Antwort auf Saskia Eskens Gastbeitrag auf "ZEIT ONLINE" zum Thema soziale Medien (und Bitcoin).

Wie vor ihr bereits Kevin Kühnert kehrt nun auch SPD-Politikerin Saskia Esken Twitter den Rücken.
In einem Gastbeitrag für "ZEIT ONLINE" stellt sie ihre kritische Sicht der Dinge dar und beschreibt, wie ihrer Meinung nach die Realität der heutigen sozialen Netzwerke mit dem ursprünglichen Grundgedanken eines der Emanzipation des Menschen dienlichen, demokratischen Internets nicht mehr vereinbar sei.
Empörung, Hass und Hetze sowie Desinformationskampagnen beschädigten die politische Kultur und gefährdeten die Demokratie.
Überdies schüfe die enorme Machtposition der Konzerne Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft monopolartige, unkontrollierbare Strukturen. Man benötige eine "Strategie für mehr Souveränität und Resilienz, die technologische Innovation, demokratische Ausgestaltung und dafür notwendige Kompetenzen zusammendenkt."

Ohne einen nur sehr oberflächlich begründeten Seitenhieb auf den Bitcoin kommt sie leider nicht aus, was einer meiner Hauptkritikpunkte an ihrem Text ist.

Mit ihrer Diagnose gehe ich teilweise durchaus konform, wobei ich jedoch ihre Lösungsvorschläge zumeist entweder ablehne oder für zu wenig konkret halte und mich insgesamt des Eindrucks nicht erwehren kann, sie habe sich - wie viele andere Politiker auch - einfach nicht tief genug in die Materie eingearbeitet.


Wer Dezentralität fordert, sollte dezentrale Plattformen kennen und unterstützen!


Was jedem hier Schreibenden sicherlich sofort auffällt, ist zunächst, dass Esken zwar zu Recht beklagt, heutzutage werde die "Digitalsphäre von einigen wenigen Unternehmen und ihren kommerziellen Interessen kontrolliert", und tatsächlich eine "offene und dezentrale Struktur, die demokratisch gestaltet und kontrolliert ist" einfordert, aber andererseits anscheinend nicht die leiseste Ahnung davon hat, dass solche dezentralen, blockchainbasierten sozialen Netzwerke, wie z. B. HIVE, auf denen User durch ihre Votes demokratisch Content belohnen oder aber beschließen, ihn nicht zu vergüten, bereits seit Jahren existieren! Das zeigt, wie wenig sich die Politik wirklich mit den durchaus vorhanden Alternativen und Anwendungsmöglichkeiten der Blockchaintechnologie beschäftigt!
Auch wem die Macht und Datensammelwut der Großkonzerne ein Dorn im Auge ist, würde Alternativen wie HIVE doch ansonsten sicherlich begrüßen oder gar fördern, indem er zu ihrer verstärkten Nutzung aufriefe.

Desweiteren würde ich als jemand, der Dezentralität das Wort redet, nicht zugleich beanstanden, dass es "auch mit dem Primat der Politik [...] in zentralen Fragen der Digitalisierung nicht weit her" sei.

Ich sehe keine Notwendigkeit eines überall implementierten "Primats der Politik". Es muss eben nicht jegliche Kommunikation immerwährend von außen kontrolliert und überwacht werden.
Eine Community wie die auf HIVE funktioniert wie ein eigenständiges, weltumspannendes, virtuelles Land, dessen 'Einwohner' mit absolut transparent per Blockexplorer nachvollziehbaren, nicht manipulierbaren Votes über die Finanzierung von Software-Projekten, die Vergütung von Posts sowie die Wahl der Block-Producer abstimmen. Was sollten Politiker dort zu entscheiden haben? Insbesondere halte ich es für immens wichtig, dass (geplante) Straftaten auch auf blockchainbasierten Netzwerken zwar durchaus geahndet, die in die Blockchain eingemeißelten Inhalte jedoch nicht einfach gelöscht werden können, was speziell unter autokratischen Regimes lebenden Menschen wenigstens ein Mindestmaß an Zensurresistenz und Meinungsfreiheit garantiert.


