wikifolio - Chart Check der deutschen Aktienindizes





Liebe Investorinnen und Investoren,
liebe Leser*innen,

Im wikifolio Update vom 19.06.2023 habe ich angekündigt, mir diese Woche die deutschen Aktienindizes etwas genauer anzuschauen. Ich werde hier nicht auf Fundamentaldaten eingehen und nur den Chart betrachten.

Anlass dazu gibt der DAX, der zuletzt neue Rekordhochs verzeichnete, aber mein wikifolio Trendfolge nach Levy auf Jahressicht und seit einigen Monaten davor dem DAX nicht folgen kann und ich seit längerem und immer noch eine sehr hohe Cashquote halte.

Ich habe das Gefühl, dass sich viele Investoren fragen, wieso das so ist, obwohl es oberflächlich am deutschen Aktienmarkt seit den Tiefs in 2022 scheinbar gut lief. Insbesondere von den Finanzmedien wird dies oft suggeriert, wenn wieder DAX Höchststände gefeiert werden.

Ich habe noch mehr Beiträge zu diesem Thema in Planung, die ich hoffentlich zeitnah schreiben kann. Beginnen möchte ich mit einem Blick auf die Indizes.

grafik.png

Bei allen deutschen Aktienindizes handelt es sich um sog. Performanceindizes, d.h. Dividendenzahlungen sind darin enthalten und erhöhen die Performance. Das ist anzumerken, da z.B. die US-Indizes i.d.R. Kursindizes sind, bei denen Dividendenzahlungen nicht zur Performance gerechnet werden.

Wie also sieht es beim DAX, MDAX, TecDAX und SDAX aus?

dividers-06.png


DAX

Vom Hoch im November 2021 zum Tief im September 2022 verlor der DAX ca. 27%, holte diesen Verlust jedoch wieder auf und verzeichnete zuletzt neue Rekordstände bei einem Plus von ca. 38% gemessen ab dem Tief. Daraus ergibt sich ein deutliches "V", welches im Wochenchart gut erkennbar ist. Zweifellos ist der DAX im klaren Aufwärtstrend. Death Cross und Golden Cross hätten schöne Ein- und Ausstiegssignale geliefert.

grafik.png


Im Tageschart betrachtet legte der DAX die größte Strecke seines Anstiegs 2023 in den ersten 4 bis 5 Wochen zurück. Seitdem lässt das Aufwärtsmomentum nach. Im März hatte man einen schnellen Schluckauf zu verdauen, als es bei den US Regionalbanken kriselte. Wer weiß - vielleicht sind die Aktienindizes hier nur knapp einem größeren Schaden entgangen. Aktuell könnte sich ein Doppeltop bilden, falls die Unterstüzungszone im Bereich 15.600 bis 15.800 Punkten nicht halten sollte. Das wäre ein Warnsignal, das viele Marktteilnehmer beobachten dürften, da es zu weiter fallenden Kursen führen könnte. Genauso möglich wäre eine (volatile) Seitwärtsbewegung.

grafik.png


Interessant finde ich den Vergleich mit dem DAX Equal Weight (net return), in dem alle DAX-Werte gleich- und nicht nach Marktkapitalisierung gewichtet sind. Seit Februar dieses Jahres sieht man eine deutliche Abkoppelung des DAX gegenüber seinem Equal Weight Index. Während der DAX weiter anstieg und neue Rekorde verzeichnete, bewegte sich der Equal Weight Index nur seitwärts. Zum alten Höchststand fehlen ihm noch ca. 12%!

Dem Vergleich DAX vs. DAX Equal Weight widme ich ein eigenes Kapitel, da sich daraus vielleicht noch weitere Erkenntnisse ableiten lassen.

grafik.png


Weil in den Medien oft drüber geredet wird, dass der DAX stärker gelaufen sei als der S&P500, möchte ich in diesem Rahmen noch kurz einen Vergleichschart zwischen dem S&P500 (=Kursindex ohne Dividenden), dem DAX-Performanceindex ("Standard-DAX") und dem DAX Kursindex (ohne Dividenden) zeigen.

