Weihnachtsmarkt im Osten

Am 3. Advent war ich zufällig in einem kleinen Städtchen, für mich als Ostwestfale liegt das tief im Osten kurz vor der polnischen Grenze. Mein Vater sagt zu derselben Stelle Mitteldeutschland und es wäre einfach in der Nähe von Berlin. Mein Vater ist aber auch Schlesier und im Riesengebirge geboren und mit 11 Jahren in OWL aus einem Viehwagen geplumpst. Da gibt es dann offenbar Dinge im Menschen die an einem solchen Ortswechsel nicht teilnehmen. Ich schweife ab.

Das Städtchen pitoresk zu nennen war meine Wahrnehmung. Die Dame in meiner Begleitung findet die Stadt häßlich. So sind die Menschen: völlig verschieden. In den Straßen stehen wunderschöne alte, grün gestrichene Laternen und strahlen helles LED-Licht auf die Gehsteige. Die bestehen nicht wie bei uns aus in ihrer glatten Einheitlichkeit häßlichen Betonsteinplatten, sondern aus diesen riesigen vom Zahn der Zeit benagten Betonsteinen die hübsch in einer endlosen Reihe den selbst für Blinde einfach verfolgbaren Weg bilden und der übrige Raum ringsum ist mit kleinem Würfelpflaster gefüllt. Viele Straßen bestehen aus Katzenköpfen und ein Haufen Häuser steht schon mindestens 100 Jahre und fast alle hat irgendwann in näheren Vergangenheit mal jemand liebevoll restauriert.

Wir waren spät dran und natürlich stehen die Buden dieses Jahr weit auseinander und ein Teil der Leute sieht auch ganz merkwürdig aus, weil sie einen Stofflappen im Gesicht mit sich rumtragen. Wir waren satt, wir waren nicht durstig, aber wir hatten die Stimmung und blieben dann vor einem Kerzenstand stehen.

Meine Begleitung wollte eine schöne Kerze als Geschenk für weiß der Kuckuck wen kaufen und die beiden Standbetreiber wollten eigentlich schließen und taten dies auch kund. Jedoch, Mann braucht auch Geschenke, selbst in diesem Jahr und es war die Gelegenheit. Also kaufte ich schnell eine große dicke Kerze als Geschenk und eine deutlich dünnere für mich selbst.

Die brennt nun hier neben meinem Computer, schon seit ein paar Tagen immer wenn ich am Morgen, bevor die Heizung so richtig in Gang ist hier sitze und inspiriert mich beim Abfassen merkwürdiger Tagebucheinträge.

Die Dame konnte sich übrigens in der Eile nicht entschließen, aber das ist dann kaum aufgefallen. Mir ist dabei etwas anderes aufgefallen. Die Situation ist etwas gespenstisch, aber sie hat auch ihr Gutes. Jeden Unsinn mitmachen tut niemand und im Freien Maske zu tragen gehört wohl zum Unsinn, aber es gibt immer Menschen die sich für Unsinn begeistern, lassen wir sie.
Die Stimmung war viel stiller und das war schön. Es gab kein Gedränge, ich habe das erste Mal nicht gefroren, weil wir nicht irgendwo mit nem Glühweinbecher in der Menge gesteckt haben. Niemand war besoffen, aufgekratzt oder versperrte uns unnötig den Weg. Es war einfach sehr chillig.

Auf dem Rückweg waren sie dann wieder da: die pitoresken Straßenzüge mit der conan-doyle-artigen Beleuchtung, wenn es auch ein wenig am Fog mangelte. Dafür waren viele Fenster mehr oder weniger hell erleuchtet und wir konnten viele Einsichten gewinnen.

Dazu sind uns die meist unangenehmen Nachwirkungen von Rumstehen in der Kälte, Trinken von Glühwein und Essen von merkwürdigen Speisen komplett erspart geblieben. Vielleicht lerne ich noch das Virus zu lieben. Da gab es doch diesen Film wo einer die Bombe liebte, die Atombombe, in schwarzweiß, so ein völlig durchgeknallter Wissenschaftler.

Egal, jetzt ist Schluß mit chillen. Der Tag ruft!

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