Soziale Netzwerke sollten weder Polizei noch Justiz spielen müssen!


Bezüglich Frau Eskens Einlassung, Twitter unternehme nichts gegen Fake-Profile, agiere im Umgang mit strafbaren Inhalten zu nachlässig, sperre aber andererseits ungerechtfertigterweise Accounts, liegt in meinen Augen die Verfolgung echter Straftaten (z. B. die Androhung von Gewalt oder die Planung von Anschlägen) ausschließlich im Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsbehörden. Müsste jeder ein soziales Netzwerk Betreibende zugleich auch noch Polizei und Justiz spielen (d. h. die Justiziabilität aller beanstandeten Userkommentare selbst bewerten!), wären ausgerechnet kleinere (doch angeblich im Sinne der Vielfalt schützenswerte) Anbieter gar nicht dazu in der Lage, den geforderten enormen Aufwand zu erbringen (vor den diversen Konsequenzen des "Netzwerkdurchsetzungsgesetzes" warnte ich bereits vor Jahren).
Eine ungerechtfertigte Schließung von Accounts wäre auf einer dezentralen Plattform wie HIVE ohnehin nicht möglich.


Was tut die SPD, um die geforderte Souveränität tatsächlich zu erlangen?


Zitate wie das hinsichtlich der "Strategie für mehr Souveränität und Resilienz [Europas/Deutschlands]" sind zwar wohlklingend, beinhalten aber keinerlei konkrete Forderungen. Wer von Selbstbestimmtheit spricht, sollte einmal darüber nachdenken, weshalb es innerhalb Europas weder eine nennenswerte Computerchip-Produktionsstätte noch eigene Betriebssysteme geschweige denn Softwareunternehmen wie Google, Microsoft oder Apple gibt? Wenn im Bundestag auch heute noch mit (veraltetem) Microsoft Windows ausgestattete Rechner stehen und Universitäten, wie beispielsweise die in Saarbrücken, voll auf Microsoft Teams setzen, frage ich mich, wie ernst solche Forderungen nach mehr Autonomie tatsächlich zu nehmen sind?


Last but not least: der Bitcoin


Zuletzt möchte ich mich dem Teil des Textes widmen, der mich ehrlich gesagt am meisten verstimmte, und zwar in Form folgenden Zitats: "Wenn Profit die letzte verbliebene Antriebsfeder ist, dann sind Bitcoins die Innovation des Jahrhunderts. Doch laut einer Studie werden durch Bitcoin-Mining jährlich rund 48 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Was ist daran innovativ?"

Zunächst einmal ist diese Argumentation ganz prinzipiell unlogisch. Angenommen, das Energieargument wäre stichhaltig, dann hieße das selbstverständlich noch lange nicht automatisch, der Bitcoin könne per se nicht innovativ sein. Das wäre so ähnlich, wie zu behaupten, Cristiano Ronaldo könne ja gar kein guter Fußballspieler sein, weil er sich einfach immer wieder als schlechter Torwart erweise.


Der Bitcoin IST innovativ


Warum also ist der Bitcoin innovativ?
Zum Beispiel weil ...

  • ... Bitcoins und andere Kryptowährungen ohne Mittler- und Konvertierungsgebühren innerhalb weniger Minuten, transparent auf der Blockchain nachverfolgbar und absolut manipulationssicher, um die ganze Welt gesendet werden können.

  • ... gerade in vielen Entwicklungsländern oft über 50 Prozent aller Menschen über kein Bankkonto verfügen, aber auf ihren Handy-Wallets dennoch Kryptowährungen (z. B. von Verwandten aus dem Ausland) empfangen können. Gerade auch zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine profitierten sehr von Bitcoin-Spenden, nachdem sie nicht mehr an ihre Bankguthaben kamen und häufig, abgesehen vom Inhalt des Krypto-Wallets auf ihrem Handy, völlig mittellos in Deutschland ankamen.

  • ... er unterdrückten Minderheiten eine gewisse finanzielle Autonomie zu bieten vermag, wie beispielsweise afghanischen Frauen, deren männliche Verwandte problemlos ihre Bankkonten kontrollieren konnten, so dass Bitcoins den einzigen Ausweg darstellten.

