Zum Ursprungsort der Mühlsteine

muehlst.JPG

Heute soll es mal zum Herkunftsort von Mühlsteinen (der ehemals anerkannt besten in Deutschland) gehen. Der befindet sich im letzten Winkel Deutschlands, gelegen in Südosten in einem der kleinsten Mittelgebirge: im Zittauer Gebirge. Große Teile der Oberfläche bestehen aus Sandstein, einem Sedimentgestein. Der zeichnet sich nicht durch große Witterungsbeständigkeit aus. Wind, Regen und Eis machen ihm zu schaffen und nagen an ihm, wobei seltsame Gebilde entstehen. Stellvertretend hier die Kelchsteine:

kelchst.JPG

Wenn das Material nicht sonderlich fest ist, warum macht man dann Mühlsteine draus? Das damit gewonnene Mehl muss doch zwischen den Zähnen knirschen? Weshalb wurden dann diese Mühlsteine früher nicht nur quer durchs Land geschleppt, sondern bis nach Russland und England geliefert? Um das zu ergründen, bietet sich ein Ausflug in die ehemaligen Mühlsteinbrüche an. Die befinden sich in der Umgebung des Kurortes Jonsdorf, der direkt an der Grenze zu Tschechien liegt. Hin kommt man natürlich mit dem Auto. Reizvoller ist die Fahrt mit der Schmalspurbahn (meist dampfbetrieben) von Zittau aus. Derzeit (03/22) wird gebaut, bitte vorher informieren, wo Abfahrt ist. Die Mühlsteinbrüche selbst findet man mit den üblichen Karten südlich der Ortslage Jonsdorf im Wald. Bei Anfahrt mit dem eigenen Kfz bietet es sich an, auf Höhe des Freibades direkt an der Straße nach Oybin- Hain zu parken. Für den weiteren Weg sollte man Karten in einem brauchbaren Maßstab nutzen. Unter http://www.naturpark-zittauer-gebirge.de/de/files/muehlsteinbrueche_1.pdf kann man eine solche herunterladen, auch wenn sie nicht genau den hier beschriebenen Weg zeigt.

osm jonsd.jpg

Kartenquelle: OSM

Unsere Route dauert etwa 2 bis 4 Stunden. Das ist abhängig davon, wie viel Natur man sich links und rechts der Route und wie lange anschauen möchte. Ein Abstecher auf den Carolafelsen (mit wunderbarer Aussicht) kann da schon mal 20 min mehr bedeuten. Die Strecken können übrigens nicht sinnvoll mit dem Rad zurückgelegt werden.

Aber zuerst mal müssen wir hin. Vom Parkplatz am Bad aus geht es wenige Meter in südlicher Richtung die Straße entlang. Am renovierten Alten Zollhaus biegen wir nach rechts in den Holsteinweg ein. Auf Höhe der Hausnummer 29 führt links ein gut ausgeschilderter Weg bergan auf eine ebene Hochfläche namens Alter Sportplatz. Damit sind wir fast im Gebiet der Mühlsteinbrüche, von denen es vier gibt. Mit der Beschilderung hat man es gut gemeint, aber sie könnte sicherlich auch verwirren. Im Hintergrund sieht man allerdings eine hilfreiche Karte.

wegw.jpg

Wir nehmen den Weg, der links in den Berg führt und der uns zum ersten der Brüche, dem Bärloch, führen soll (grüner Diagonalstrich). Wer schon den ersten Teil der Wanderung nach Abbiegen vom Holsteinweg anstrengend fand, wird nun eines besseren belehrt. Es geht steil hinauf.

weg bl.JPG

Für die Mühen belohnt wird man mit einem Blick auf die Reste einer alten Rutsche, auf der die gebrochenen Rohlinge der Mühlsteine zu Tal befördert wurden. Nach einigen weiteren Höhenmetern gibt es links das Felsgebilde "Drei Tische" zu sehen. Naja, nicht ganz, von unserem Standpunkt sind nur zwei davon zu entdecken.

3tische.jpg

Die "Tischplatten" bestehen aus einem relativ harten Mineralgemenge namens Limonit und haben den darunter liegenden Sandstein vor Verwitterung geschützt. So entstand das Gebilde.

