Eine Ära geht zu Ende... (400 Worte)

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Irgendwie ist es immer noch ein Fremdkörper in der idyllischen Landschaft, direkt an der Weser gelegen - das AKW in Grohnde. Wie hoch die Kühltürme sind, sieht man erst von Nahem. So hoch, dass die dort aufsteigenden Schwaden der Umgebung, auch hinter den umgebenden Hügelkämmen, als selbstverständliche Hilfe zur Bestimmung der Windrichtung dienten.

Aber das ist jetzt bald vorbei - Grohnde ist vom Netz. Übrig ist nur viel Beton, dass hoffentlich niemandem mehr zur Gefahr werden wird. Die etwas makabre und flapsige Unterteilung der Umgebung in "die mit Jodtabletten und die ohne" wird schon bald der Vergangenheit angehören. In den letzten 40 Jahren hat man sich irgendwie dran gewöhnt, direkt nebenan zu wohnen - auch wenn es irgendwie immer ein merkwürdiges Gefühl war, wenn man sich im wahrsten Sinne des Wortes im Schatten des AKW befand.


Grohnde an einem windstillen Tag

Dabei lag vor dem Bau einer der blutigsten Abschnitte der deutschen Anti-AKW-Bewegung. Den meisten werden aus der Zeit eher Brokdorf, Gorleben und Wackersdorf in Erinnerung sein, aber in Grohnde eskalierte eine zunächst normal verlaufende Demonstration. Ein Großteil der AKW-Gegner kam (ähnlich wie im Wendland) aus der Umgegend, viele Landwirte und "normale Leute", viele Pastoren. Unser Pastor hatte eigentlich mit einer Gruppe auch geplant zu demonstrieren (wie vorher schon öfter), aber viele Gemeindeglieder waren nicht mehr wirklich jung und beschlossen, sich Mitte März bei schlechtem Wetter lieber nicht mit Tausenden von anderen auf einem matschigen Acker herumzutreiben.

Den meisten dieser Menschen waren friedliche Proteste wichtig - aber wie so oft... Bei der Großdemonstration im März 1977 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einem kleinen Teil der fast 20 000 Demonstranten und der Polizei, die als "Schlacht um Grohnde" in die Lokalgeschichte einging.

Unser heißgeliebter Ministerpräsident Ernst Albrecht sah natürlich hinter allem die Kommunisten und den Umsturz schon hinter der nächsten Ecke. Und es wurde versucht, die Kosten des Polizeieinsatzes und der Schäden auf ein paar Dutzend Leute abzuwälzen, die teils nicht mal in die Nähe des Baugeländes gekommen waren (weil "psychische Unterstützung" ja schon Beihilfe sei). Da muss ich ab und an dran denken, wenn wegen eines Bundesligaspiels mal wieder die ganze Stadt voller Polizisten ist und man schon vorher in der Zeit vor und nach dem Spiel lieber daheim bleibt. Könnte man nicht die ganzen Einsatzkosten auf alle Ticketkäufer umlegen, denn schließlich hätten sie ja damit rechnen können, dass irgendwelche Fans sich unbedingt prügeln müssen...



Rückblick des NDR - Aufrechnung der "Kostenbeteiligung" im eingebetteten Panorama-Beitrag ab 1:40



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