rande der Milchstraße, gab es eine Matriarchie, die von blonden Amazonen geführt wurde, und eine Welt von selbsternannten Zauberern, und ein Pfingstlerplanet[6], und ein Globus, auf dem halb empfindungsfähige Pflanzen sich selbst anbauten unter der Leitung von menschlichen Herren. All diese verteilt über viele Lichtjahre von Weltraum, aber einfach erreichbar mittels des Blieder-Antriebs.

Es gab mehr als fünfzig, die ihm aus persönlicher Erfahrung bekannt waren, gleichwohl nur ein Zehnt des Ganzen. Alle boten Leben und die menschliche Gesellschaft, die die Essenz des Lebens ist. Aber diese Welt der Gandis hatte etwas, was den anderen fehlte. Sie hatte die Eigenschaft gegenwärtig zu sein. Sie war Teil der existierenden Umwelt, aus der er Angaben gewann, auf die er seine Entscheidungen aufbaute. Die anderen waren das nicht. Sie verloren an Wert durch Abwesenheit und weil sie fern waren.

Unauffällig machte er sich auf den Weg zu den Blieder-Raum Spinden, verbrachte eine Stunde damit sein Fahrrad zu reinigen und zu ölen. Die Dämmerung brach an, als er zurückkehrte. Eine dünne Plakette aus seiner Tasche nehmend, hing er sie an die Wand, lag zurück auf seiner Koje und sann über sie nach.

F. - I. V.

Die Rufanlage knackte, räusperte ihre Kehle und gab bekannt „Alles Personal wird morgen um acht Uhr bereitstehen für allgemeine Anweisungen.“

„Ich verweigere.“ sagte Harrison und schloss seine Augen.
Es was sieben Uhr zwanzig am Morgen, aber niemand fand es früh. Es gibt wenig Gespür für Frühe oder Späte unter den Weltraum-Durchkreuzenden; um es wiederzuerlangen, müssen sie landgebunden sein für einen Monat, eine Sonne aufsteigen und untergehen sehen.

Der Kartenraum war leer, aber es gab beachtliche Aktivität in der Kontrollkabine. Grayder war vor Ort mit Shelton und Hame, zudem die Hauptsteuermänner Adamson, Werth und Yates, und, selbstverständlich, Ihre Exzellenz.

„Ich hätte nie gedacht, dieser Tag würde kommen.“ meckerte der Letztere, finster auf die Sternenkarte schauend, über die sich die Steuermänner vertieften. „Weniger als ein paar Wochen und wir ziehen uns zurück, uns komplett geschlagen gebend.“

„Mit allem Respekt Eure Exzellenz, so sieht es nicht für mich aus.“ sagte Grayder. „Man kann nur geschlagen werden von erklärten Feinden. Diese Leute sind keine Feinde. Das ist genau, wo sie uns gepackt haben. Sie sind nicht als feindselig definierbar.“

„Das mag sein. Ich sage trotzdem, es ist eine Niederlage. Wie sonst würdest du es nennen?“

„Wir wurden ausgetrickst von ungemütlichen Verwandten. Es gibt nichts, was wir darüber tun können. Ein Mann verprügelt nicht seine Neffen und Nichten, bloß weil sie sich weigern mit ihm zu sprechen.“

„Das ist deine Perspektive als Schiffsbefehlshaber. Du wurdest mit einer Situation konfrontiert, die es von dir erfordert zum Stützpunkt zurückzukehren und sie zu berichten. Das ist Routine. Der gesamte Weltraumdienst ist unflexibel gebunden an Routine.“ Der Botschafter betrachtete erneut die Sternenkarte, als würde er sie als beleidigend ansehen. „Mein eigener Status ist anders. Wenn ich herauskomme, ohne nicht zumindest einen Konsul hinterlassen zu haben, ist es eine diplomatische Niederlage, eine Beleidigung der Würde und des Ansehens der Erde. Ich bin mir weit von sicher, dass ich gehen sollte. Es wäre vielleicht besser, wenn ich an Ort und Stelle bliebe, selbst wenn die Umstände mich davon abhielten effektiv zu wirken und selbst wenn meine Anwesenheit diesen Gandis endlose Möglichkeiten für weitere Beleidigungen gäbe.“