Klar zu erkennen ist, dass der DAX inkl. Dividenden (Performanceindex) in knapp 3 Jahren beinahe das gleiche Ergebnis erzielte wie der S&P500 Kursindex ohne(!) Dividenden.
Wie viel Unterschied die Dividenden beim DAX ausmachen sieht man beim Vergleich des DAX mit dem DAX-Kursindex. Dem Kursindex fehlen noch ca. 8,5% für ein neues Rekordhoch. Der Spread zwischen den Beiden beträgt in diesem fast 3-Jahres-Zeitraum knapp 9,5%.

grafik.png

dividers-06.png


MDAX

Vom Hoch im August 2021 zum Tief im Oktober 2022 verlor der MDAX ca. 41% und konnte bisher bei weitem noch nicht alles wieder aufholen, obwohl vom Tief bis Ende Januar 2023 fast 40% Kursplus gefeiert werden konnten. Danach setzte der Index aber wieder in den Bereich der 200 Tage Linie zurück und pendelt seit März relativ lustlos in einer 7% Range umher. Momentum ist hier in keine Richtung zu erkennen. Für ein neues Rekordhoch fehlen dem MDAX mehr als stolze 35%. Solange die Unterstützungszone zwischen ca. 25.700 und 26.400 Punkten hält, dürfte kein größerer Verkaufsdruck aufkommen und die Chancen für einen Ausbruch über die Abwärtstrendlinie (gelb) steigen. Kann der Index darüber ausbrechen dürfte sich der Aufwärtstrend fortsetzen. Es wartet allerdings eine relativ breite Widerstandszone zwischen ca. 29.000 und 30.600 Punkten. Es würde mich nicht wundern, wenn der MDAX noch eine ganze Weile zwischen diesen beiden Zonen gefangen bleibt und der Seitwärtstrend (volatil) fortgesetzt wird. Immerhin hat sich der GD200 abgeflacht und angefangen leicht nach oben zu drehen.

grafik.png

dividers-06.png


TecDAX

Vom Hoch im November 2021 bis zum Tief im September 2022 verlor der TecDAX ca. 35% und konnte, wie auch der MDAX, trotz einer fast 30% Rally vom Tief bis Ende Januar/Anfang Februar 2023 nicht alles wieder aufholen. Für ein neues Rekordhoch fehlen dem TecDAX ca. 27%. Im Zuge der Rally brach der Index über eine klassische Schulter-Kopf-Schulter Bodenbildungsformation aus, konnte aber in der Folge - auch wie der MDAX - kein weiteres Momentum entwickeln. So pendelt auch der TecDAX seit Monaten in einer ca. 6% breiten Handelsspanne seitwärts. Eingerahmt wird die Handelsspanne von einer darüber liegenden Widerstandszone im Bereich von ca. 3.350 bis 3.400 Punkten und einer darunter liegenden Unterstützungszone zwischen ca. 3.110 und 3.150 Punkten. Zusätzlich könnte die 200-Tage Linie in diesem Bereich für Unterstützung sorgen. Diese Woche wird die Unterstützung getestet. Es sieht bisher danach aus, als ob sie hält. Damit sind die Marken, die gebrochen werden müssen klar, bevor wieder mit Bewegung gerechnet werden kann.

grafik.png

dividers-06.png


SDAX

Vom Hoch im November 2021 bis zum Tief im Oktober 2022 verlor der SDAX ca. 42%. Auch hier folgte eine schnelle Rally bis Ende Januar, die den Kurs um ca. 25% hob. Ebenso wie beim MDAX und TecDAX kam seitdem kaum Momentum auf, sodass der Kurs eher seitwärts verlief. Bis zum Rekordhoch fehlen ca. 31%. Da der SDAX sehr ähnlich wie der TecDAX aussieht, verweise ich zum Großteil auf die dortigen Ausführungen. Soll es nach oben gehen, muss der Kurs durch die Widerstandszone zwischen ca. 13.750 und 14.050 Punkten. Nach unten sollte die 200-Tage Linie halten, um nicht unter Druck zu kommen.

grafik.png

dividers-06.png


DAX vs. DAX Equal Weight

Die Outperformance des DAX ggü. dem DAX Equal Weight lässt sich grafisch auch darstellen, in dem man den Equal Weight durch den DAX-Kurs teilt. Eine fallende Linie bedeuted, der DAX performte besser als der Equal Weight Index, während eine steigende Linie eine das Gegenteil bedeutet.

