Was bereitet euch Sorgen?

Derzeit läuft auf dem von mir hoch geschätzten BitcoinBlog gerade die "Dezemberumfrage: Bitcoin, Krypto, Politik". Eine der Fragen lautet "Ich sorge mich vor ...", woraufhin man verschiedene Auswahlpunkte in die der eigenen Sorgengemengelage entsprechende Reihenfolge bringen kann. Zur Auswahl stehen neben vielen anderen beispielsweise "Inflation", "Klimawandel", "Atomkrieg", "Krankheit", "Corona" und "Überfremdung".

Das Durchlesen der diversen Auswahlmöglichkeiten regt zum Reflektieren an, und zugleich wurde mir bewusst, was mir - abseits distanziert-philosophischer Betrachtungen über die Übel dieser Welt - ganz konkret im Alltag die größten Sorgen bereitet und in der angebotenen Liste gänzlich fehlt:


Zunehmende Überwachung und Kontrolle des Bürgers


Ja, aller Wahrscheinlichkeit nach sterbe ich irgendwann einmal an Krankheit/Alter/Unfall etc., das wird sich (die Möglichkeit, mittels rasanten medizinischen Fortschritts theoretische Unsterblichkeit erlangen zu können einmal außen vor gelassen) wohl schwerlich vermeiden lassen. Was mich jedoch im Alltag bedrückt bzw. mich meines (Rest-)Optimismus beraubt, ist die immer stärker werdende Überwachung und Kontrolle des Bürgers! Die Regierungen vieler Staaten schicken sich an, die Kommunikation im Internet, Geldtransaktionen und Reisebewegungen immer akribischer zu protokollieren und abzuspeichern sowie die Betreiber sozialer Netzwerke dazu zu zwingen, in vorauseilendem Gehorsam Inhalte zu löschen, um mögliche Konsequenzen zu vermeiden. Auch Finanzdiensleister und Kryptobörsen (wie z. B. Bitpanda) sowie Banken schießen oft sogar noch weit über die staatlichen Vorgaben hinaus.
Das alles natürlich im Namen von Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung (angesichts derer Freiheitsrechte und Selbstbestimmtheit offenbar vernachlässigbare Güter sind), wobei immer weiter vom Grundsatz abgerückt wird, nur auf konkreten Verdacht hin tätig zu werden, nein, immer niederschwelligere Geldbewegungen müssen gemeldet sowie der Nachweis der Herkunft eigenen Vermögens lückenlos (Orwell-like) erbracht werden.


Gleichgültigkeit der meisten Menschen


Als ernüchternd empfinde ich bei alldem nicht nur, dass die Regierenden offenbar jedes Maß verlieren, sondern auch, wie gleichgültig der mittlerweile mürbe gemachte Durchschnittsbürger das alles hinnimmt und teilweise gar befürwortet ("Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten!", "Wer mit so hohen Bargeldsummen bezahlen will, kann doch nur in krimineller Absicht handeln!", "Keine Grundstücke mehr mit Krypto kaufen dürfen? Sowas hab' ich eh nicht! Wen stört das schon?").
Dass Besitz "unklarer Herkunft" selbst bei fehlendem Nachweis einer Straftat laut "Vermögensabschöpfungsgesetz" vom Staat einfach einbehalten werden darf, stellt meiner Meinung nach zwar eine völlig inakzeptable Beweislastumkehr dar, wird jedoch von der klaren Mehrheit der Kommentierenden (auch der SPIEGEL berichtete darüber) befürwortet - "Denn was kümmert es mich, solange ja nur andere betroffen sind? Und außerdem verfüge ich mich arm arbeitender Otto Normalverbraucher ohnehin über kein Vermögen, kann also folglich auch nicht 'abgeschöpft' werden." :-)


Geld wichtiger als Freiheit?


Ich verstehe es einfach nicht, wie allgemein akzeptiert werden kann, Geldwäschebekämpfung als wichtig genug einzustufen, einen Generalverdacht gegen jeden zu erheben, der mit Bargeld bezahlt, Kryptowährungen transferiert, Geld ins Ausland überweist oder Gold kaufen will!
Geldwäsche ist eine Straftat, aber ist generell Geld höher zu bewerten als die Freiheit und Selbstbestimmtheit des Bürgers sowie sein Recht auf Privatsphäre? Abgesehen davon frage ich mich, wie die Menschheit bloß in früheren Zeiten, als Straftäter noch mittels sauberer Ermittlungsarbeit statt verdachtsunabhängiger Pauschalüberwachung überführt wurden, ohne all die immer engmaschigeren Überwachungsmaßnahmen überleben konnte?
Und Terrorismus hat auf die jeweils Betroffenen selbstredend katastrophale, grausame Auswirkungen, was aber dennoch nichts daran ändert, dass hierzulande die Wahrscheinlichkeit, durch Terroristenhand ins Jenseits befördert zu werden, um ein Vielfaches geringer ist als beispielsweise von einer heimtückischen Haushaltsleiter zu fallen und dabei ums Leben zu kommen. Ich sehe da angesichts der relativen statistischen Irrelevanz des Themas keine Verhältnismäßigkeit der Mittel mehr (wobei m. E. ohnehin auch im Falle des Terrorismus durch gute, konventionelle Ermittlungsarbeit, zahlenmäßig stärkeres, besser ausgestattetes und ausgebildetes Personal sowie eine konsequentere Vorgehensweise gegen oft bereits im Vorfeld von Anschlägen aktenkundig gewordene Straftäter mehr erreicht werden würde als durch pauschale Massenüberwachung).