„Ich würde mir nicht anmaßen, Euch anzuraten, was als Bestes zu tun ist.“ sagte Grayder. „Alles, was ich weiß, ist dies: Wir schleppen Truppen und Rüstungsgüter mit uns für jeglichen beschützenden oder kontrollierenden Zweck, der hier vielleicht für nötig befunden wird. Aber wir können sie nicht offensiv gegen diese Gandis nutzen, da sie keinen Vorwand dafür geliefert haben, zudem, weil wir keine Regierung beeinflussen können, die nicht existiert, und außerdem, weil in jedem Falle unsere volle Stärke nicht dazu ausreicht, um eine Bevölkerung, die mehrere Millionen zählt, niederzuschlagen. Wir bräuchten eine Armada, um einen Eindruck zu hinterlassen auf dieser Welt. Selbst dann würden wir an der extremen Grenze unserer Reichweite kämpfen und die Belohnung für einen Sieg, wäre ein zerstörtes Gebiet, das es nicht wert ist zu haben.“

„Erinnere mich nicht daran. Ich habe das Problem von jeder Seite untersucht, bis ich es satthatte.“

Grayder zuckte mit den Schultern. Er war ein Mann von Tat, solange diese Taten sich im tiefen Weltraum abspielten. Planetare Faxen waren nicht sein sachgerechtes Bier. Nun, da der entscheidende Moment heraufzog, an dem er in seinem eigenen Lebenselement zurück sein würde, wurde er gleichmütig. Für ihn war die Gandi Welt ein Besuchsort unter einer Vielzahl von ihnen. Und es gab noch reichlich, die kommen würden.

„Eure Exzellenz, wenn Ihr in ernsthaftem Zweifel seid, ob Ihr entweder bleiben oder mit uns kommen wollt, würde ich es schätzen, wenn Ihr möglichst bald zu einer Entscheidung gelangtet. Erster Offizier Morgan hat mir den Hinweis gegeben, dass, wenn ich dem dritten Freigangskontingent nicht bis zehn Uhr zugestimmt habe, die Männer beabsichtigen die Dinge in ihre eigenen Hände zu nehmen und rauszugehen.“

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„Diese Art von Verhalten würde sie in Ärger richtig schlimmer Sorte bringen, nicht wahr?“

„Ich weiß es nicht, wirklich, ich weiß es überhaupt nicht.“

„Du meinst, sie können sich dir tatsächlich erwehren und damit davonkommen?“

„Ihre Idee ist, meine eigene Wortklauberei gegen mich zu richten. Da ich wiederholt gesagt habe, dass ich offiziell den Freigang nicht verbiete, kann eine Arbeitsniederlegung nicht als Meuterei ausgelegt werden. Wie Ihr wisst, Eure Exzellenz, habe ich lediglich den Freigang hinausgeschoben. Deshalb könnten die Männer vor dem Raumfahrt-Komitee dafür plädieren, dass ich die Weltraum-Bestimmungen übergangen habe. Es ist durchaus möglich, dass ihr Vorbringen Erfolg haben könnte, wenn das Raumfahrt-Komitee in der Laune wäre, seine Befugnis durchzusetzen.“

„Das Raumfahrt-Komitee müsste auf einige lange Flüge mitgenommen werden.“ äußerte der Botschafter seine Meinung. „Sie würden ein paar Sachen entdecken, die sie niemals hinter einem Schreibtisch lernen.“ Er wurde höhnisch hoffnungsvoll. „Besteht irgendeine Gelegenheit, unsere Fracht an Bürokraten aus Versehen über Bord fallen zu lassen auf dem Weg nach Hause? Solch ein Unglück müsste den Weltraumgebräuchen zugutekommen, wenn nicht der Menschheit im Allgemeinen.“

„Dieser Vorschlag stößt mir als gandisch auf.“ stellte Grayder fest.