Hier wird erneut die relative Outperformance des klassischen DAX, der nach Marktkapitalisierung gewichtet ist, deutlich. Während der letzten 3 Jahre gab es nur 2 Phasen, in denen die Linie deutlich anstieg. Zum einen während der Rally nach dem Corona Crash und zum anderen nach den 2022er Jahrestiefs der Indizes.

In der Phase nach dem Corona Crash war ein sehr gutes Umfeld für die Levy Strategie des wikifolios, die recht exakt bis zum Februar 2021 andauerte, was wiederum der Punkt ist, an dem die Linie ihre Hochs machte. Die Marktbreite nahm in der Folge ebenso ab, wie das Kursmomentum des DAX Equal Weight und signalisierte bereits dort einen Kapitalabfluss aus den meisten Aktien, während sich die Big Cap Werte noch gut hielten und der DAX sogar leicht steigen konnte.

Dasselbe war ab dem 2022er Tief zu beobachten. Vermutlich wäre die Phase zwischen November 2022 bis Ende Januar 2023 ein gutes Umfeld für die Levy Strategie gewesen. Das Problem war nur, es gab keine Aktien, die es durch den Filter schafften, da sich die Aufwärtstrends erst in der Entstehung befanden. Anders als im Corona Crash, der nach ein paar wenigen Wochen vorbei war und viele Trends nicht komplett zerstörte, kommen wir jetzt aus einem länger dauernden Bärenmarkt, in dem viele Aktien übergeordnete Abwärtstrends ausbildeten, die es zu brechen, zu konsolidieren und in Aufwärtstrends zu drehen galt und gilt. Vor allem einige Big Caps, wie SAP kamen aus solch längeren Abwärtstrends. Der V-förmige Boden des DAX (s.o.) ist u.a. ein Resultat daraus, dass die Big Cap Aktien ebensolche V-förmigen Böden und Umkehrformationen bildeten. Um es kurz zu halten: Solche Situationen sind aus verschiedensten Gründen mit der Levy Strategie des wikifolios kaum handelbar. Bis die Kriterien erfüllt werden haben diese Aktien oft schon einen weiten Weg zurückgelegt. Die Strategie des wikifolios ist dafür nicht konzipiert. Sie versucht nicht den Boden und eine schnelle Umkehr zu treffen, sondern soll bestehenden Aufwärtstrends mit Momentum folgen.

Die Steigphase der Linie endete Ende Januar 2023. Der Zeitpunkt ist sehr markant und taucht in diesem Artikel mehrmals auf als der Zeitpunkt, an dem die Neben-Indizes begannen in eine Seitwärtsphase überzugehen. Seitdem fällt die Linie und hat sogar das 2022er Tief unterschritten.

grafik.png

Ebenso deutlich zu sehen sind die Divergenzen zwischen dem Kurs des DAX und der Linie.
Von Februar 2021 bis Januar 2022 stieg der DAX weiter oder tendierte seitwärts, während die Linie bereits ihre Hochs gemacht hatte und zu fallen begann.
Dieselbe Divergenz ist seit Ende Januar 2023 erneut zu beobachten.
Möglicherweise wird sie ebenso wie in 2022 dadurch aufgelöst, dass der DAX ebenfalls zu fallen beginnt. Das ist aber nur eine Annahme und keine Vorhersage. Genauso gut könnte der DAX in eine Seitwärtsphase übergehen und der Equal Weight beginnen zu steigen.

dividers-06.png


Fazit

Es ist eindeutig zu sehen, dass außer dem originärem DAX Performanceindex alle übrigen bedeutenden deutschen Indizes weit entfernt von ihren alten Hochs sind.

grafik.png

Der DAX Kursindex sowie der DAX Equal Weight hätten zwar ebenfalls die Nebenwerteindizes outperformt, jedoch wären die Erstgenannten noch nicht auf neuen Höchstständen.

Was lässt sich also schlussfolgern?

  1. Ähnlich wie in den USA performten die Big Cap Aktien seit den 2022er Tiefs und YTD deutlich besser als die Small Caps und Nebenwerte.

  2. Die meisten Indizes tendieren seit Ende Januar 2023 seitwärts und entwickeln kein Momentum. Sicher mit ein Grund, weshalb (Momentum-)Trendfolgestrategien mit überwiegend deutschen Nebenwerten 2023 bisher nicht gut performen. Schaut man statt auf den DAX auf den DAX Equal Weight, ähnelt der Kurs stark dem der Nebenwerte-Indizes.