Woanders ist es schlimmer?


Häufig höre ich Einwände wie "Statt dich zu beklagen, solltest du froh sein, in einem Land zu leben, in dem du deine Meinung noch äußern kannst. In Ländern wie Russland oder China würdest du für solche Kritik direkt in den Knast wandern!"
Ich sehe es so, dass noch schlechtere Zustände anderswo überhaupt kein Argument dagegen sind, zu versuchen, eine sich beschleunigende Entwicklung zu genau solchen Zuständen hin zu verhindern! Ist es erst einmal so weit wie in China gekommen, erscheint jeglicher Widerstand so gut wie aussichtslos, also wehret den Anfängen! Wehret den Anfängen? Nein, dieser Spruch passt hier schon nicht mehr, denn die Anfänge haben wir bereits weit hinter uns gelassen! Das habe ich in zahlreichen Posts immer wieder belegt und möchte mich deshalb an dieser Stelle auf ein weiteres Beispiel beschränken, um zu zeigen, wie weit 'wir' mittlerweile sind:


Vorbild Australien?


Einem neuen Gesetz zufolge müssen Australier (nicht Chinesen!) in einem geplanten Sozialpunkte-System mindestens 100 Punkte erreichen, um zukünftig noch Zugriff auf das Internet und soziale Medien zu haben sowie digitale Transaktionen (inklusive den Handel mit Kryptowährungen) durchführen zu können.
Darüber hinaus sollen die Behörden anhand der zukünftig obligatorisch zu verwendenden digitalen Identifikationsnummer jedes Bürgers über Zugriff auf dessen Accounts, einschließlich seiner privaten Nachrichten, verfügen.
Und nein, mir kann niemand erzählen, die Implementierung eines ähnlichen Systems sei in Deutschland völlig undenkbar. Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis solche Vorschläge auch hier auftauchen werden. All das dient doch letztlich der 'guten Sache', dem Kampf gegen Verbrechen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ...


Dystopie des gut versorgten Schafs im goldenen Käfig


Ich habe ein gewisses Verständnis für den Einwand, an vielen Orten der Welt würden Menschen darum kämpfen, sich einigermaßen gut mit Lebensmitteln, sauberem Wasser, Medikamenten versorgen und überhaupt ein Dach über dem Kopf haben zu können, und angesichts dessen müsse ihnen das Streben nach Selbstbestimmtheit und Privatsphäre wie purer Luxus erscheinen. Und selbst hierzulande, im 'reichen Westen', fällt es aufgrund zahlreicher Faktoren (hohe Inflation, Steuern und Abgaben, steigende Energiepreise und Mieten, niedrige Löhne und Renten etc.) vielen Bürgern immer schwerer, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Ja, es ist richtig, ohne die Befriedigung der Grundbedürfnisse hilft alles andere auch nichts. Das ändert aber nichts daran, die Vision eines Lebens als gut versorgtes, brav konsumierendes, gehorsames Schaf im 'goldenen Käfig' als zutiefst dystopisch und völlig sinnentleert zu empfinden.

Ja, diese von vielen Menschen bewusst verdrängte oder verharmloste Entwicklung macht mir Sorgen, und zwar mehr als alles andere!

Daher rührt auch mein Antrieb, immer wieder von Neuem die zunehmende Beschneidung von Freiheitsrechten kritisierende Artikel zu verfassen: Wenn es auch nichts hilft, und wenn die Überwachung irgendwann lückenlos und nicht mehr rückgängig zu machen sein wird, dann will ich wenigstens über den (schwachen) Trost verfügen, meine kläglichen Versuche, diese scheinbar unvermeidliche Entwicklung aufzuhalten, sozusagen als 'digitales Mahnmal', in eine (dann hoffentlich immer noch funktionierende) Blockchain gemeißelt zu wissen.

Seht ihr das genauso oder vielleicht ganz anders als ich? Was bereitet euch die größten Sorgen?

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