„Die Gandis würden daran nicht denken. Ihre einzige Methode ist nein, nein, eintausend Mal nein zu sagen. Das ist alles. Aber dem zu urteilen nach, was hier passiert ist, ist das mehr als genug.“ Verdrießlich grübelte der Botschafter über seine missliche Lage nach und entschied letztlich „Ich komme mit euch. Es geht mir gegen den Strich, weil es nach jämmerlicher Aufgabe schmeckt. Zu bleiben wäre eine aufsässige Geste, aber ich muss der Tatsache ins Auge sehen, dass es in diesem Stadium keinem sinnvollen Zweck dienen würde.“

„Wünscht Ihr, dass wir Sie nach Hygeia zurückbringen?“

„Nein. Der Konsul dort kann sich gerne bei diesen Nackten aufhalten. Davon abgesehen, denke ich, ich sollte der Erde den Vorzug meines persönlichen Berichts über diese Reise geben.“

„Sehr wohl, Eure Exzellenz.“ Zu einer Luke gehend, schaute Grayder durch sie in Richtung der Stadt. „Wir haben annähernd vierhundert Mann verloren. Einige sind desertiert für immer. Die anderen werden zu ihren Zeiten zurückkehren, wenn ich lange genug warte. Die Letzteren haben es glücklich getroffen, haben ihre Beine unter jemandes Tisch und fehlen unentschuldigt. Sie werden wahrscheinlich ihren Freigang so lange ausweiten wie der Spaß anhält. Sie werden zurückkommen, wenn es ihnen passt, sich denkend, wennschon, dennschon. Ich habe diese Sorte Ärger auf jeder längeren Reise. Es ist nicht so schlimm auf den kurzen.“ Übellaunig überblickte er ein Gelände kahl von zurückkehrenden Verschwendern. „Aber wir wagen es nicht auf sie zu warten. Nicht hier.“

„Nein, ich schätze nicht.“

„Wenn wir noch etwas länger herumhängen, verlieren wir weitere Zweihundert. Es wird dann nicht mehr genug fähige Männer geben, um das Schiff hoch zu kriegen. Der einzige Weg, auf dem ich ihnen gleich kommen kann, ist den Befehl zum Abflug zu geben. Sie fallen alle unter die Flugbestimmungen ab diesem Moment.“ Er setzte ein verschmerztes Lächeln auf. „Das wird den Raumfahrt-Anwälten unter ihnen reichlich zu Denken geben.“

„In Ordnung, gib den Befehl, sobald du willst.“ genehmigte der Botschafter. Er schloss sich den anderen an der Luke an, beobachtete die entfernte Straße, sah drei Gandi Busse sie entlang wirbelnd ohne Unterbrechung. Er verzog das Gesicht, immer noch aufgebracht von dem Geistestypen, welcher darauf besteht vorzugeben, dass ein Metallberg nicht da ist. Dann verschob sich seine Aufmerksamkeit zur Seite, in Richtung des Hecks. Er versteifte und fragte „Was machen diese Männer draußen?“

Einen schnellen Blick in dieselbe Richtung werfend, ergriff Grayder das Anruf-Mikrophon und stieß hinein „Das ganze Personal wird sich sofort zum Abflug vorbereiten!“ Dann packte er sein Bordverständigungs-Telefon und sprach in dieses. „Wer ist da? Stabsfeldwebel Bidworthy? Schaut Stabsfeldwebel, es gibt da ein halbes Dutzend Männer, die außerhalb der Mittelschleuse lungern. Befehligt sie unverzüglich hinein - wir heben ab, sobald alles bereit ist.“

Mittlerweile waren die vorderen und hinteren Landungsbrücken in ihre Stauräume eingefahren worden. Die mittlere folgte rasch. Ein schnell denkender Quartiermeister verhütete weitere Flucht, indem er das Mittelschiff leiterwärts steuerte, dementsprechend Bidworthy mit weiteren Möchtegern-Sündern einsperrend.

Sich selbst abgewürgt vorfindend durch den Fünfzig Fuß Abfall, stand Bidworthy in der Fassung der Luftschleuse und starrte die draußen an. Sein Schnurrbart sträubte sich nicht nur, sondern bebte. Fünf der Missetäter waren Mitglieder des ersten Freigangskontingents gewesen. Einer von ihnen war Soldat Casartelli. Das ließ Bidworthy kochen, ein Soldat. Der Sechste war Harrison, komplett mit poliertem und glänzendem Fahrrad und allem.

