Fake News made in Austria - ein Faktencheck

Fake News made in Austria - ein Faktencheck

Im Rahmen meiner Ausbildung war ich aufgefordert, die heimische Medienlandschaft zu durchforsten, nach Fake News Ausschau zu halten und diese einem Faktencheck zu unterziehen. Von einem ganz besonderen Beispiel erzähle ich gerne hier. Und, falls JuristInnen unter euch sind, würde ich mich über eine Meinung zu meiner Einschätzung am Ende des Artikels freuen.

Babys als Opfer von Hetze

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Auch vor unschuldigen Babys machen Hetzer keinen Halt.
Foto: Pixabay, Lizenz: CC0 1.0

Unzensuriert.at berichtet: "(...) Und damit schaffte es der Name "Mohammad" erstmals offiziell in die Hitparade der beliebtesten Kindernamen. Wie die Kronen Zeitung berichtet, rangiert der moslemische Vorname in Wien bereits auf Platz 5 der Top 10. Tendenz steigend." (Der vollständige Artikel findet sich im Anhang als pdf.) Sie berufen sich dabei auf eine Studie der Statistik Austria. In Wien soll der Name Mohammad (unterschiedliche Schreibweisen wie z.B. Muhamad, Muhammad, Mohamad, Mohamed, etc. werden in der Studie zusammengefasst) demnach im Spitzenfeld der Vornamen liegen.

Drohende Islamisierung? Der Untergang unserer Hochkultur? Oder doch nur Brot und Spiele für die Wählerschaft? Darüber habe ich mich bei der Statistik Austria informiert.

Die Statistik Austria legt Zahlen auf den Tisch

Die Statistik Austria veröffentlicht tatsächlich eine Statistik der häufigsten Vornamen nach Bundesland. So hat sich Wien in den letzten sieben Jahren "islamisiert" (Quelle Statistik Austria):

2010-2016: Muhammad liegt im Schnitt auf Platz 4 mit 1,63 % der Neugeborenen, die in diesem Zeitraum den Namen bekommen haben. Die Top 3 im gleichen Zeitraum: Lukas, Alexander und David.

2016: Muhammed liegt auf Platz 4
(1,54 % der Neugeborenen).
Plätze 1-3: Lukas, Alexander, David.

2015: Muhammed liegt auf Platz 4
(1,63 % der Neugeborenen).
Plätze 1-3: Lukas, Alexander, David.

2014: Muhammed liegt auf Platz 5
(1,68 % der Neugeborenen).
Plätze 1-3: Lukas, Alexander, David.

2013: Muhammed liegt auf Platz 4
(1,68 % der Neugeborenen).
Plätze 1-3: Lukas, David, Alexander.

2012: Muhammed liegt auf Platz 5
(1,62 % der Neugeborenen).
Plätze 1-3: Lukas, Alexander, David.

2011: Muhammed liegt auf Platz 6
(1,72 % der Neugeborenen).
Plätze 1-3: Lukas, Alexander, Maximilian.

2010: Muhammed liegt auf Platz 7
(1,55 % der Neugeborenen).
Plätze 1-3: Lukas, Alexander, David.

Von wegen "erstmals offiziell in die Hitparade der beliebtesten Kindernamen" und Top 5 - Platz 4 sogar!
Was das bedeutet? Dass viele Kindernamen nicht in den Top 60 gelistet sind: 2016 war Lukas der Spitzenreiter unter den Burschen. Der Name wurde an 2,35 % der Neugeborenen vergeben (das entspricht 250 Babys). Bei der letzten Nationalratswahl hat ein derart niedriger Wert nicht einmal für den Einzug ins Parlament gereicht.

Meine Meinung zu dem Artikel

Hat man bei der Erstellung des Artikels journalistische Sorgfalt walten lassen?
Ich sage nein. Hier wurden Babynamen deren Vergabe sich konstant auf einem ähnlichen Niveau bewegt haben als Zeichen der "Islamisierung" gewertet. Was auch immer die Islamisierung sein soll. Ein Imam hat bei mir noch nie geklingelt - die Zeugen Jehovas aber schon. Naja, sei es drum.

Würde ich diesen Artikel so schreiben?
Keinesfalls. Wenn mir das jemand vorschreiben würde, wäre ich meinen Job lieber los. Es ist wesentlich ehrenhafter, Toiletten zu putzen, Bettpfannen auszuleeren oder den besagten Muhammeds Nachhilfestunden zu erteilen, damit sie später, wenn sie groß sind, so viel Bildung wie möglich haben, um sich gegen eine solche Hetze adäquat wehren zu können. Ein großes Danke an dieser Stelle allen Putz- und Pflegekräften sowie LehrerInnen und NachhilfelehrerInnen - Sie alle leisten einen wichtigen Beitrag für unser Zusammenleben!

Kleine Randnotiz für Islamisierungs-WortakrobatInnen und solche, die es noch werden wollen:
In unserem schönen Österreich hat der Kaiser übrigens schon vor über 100 Jahren Imame im Militär eingesetzt (siehe Islamgesetz von 1912 oder im Amtsdeutsch Reichsgesetzblatt Nr. 159/1912), weil der Islam eben genauso ein Teil von Österreich ist wie auch das Judentum, das Christentum, der Atheismus und andere religiöse Gruppierungen.

Könnte man das Vorgehen der "JournalistInnen" von unzensuriert.at rechtlich ahnden?
Nun, ich bin keine Juristin. Herausgefunden habe ich aber Folgendes:

Tatsache ist, dass der §276 StGB Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte per Ende 2015 außer Kraft gesetzt wurde (siehe auch den Bericht von derstandard.at vom 20. Dezember 2016, 09:26, zuletzt abgerufen am 10.12.2017, 22:17 zu dem Thema). Dessen Absatz 1 besagte: "Wer ein Gerücht, von dem er weiß (§ 5 Abs. 3), dass es falsch ist, und das geeignet ist, einen großen Personenkreis zu beunruhigen und dadurch die öffentliche Ordnung zu gefährden, absichtlich verbreitet, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen." Er ist bis heute nicht mehr in Kraft, was meiner bescheidenen, laienhaften Meinung nach dazu führt, dass man Fake News kaum noch ahnden kann.

Was ich als juristischer Laie verstehe

Das Mediengesetz wahrt vor allem die Persönlichkeitsrechte; einen Schutz gegen Fake News oder "alternative Fakten" gibt es aber meines Erachtens nach nicht.
Meine Frage an die JuristInnen unter euch: Interpretiere ich es richtig, dass es keinen Schutz gegen Fake News oder "alternative Fakten" gibt? Ich freue mich auf informative Kommentare!


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