Wie Kodak die US-Atombombenversuche entdeckte - und bei deren Vertuschung mithalf

Liebe Leser,
es wundert nicht, dass die USA ihre geheimen Atomwaffenversuche im Kalten Krieg nicht an die große Glocke hängten, aber es ist eine interessante Geschichte, wie die Firma Kodak das entdeckte!

Begonnen hatte alles am 16.Juli 1945 morgens um 5:30h, da wurde in den USA erstmals im sog. "Trinity-Experiment" eine Atombombe gezündet und damit das Atomzeitalter eingeläutet (1). Die Bombe, "Gadget" genannt, hatte eine Sprengkraft von 21 Kilotonnen TNT-Äquivalent und verteilte in die Atmosphäre reichlich diverse radioaktive Spaltprodukte des verwendeten Plutoniums.

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Quelle

Im 3000km vom Testgelände entfernten Rochester, NY hatte die Firma Kodak ihr Hauptquartier. Dort ging kurz danach eine Flut von Beschwerden ein, wonach deren hochsensitiven Röntgenfilme auf einmal schwarze Flecken aufwiesen (sog. "Fogging") und unbrauchbar waren. Das wunderte Kodak, die sehr darauf achteten, dass ihre teuren Filme nicht vorexponiert wurden. Julian Webb in der Forschungsabteilung von Kodak machte sich auf die Suche nach der Ursache und fand sie schliesslich. Schon während des Krieges hatte man unliebsame Erfahrung mit Radium gemacht, einem natürlichen Alpha-Strahler (2), der in Spuren auch in diversen Fabriken vorkam. Aus diesen Fabriken wurde Altpapier gesammelt, aus dem Karton hergestellt wurde, mit dem die Röntgenfilme verpackt wurden. Daher hatte Kodak eigene Papiermühlen betrieben, wo sie genau kontrollieren konnten, von wo das Altpapier herkam.
Webb konnte den Verursacher des Foggings auf Kartons zurückführen, die kurz nach dem Trinity-Experiment hergestellt wurden. Es war kein Radium, sondern ein bislang unbekannter Beta-Strahler, Cerium-141 (das hatte er unter anderem aufgrund von Halbwärtszeitmessungen herausgefunden). Das Papier konnte es aber nicht sein, denn das war eine Zeitlang gelagert worden, sodass etwaige radioaktive Verunreinigungen schon abgeklungen wären. Seine Schlussfolgerung, die er erst 1949 publizierte (3), war, dass es das Flusswasser sein musste, das für die Kartonherstellung verwendet wurde, und dass die radioaktiven Isotope durch Regenfälle aus der Atmosphäre in den Fluß gelangt waren. Mit anderen Worten: er hatte radioaktiven "Fallout" nachgewiesen, ein Wort, das es damals noch gar nicht gab!

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Bis dahin war auch anderen klar geworden, dass oberirdische Atombombenversuche doch nicht so harmlos waren. Unmittelbar nach "Trinity" hatte der Chef der radiologischen Sicherheit beim Manhattan Projekt, Stafford Warren, schon gewarnt und einen Mindestabstand von 200km zwischen Testorten und menschlichen Besiedelungen gefordert. Beim 2. Experiment nach Trinity, "Operation Crossroads" im Bikini-Atoll (4) im Juli 1946 war die radioaktive Verstrahlung weit höher als erwartet. 1948 hatte ein Militärmeteorologe empfohlen, oberirdische Atombombentest nur mehr an der US-Ostküste zu machen, da durch die meist vorherrschenden Westwinde Tests an der Westküste den Fallout quer über den Kontinent tragen würden (5). Dessenungeachtet wurde 1950 ein Ort in Nevada als primäres Testzentrum gewählt, nur 160km von der Metropole Los Angeles entfernt! Die Begründung war, dass an der Westküste alle Testlabore waren und das Testgelände daher in der Nähe sein musste, um die Geschwindigkeit der Fortschritte nicht zu gefährden (6)! Rüstungswettlauf war wichtiger als die Gesundheit der Menschen!

US-Militärs 1946 beim Anschneiden einer Torte in Form eines Atompilzes.
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Quelle

Als im Jänner 1951 die erste Atombombe in dem neuen Testgeände in Nevada gezündet wurde, stellten einige Tage später die Geigerzähler bei Kodak in Rochester nach einem Schneesturm 25fach erhöhte Strahlungswerte fest. Kodak alarmierte die Atomenergiebehörde darüber und dass, wie 1945 ihre Filme ruiniert wären, aber die wiegelte ab und meinte, es bestünde keine Gefahr für Tier und Mensch durch den "leicht radioaktiven Schnee".
Im März, nach wiederholten Beschwerden von Kodak und Drohungen, die Behörde zu verklagen aufgrund des wirtschaftlichen Schadens durch die ruinierten Filme, kam es schliesslich zu einem Übereinkommen zwischen Regierung und Kodak: Die Behörden würden Kodak vorab informieren über Zeitpläne und Orte zukünftiger Tests, damit Kodak die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz ihrer empfindlichen Filme treffen konnte. Im Gegenzug würden die Mitarbeiter von Kodak alles, was sie über die Atomtests der Regierung in Nevada wussten, geheim halten. Und das taten sie! Es herrschte immerhin Kalter Krieg, da musste man patriotisch sein.

Erst 1997(!) kam es zu einer Kongreßanhörung (7), wo erstmals öffentlich bekannt wurde, dass die US-Bevölkerung in den 1950er Jahren einer Jod-131 Exposition durch Atombombenversuche ausgesetzt war (durch die Einlagerung dieses radioaktiven Jodisotops in die Schilddrüse insb. bei Kindern kann so Schilddrüsenkrebs entstehen). Aber auch da gab es nach Studien (klarerweise im Auftrag der Regierung) keinen "statistisch signifikanten" Zusammenhang zwischen Strahlenbelastung und Schilddrüsenkrebsrisiko.

Bis heute ist es ein Skandal, dass Kodak vor den zu erwartenden Strahlenbelastungen gewarnt wurde, aber die allgemeine Bevölkerung nicht!

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Trinity-Test
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Radium
(3) https://journals.aps.org/pr/abstract/10.1103/PhysRev.76.375
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Crossroads
(5) https://www.ieer.org/latest/i131quot.html
(6) https://www.popularmechanics.com/science/energy/a21382/how-kodak-accidentally-discovered-radioactive-fallout/
(7) https://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-105shrg44045/html/CHRG-105shrg44045.htm

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