Ihren Haufen verdonnernd, insbesondere den Soldaten, krächzte Bidworthy „Zurück an Bord. Keine Scherereien. Wir heben ab.“

„Hörst du das, Mortimer?“ fragte einer, den nächsten anstupsend. „Zurück an Bord. Wenn du keine fünfzig Fuß springen kannst, flatter besser mit deinen Armen und fliege.“

„Keine Frechheiten von dir.“ dröhnte Bidworthy. „Ich habe meine Befehle.“

„Du liebe Güte, er nimmt tatsächlich Befehle! In seinem Alter!“

„Kann ich nicht verstehen.“ kommentierte ein anderer, einen bekümmerten Kopf schüttelnd.

Bidworthy griff die glatte Fassung der Schleuse ab, auf vergeblicher Suche nach etwas zu fassen. Eine Erhöhung, ein Knubbel, jegliche Art von Vorsprung wurde benötigt, um dabei zu helfen die Belastung auszuhalten.

„Ich warne euch Männer, wenn ihr versucht mich -.“

„Still, Verrückter.“

„Spar’ dir deinen Atem Rufus.“ warf Casartelli ein. „Von jetzt an bin ich ein Gandi.“ Damit wandte er sich ab und ging zügig in Richtung der Straße. Vier folgten ihm.

Rittlings auf sein Fahrrad steigend, setzte Harrison ein Fuß auf das Pedal. Sein Hinterrad sackte unverzüglich mit einem lauten wii-i-i ab.

„Kommt zurück!“ jaulte Bidworthy den zurückweichenden Fünf zu. „Kommt zurück!“ Er machte ausschweifende Bewegungen, versuchte die Leiter von ihrer selbsttätigen Schiene loszureißen. Eine Sirene jammerte dünn im Inneren des Fahrzeugs und das steigerte seine Gemütserregung um weitere Stufen.

„Hörst du das?“ Sein Gesichtsausdruck mörderisch, beobachtete er, wie Harrison in Ruhe das hintere Ventil abdichtete und eine Luftpumpe anlegte. „Wir sind kurz vorm Abheben. Zum letzten Mal -.“

Erneut die Sirene, dieses Mal in rascher Abfolge schrillen Tutens. Bidworthy sprang rückwärts, als die Tür der Luftschleuse herabkam. Die Schleuse schloss sich. Harrison bestieg erneut seine Maschine, setzte ein Fuß auf ein Pedal, aber verblieb zuguckend.

Das Metallmonster erzitterte von Bug bis Heck, hob dann langsam und in kompletter Stille ab. Es hatte etwas von stattlicher Pracht, der Aufstieg dieser enormen Masse. Das Schiff erhöhte sukzessive seine Aufstiegsgeschwindigkeit, wurde schneller und schneller, wurde zu einem Spielzeug, einem Punkt, und verschwand schließlich.

Für nur einen kurzen Moment empfand Harrison einen Hauch von Zweifel, einen flüchtigen Hinweis von Bedauern. Er war schnell vorüber. Er blickte in Richtung der Straße.

Die fünf selbst erwählten Gandis hatten einen Bus herangewunken, der sie nun aufnahm. Das war eine Mitarbeit, die allem Anschein nach durch des Schiffs Verschwinden herbeigeführt wurde. Schnell von Begriff, diese Leute. Er sah ihn wegfahren auf riesigen Gummibällen, die Fünf mitführend. Ein Gebläse-Rad raste in die umgekehrte Richtung, brummte in die Ferne.

„Deine Brünette.“ war es, wie Gleed sie beschrieben hatte. Was hatte ihm diese Idee eingegeben? Hatte sie eine Bemerkung gemacht, die er als Kompliment ausgelegt hatte, weil sie keinen Bezug zu übergroßen Ohren enthielt?

Er blickte ein letztes Mal um sich. Das Erdreich trug eine große gewölbte Furche, eine Meile lang, zwölf Fuß tief. Zweitausend Erdler waren dort gewesen.

Dann ungefähr Achtzehnhundert.

Dann Sechzehnhundert.

Weniger fünf.

„Einer übrig.“ sagte er zu sich selbst. „Ich.“

Ein schicksalsergebenes Schulterzucken von sich gebend, stieg er auf die Pedale und radelte zur Stadt.

Und dann waren da keine mehr.

[6] Pfingstler https://de.wikipedia.org/wiki/Pfingstbewegung

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