  3. Die Korrelation zwischen dem wikifolio Kurs und der DAX Equal Weight vs. DAX-Linie ist auffällig und dürfte ein weiteres Puzzleteil bei der Erläuterung sein, weshalb für die Levy Strategie seit längerem und v.a. seit den 2022er Tiefs kein gutes Umfeld herrscht.
    Kann man die Linie als "Marktampel" benutzen? Also gutes Umfeld, wenn die Linie steigt und schlechtes Umfeld, wenn die Linie fällt?
    Ich denke nein, da sie kein "leading indicator" sein wird. Ob sich ein längerer Trend der Linie einstellt, lässt sich schwer in Echtzeit ablesen. Sie kann jedoch mit etwas Rückschau ein bestätigender Indikator sein, wenn das Feedback des Marktes signalisiert, dass das Umfeld schlecht ist.
    Vom Feedback des Marktes spreche ich seit gefühlt ewiger Zeit in etlichen Kommentaren zum wikifolio. Auf die Korrelation mit der Linie wurde ich erst heute aufmerksam. Sie bestätigt meine Wahrnehmung des Feedbacks und ist hoffentlich keine Ausprägung des Confirmation Bias. Insbesondere, dass das Top der Linie in 2021 praktisch exakt mit dem Allzeithoch des wikifolio Kurses übereinstimmt, verblüfft mich.

  4. Divergenzen wie zwischen DAX und DAX Equal Weight vs. DAX-Linie, schlechter Marktbreite aber steigendem Index-Kurs, DAX vs. Nebenwerte-Indizes, Big Cap vs. Small Cap, usw. werden irgendwann aufgelöst oder zumindest verkleinert werden. In welche Richtung und mit welchem Szenario, das bleibt ein Ratespiel. Jedenfalls besteht die Chance, dass im Anschluss wieder ein besseres Trading-Umfeld herrscht. Bis es so weit ist kann noch etwas dauern, denn...

  5. ...um wieder Momentum aufzunehmen, die Marktbreite zu verbessern und dass es mehr Aktien durch den Filter schaffen, dürfte erst ein Ausbruch des MDAX, TecDAX und SDAX über die jeweiligen Widerstände nötig sein. Leaders lead - es könnten also vereinzelt Leader-Aktien früher im Screener auftauchen und beständigere Aufwärtstrends bilden, von denen wir im wikifolio profitieren könnten. Es braucht jedoch irgendwann eine Phase, in denen eine Mehrzahl Aktien dem Aufwärtstrend der Indizes folgen. Eine Art Gleichschritt zwischen Einzelaktien und Indizes, wenn man so will.
    Was außerdem für eine längere Dauer des schlechten Umfelds sprechen könnte, ist die aktuelle Rezession in Deutschland, die weiter erwarteten Zinserhöhungen durch die EZB und die Saisonalität. Aber ich will wie eingangs erwähnt nicht auf Fundamentals eingehen.

dividers-06.png


Ich hoffe mit diesen Ausführungen etwas zum besseren Verständnis des Umfelds beigetragen zu haben aber v.a. das Verständnis, weshalb es für die im wikifolio Trendfolge nach Levy gehandelte Strategie (noch) kein sehr gutes Marktumfeld ist, geschärft zu haben.

Ich weiß, ich wiederhole mich wöchentlich und schon seit langer Zeit, aber es führt aus meiner Sicht kein Weg dran vorbei, diszipliniert und geduldig zu bleiben, bis sich die Konditionen bessern. Alles andere würde lediglich zu höheren Verlusten führen. Da ich kein wikifolio Trader der Sorte bin, die das High-Watermark Prinzip für Performanceprämien zum eigenen Vorteil ausnutzen und ich selbst fünfstellig im wikifolio investiert bin, ist mein klares Ziel der Kapitalerhalt und die bestmögliche Rendite bei geringem Risiko zu erreichen.



Danke an alle, die den langen Artikel ganz gelesen haben.
Wenn Fragen vorhanden sind oder Diskussionsbedarf besteht, nutzt die Kommentarfunktion oder kontaktiert mich über Twitter.
Über Feedback zum Artikel (gerne auch positiv) würde ich mich freuen. 🙂








Alle Charts wurden am 23.06.2023 erstellt
und stammen von Onvista und Tradingview

H2
H3
H4
3 columns
2 columns
1 column
Join the conversation now