Wallstreetbet - Zeit zum Wundern

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Ich mag Überraschungen sehr. Es gibt nichts schlimmeres als wenn man schon aparthisch in seiner Ecke liegt, einem der Sabber aus den Mund läuft und man mit den letzten noch verbliebenen Hirnzellen die Zukunft vorher sehen kann, weil alles wieder einmal in seine gewohnten Bahnen läuft. Da kann man tatsächlich den Gottkaiser in Dune manches Mal miterleben.

Und dann sind da eben diese Tage bei denen man ständig neu überrascht wird. Auf sovielen Ebenen, dass ich gar nicht weiß, wo genau man eigentlich anfangen soll.

Kaum ein Thema rund um das Thema Börse hat in letzter Zeit so hart eingeschlagen wie Wallstreetbet. So sehr, dass sowohl Mainstreammedien, als auch Cryptoticker als auch ganz normale Arbeitskollegen darauf angesprungen sind.

Ein paar langweiligen Millenials infizieren sich mit irgend einen gefährlichen Cryptovirus und gröllen danach nur noch „TTM HOLD HOLD!!!!!!“ und beginnen eine dem Tode geweihte Aktie. Als ich vor einigen Tagen zuerst davon hört, rieb ich mir verwundert die Augen. Ein ganz normales Dump & Pump? Das hat man wirklich eine Weile nicht mehr gesehen und man muss bei so etwas auch vorsichtig sein. Eventuell gar eine illegale Preisabsprache? Aber wenn ja, wie soll man das am Ende auch nur Ansatzweise nachweisen?

Erst als ich die Shortpositionen des Unternehmens näher ansah brach ich in Gelächter aus. Ausgerechnet die ach so professionellen Hedgefonds haben massiv auf den Abverkauf gesetzt und sich vor lauter Gier die Hosen vom Leib gerissen in dem sie einfach mehr Aktien verkauften als es eigentlich gibt. Dadurch das die Masse nun immer weiter den Kurs antrieb, gab es durchaus ein sehr interessantes Kursmassaker.

Da weiß ich gar nicht wie ich das finden soll. Eigentlich ist eine solche Aktien absolut kindisch und für den eigenen Geldbeutel gefährlich. Auch finde ich nicht, dass „Leerverkäufer“ per se als böse angesehen werden sollten. Auch sie gehören zu einer ganz normalen Marktzersetzung. Wenn eine Geschäftsführung beginnt Luftschlösser zu bauen und ihre Drecksunternehme bis in den Himmel loben, dann ist es gut, dass jemand sich darum kümmert, dass die auf den Boden der Tatsachen geholt werden und nicht noch andere Unternehmen oder Anleger täuschen und über den Tisch ziehen.

Als Short Seller muss man aber eben auch genau wissen, was man tut. Das Wetten auf fallende Kurse ist nun einmal riskanter als sich als Bulle der Herde anzuschließen. Wie man am Fall Wirecard sehen konnte kann dies durchaus sehr rentabel sein und vor allem auch sinnvoll. Doch Hedges, die sich da soweit aus dem Fenster lehnen und dabei noch einen Strick umlegen um sich abzusichern, da muss man schon ein wenig staunen.

Und umso positiver bin ich am Ende auch dabei gestimmt, wenn die Kiddies eine solche Situation erkennen und zeigen, dass der Markt eben wirken kann. Halt dieses Mal nicht für die Großen, die sonst immer davon profitieren, sondern eben mal in die andere Richtung. Da ist absolut nichts verwerfliches dabei. Hätte man mich vor einer Woche gefragt, hätte ich ganz klar erwartet, dass sie damit scheitern werden. Aber man sollte nie die Macht des Netzes unterschätzen.

Obwohl ich gerne an der Börse unterwegs bin und weder gegen Hedges noch Leerverkäufer etwas habe, denke ich, dass Arroganz ein schlechter Lehrmeister ist und kann durchaus amüsiert zusehen, wenn das Pöbel mal nicht die Fenster ein schmeißt, sondern den Laden gleich komplett übernimmt. Immer wieder predige ich, dass gerade die Kleinanleger ihre Macht nicht unterschätzen sollen und ich für eine Demokratisierung des Aktienmarktes bin. In dem nicht wenige Große agieren, sondern am besten jeder Bürger ein Stück vom Kuchen sein eigenen nennt. Auch dies kann sehr helfen eine Gesellschaft zu stabilisieren.

In meiner Vorstellung wären das eher mal Öko-Leute gewesen, die sich gemeinsam verabreden um einen AKW-Betreiber Stückchenweise zu übernehmen und auf der Hauptversammlung für die Absetzung des alten Vorstandes votieren, damit einer eingesetzt wird, der regenerative Energien umsetzt. Getreu der Nonnen in den USA, die eine Waffenfirma übernommen hat. Aber gut, so geht es natürlich auch!

Die nächste Verwunderung war dann gestern die Sperrung der Neotrader. Ja sind die den bedeppert! Noch leichter kann man sich seiner Kundenbasis gar nicht verprellen als mit solchen Aktien. Solange alles regelkonform abläuft hat der handel frei zu laufen. Und das sage ich nicht nur, weil ich an der deutschen Börse investiert bin!

Warum mich die Sache so amüsiert? Weil sich zwei Fraktionen gegenseitig an die Gurgel gehen auf einem Spielfeld weit weg von meinem. Ich bin Investor und suche langfristige Anlagen. Spekulation ist nichts für mich und entsprechend verspüre ich weder FOMO noch irgend ein größeres Mitleid mit den Hedges. Ich kann getrost das Popcorn rauskramen und die Show genießen.

Und jeder von uns liebt am Ende die Geschichte von David gegen Goliath und umso mehr wenn dann der kleinere auch noch gewinnt. Dazu freut es mich, dass gerade die gebeutelten Millenials (wenn sie einigermaßen Smart sind) auch mal etwas einfahren können. Und vor allem freut es mich, dass endlich auch mal über die Börse geredet wird. Guck an, es ist auf dem Bankett nicht notwendigerweise immer langweilig! ;)

Es ist aus meiner Sicht nach vollkommen offen wie die Geschichte ausgeht. Wer mitmachen will, sollte das steht’s mit einem dem Risiko angemessenen Vermögen machen und nicht alles aufs Spiel setzen. Wichtiger als mitzuspielen ist aber IMHO eher an der Seitenlinie aufmerksam zu beobachten und an der Situation viel zu lernen. Bleibt ja auch eine gute Nachricht für die Hedges, die nun viel Geld für ihre Ausbildung gezahlt haben :D

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