  • ... Blockchains häufig unter autoritären Regimes, wie z. B. China, dazu genutzt werden, kritische Meinungen, Informationen und Inhalte dauerhaft für die Nachwelt zu erhalten, die ansonsten innerhalb kürzester Zeit komplett aus allen sozialen Netzwerken getilgt würden.

  • ... die Pseudonymität von Bitcoin-Transaktionen Usern einen gewissen Schutz ihrer Daten gewährleistet, anders als z. B. bei Banküberweisungen, wo der Kunde gegenüber dem Geldinstitut völlig gläsern ist.

  • ... jeder Bitcoin-Besitzer und -Nutzer über die vollständige Kontrolle über sein eigenes Geld verfügt, und nicht - wie z. B. während der Zypern-Krise zu beobachten - Banken einfach seine Ersparnisse einbehalten können.

  • ... der Bitcoin als dezentrales Weltgeld weder der Willkür einzelner Staaten unterliegt noch durch beliebige Vermehrbarkeit entwertet werden kann. Seine maximale Menge ist auf 21 Millionen Bitcoins beschränkt, wobei der Bitcoin durch seine Skalierbarkeit auf bis zu acht Stellen hinter dem Komma dennoch stets - anders als z. B. Gold - flexibel auch für kleinere Einkäufe verwendet werden kann.

  • ... der Bitcoin langfristig gesehen eines der bestmöglichen Investments überhaupt war und meiner Meinung nach auch bleiben wird.


Der Bitcoin verbraucht viel Strom, aber ...


Der Bitcoin ist also trotz seines hohen Stromverbrauchs äußerst innovativ.
Dennoch möchte ich zu guter Letzt auch auf eben diesen Kritikpunkt näher eingehen.

Zunächst einmal denke ich, man sollte der Ausgewogenheit halber auch einmal einen Blick auf die 'Konkurrenz' werfen: So kommt "Galaxy Digital" zu dem Ergebnis, Bitcoin sei energieeffizienter als Gold und verbrauche weniger Strom als das Bankenwesen (mit seinen Geldautomaten, Rechenzentren und Filialen - wobei der Energieverbrauch der täglich zur Arbeit fahrenden Bankmitarbeiter noch gar nicht eingepreist ist).

Laut Valuechain-Report verbraucht Banking unter Einbeziehung aller Parameter gar 56-mal mehr Energie als der Bitcoin (wobei Energie- und Stromverbrauch nicht gleichzusetzen sind).

Und während z. B. Gold- oder Erdölförderung, die kaum je derart im Fokus der Kritik stehen, IMMER umweltschädlich sind, ist das beim Bitcoin eben nicht zwingend der Fall:
Bitcoins können an derart entlegenen Orten geminet werden, z. B. mittels dort im Übermaß zur Verfügung stehender Energie vulkanischen Ursprungs oder heißer Quellen, dass deren Transport und die Nutzung für andere Zwecke aufgrund von Verlusten völlig unrentabel wären.
Solcherart geminete BTCs sind also zu 100%(!) 'klimaneutral'.

Desweiteren kann BTC-Mining zur Stabilisierung der Stromnetze und Verbreitung der Nutzung regenerativer Energiequellen beitragen, indem z. B. ansonsten übers Jahr hinweg gesehen unrentable PV-Anlagen (nur) in Zeiten des Energieüberschusses Bitcoins minen und erst dadurch insgesamt profitabel betrieben werden können.

Einen interessanten Artikel darüber, wie Bitcoin-Mining die Energiewende fördern könnte, findet sich auf dem "BitcoinBlog".

Für ebenfalls äußerst interessant halte ich die Idee, die Methan-Emissionen von Ölfeldern und Mülldeponien zwecks Gewinnung elektrischer Energie für Bitcoin-Mining so zu verbrennen, dass vergleichsweise deutlich weniger klimaschädliches CO2 entsteht.

Frau Esken, haben Sie und ihre Parteifreunde jemals mit jemandem gesprochen, der Bitcoin nicht automatisch verteufelt, sondern tatsächlich Ahnung von der Materie hat?

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