Kurz darauf befinden wir uns am Eingang des sogenannten Bärlochs. Hier begann um 1560 der Abbau der Mühlsteine und dauerte bis 1863 an. Das Bärloch ist damit der älteste Bruch der vier. Am Eingang findet sich ein Felsgebilde namens Mausefalle, das bei einem Felssturz Anfang des 20. Jahrhunderts entstand. Auch eine Skulptur gilt es zu finden (Tipp: links und erhöht).

skulpt.jpg

Daneben gibt es verschiedene Umwandlungsformen des Sandsteins zu sehen, die ihn für Mühlsteine erst brauchbar machten. Dazu später.

sandst1.JPG

Weiter geht es nach oben. Der geologisch interessierte Wanderer findet am Weg rechts noch das Spaltenkreuz (Ergussgestein und Sandstein). Eine Tafel bietet nähere Aufklärung. Nächste Station mit Aussicht ist rechts der Carolafelsen, zu dem ein ausgeschilderter Stichweg führt. Der Weg lohnt, von oben hat man weite Sicht auf die Umgebung. Wieder auf dem Hauptweg liegt bald rechts der Bruch am Weißen Stein als zweiter Mühlsteinbruch des Gebietes. Für den Fall einer wettermäßigen Überraschung: Im Bruch selbst steht eine Schutzhütte. Zu sehen gibt es Sandstein mit Gängen aus Phonolith (ein Ergussgestein). Im Verwitterungsschutt um die Hütte findet der aufmerksame Besucher sowohl Limonit (wir erinnern uns, die Tischplatten der Drei Tische) als auch Phonolit und Sandstein in verschiedenen Umwandlungsstufen.

Beim Rückweg aus dem Weißen Bruch schwenken wir nach rechts. Es geht erst mal weiter bergauf.

stiege.JPG

Der Steig führt uns zum Kellerberg. Dort gibt es einen Unterstand mit Sitzmöglichkeit, einen Aussichtspunkt (jedenfalls in der laubarmen Jahreszeit), eine ehemalige Pulverkammer für den Steinbruchbetrieb und bequem zu erreichendes geologisches Anschauungsmaterial. Und natürlich den Kellerbruch, der vorletzte Mühlsteinbruch auf unserem Weg.

Rechts des überdachten Sitzplatzes kann man einen Blick auf den Jonsberg werfen, an dessen Fuß wir geparkt haben.

jonsberg.JPG

Auf dem Rückweg zur Sitzgruppe (ca. 20 m) kann man in ca. 70 cm Höhe am Fels sehen, wie Sandstein sich gebildet hat und verwittert.

sandstein.jpg

Die Kurzfassung: Verwitternde magmatische Gesteine zerfallen u.a. zu Sand oder Kies in unterschiedlichen Korngrößen. Wird das Material nicht weiter transportiert, bleibt es scharfkantig, beim Transport im Wasser wird es abgeschliffen. Zwischen den Körnern lagern sich feinste Sedimente ab, die die Hohlräume füllen und den Sand zusammenbacken. Mit den kleineren Körnchen, die scharfkantig sind, ist der Zusammenhalt natürlich besser als bei runden Körnchen ohne großen Halt. Große Körner halten weniger zusammen als die kleinen. Und genau das sehen wir am Kellerberg direkt vor uns. Zwischen zwei Schichten kleinkörnigen Sandsteins gibt es eine annähernd horizontale Lage aus gröberen, abgerollten Kieseln. Und genau die ist wesentlich stärker verwittert als die umgebenden.

Wir folgen dem Weg weiter bergan, Richtung Steinbruchschmiede und des letzten und größten der vier Brüche, genannt "Schwarzes Loch". Links zweigt kurz nach Verlassen des Kellerberges ein Weg ab. Den merken wir uns, er wird für den Rückweg gebraucht. Aber zunächst geht es weiter geradeaus zur Steinbruchschmiede. Hier wurden für alle Brüche die Werkzeuge bearbeitet. Das Gebäude wurde 1951 wieder aufgebaut. Ca. 70 m hinter der Steinbruchschmiede befand sich übrigens ein weiteres betriebsnotwendiges Bauwerk: Das Schnapslager.

schmiede.jpg

Nun gilt es, einen Blick in das Schwarze Loch zu werfen. Das funktioniert sinnvoll nur von oben, denn das Innere des größten Bruches ist nur zu Veranstaltungen zu betreten, erfolgt über einen Tunnel und der ist im Normalfall verschlossen. Der Zugang zu diesem Aussichtspunkt besteht in Verlängerung des Weges, den wir gekommen sind. Es geht vorbei an einer weiteren Sitzgruppe und geradeaus in einen Stichweg. Am Ende wartet der Blick in den Bruch.

sl1.jpg

Noch einen kurzen Blick hinein

sl2.JPG

und dann gilt es zu unserem letzten Ziel erst mal ein bisschen zu laufen. Wir wenden also und gehen zurück Richtung Steinbruchschmiede. Auf der Hälfte des Weges zwischen Sitzgruppe und Schmiede zweigt rechts ein Weg ab. Den nehmen wir und folgen ihm bis zu einem Weg namens Orgelsteig. Unterwegs gibt es den Standort des ehemaligen zentralen Pulverhauses zu besichtigen. Auf dem Orgelsteig geht es, vorbei an einigen seltsamen Sandsteingebilden wie Nashorn und Bernhardiner

nashorn.JPG

bis ein Hinweisschild auf die Kleine und die Große Orgel nach rechts weist. Nach 15 Metern ist man da.

klorgel.JPG

Die Kleine Orgel

grorgel.JPG

Und die Große.

Gut. Ein paar Steinsäulen und ein zugegeben sehr schöner Ausblick.

orgel.jpg

Die Besonderheit besteht in den Steinsäulen. Basaltische Gesteine erstarren zu solchen Säulen, aber eben eigentlich kein Sandstein. Und die beiden Orgeln bestehen aus Sandstein. Sie entstanden, als magmatische Gesteine den Sandstein erhitzten. Bei der Abkühlung entstand die Säulenform. Es gibt in Mitteleuropa nichts vergleichbares.

Nun geht es zurück. Wieder vorbei an der Steinbruchschmiede und bis zur Stelle beim Kellerberg, auf die ich hingewiesen hatte. Hier verlassen wir den Weg, auf dem wir gekommen sind und es geht bergab, vorbei an einer erhaltenen Rampe zum Verladen der Steine. Irgendwann treffen wir auf den Flügelweg, wo wir nach links schwenken. Der Flügelweg mündet in die Straße "Am Kroatzbeerwinkel". Vorher gibt es noch eine Hinweistafel auf die Stelle der Endbearbeitung der Mühlsteine. Der Straße folgen wir und kommen nach kurzer Wegstrecke wieder zu unserem Parkplatz am Gebirgsbad.

Ausflug erledigt. Ach so, eine Frage wäre noch zu klären, wegen der wir eigentlich losgegangen sind: Was ist nun das Besondere an diesen Mühlsteinen? Ganz einfach. Der Sandstein, aus dem sie gebrochen wurden, ist kein "normaler" Sandstein mehr. Die Ursache ist eine ähnliche wie bei der Bildung des letzten besichtigten Felsgebildes, der beiden Orgeln. Nach Bildung des Sandsteines durchstießen im Verlaufe der Erdgeschichte magmatische Gesteine an verschiedenen Stellen den Sandstein und bildeten Gänge. Dabei wurde die Struktur des angrenzenden Sandsteins verändert. Es bildeten sich Poren. Durch einen 2 cm dicken Mühlsteinbrocken kann man Luft pusten, mit normalem Sandstein klappt das nicht. Auch die Festigkeit, vor allem die Abriebfestigkeit, werden verbessert. Und nicht zuletzt, die Gefügeänderung bewirkt auch, dass so ein Mühlstein "selbstnachschärfend" wird. Nicht alle Details der Entstehung der Mühlsteine sind wissenschaftlich geklärt, faszinierend sind die Vorgänge allemal.

H2
H3
H4
3 columns
2 columns
1 column
Join the conversation now