Warum Städte und Gemeinden immer mehr agieren wie Unternehmen

In den politischen Diskussionen im kommunalen Bereich zeigt sich, dass der tiefe Einschnitt, den die neue „Doppik“-Buchführung in den (hessischen, von denen ist hier aus meiner Erfahrung heraus erstmal die Rede) Kommunen darstellt, gravierende Konsequenzen hat.

Was heisst das, „Doppik“?
Um das Jahr 2010 herum wurde es zum Standard, die Abrechnung der kommunalen Haushalte nach Art der Geschäftsbuchführung in den Unternehmen vorzunehmen. Diese Buchführung wird „Doppik“ genannt. „Doppik“ steht dabei als Abkürzung für die „Doppelte Buchführung in Konten“.

Klingt eigentlich erstmal harmlos. Ist es aber für den kommunalen Bereich nicht.

Die Kommunen rechneten ihre Einnahmen und Ausgaben früher „kameralistisch“ ab: Sie reihten, vereinfacht gesagt, im Jahresverlauf ihre Einnahmen und Ausgaben einfach aneinander. Da war es dann möglich und auch nicht selten Usus, dass man sich zum Beispiel sagte: Unser Schwimmbad, unser Jugendzentrum, die fahren zwar im Schnitt ein paar Hunderttausend Euro Defizit im Jahr ein. Aber das gleichen wir halt in jedem Jahr mit Steuereinnahmen aus. Wir sind ein Gemeinwesen. Wir unterstützen unsere sozialen Einrichtungen. Wir wollen sie erhalten.

So richtig transparent wurde diese Art der Querfinanzierung oftmals nicht. Kaum einem Bürger war früher bewusst, welches Defizit im Einzelnen etwa das Schwimmbad, der Kindergarten, die Feuerwehr der Gemeinde verursacht. Man war der Meinung: Das haben und brauchen wir sowieso. Das ist der soziale Standard, der unsere Kommune ausmacht. Also steht die Stadt, die Gemeindeverwaltung dafür gerade. Dafür zahlen wir schließlich Steuern.

Nun, mit der neuen „Doppik“, ist es heikler geworden, auf solche Weise sogenannte (das Wort kennt heute jeder Kommunalpolitiker und jeder Dorfreporter:) „Finanzlöcher“ zu stopfen.

Denn neuerdings, im Format der „Doppik“, führt die Kommune ihre Leistungen, wie zum Beispiel den Betrieb ihres Schwimmbades, als „Produkt“ im Haushalt auf. Das bedeutet: Das „Produkt“ Schwimmbad hat in der Haushaltsrechnung jetzt ein eigenes Konto. Auf diesem Konto erscheinen nun die schwimmbadbezogenen Einnahmen (zum Beispiel die Eintrittsgelder) wie auch die Ausgaben (zum Beispiel die Energiekosten). Gravierend ist: Diese Zahlen werden unter dem Strich in einer Ergebnisrechnung einander gegenüber gestellt. Heraus kommt, jederzeit benennbar, zitierbar, das rechnerische „Ergebnis“ des „Produkts“. Das ist dann zum Beispiel im Fall des Schwimmbades negativ. Die Einnahmen decken also die Kosten nicht. Das Gleiche gilt in der Regel für den Betriebes eines Kindergartens, oder eines Jugendzentrums.

Die „Doppik“ erklärt also viele wesentliche „Produkte“ eines städtischen Gemeinwesens zu Verlustbringern. Soziale Einrichtungen stehen im Format der „Doppik“ also permanent am Pranger.

Die Politik wird nun durch die betriebswirtschaftliche Kosten-/Leistungsrechnung der „Doppik“ ständig unter Druck gesetzt -also: dazu erzogen-, irgendwas zu tun, damit die Defizite sinken. Sie erhöht dann zum Beispiel die Gebühren für den Kindergarten, oder diskutiert von Jahr zu Jahr intensiver, ob man den „Verlustbringer“ Schwimmbad privatisieren oder gar schließen sollte.

Der öffentliche Diskurs, so wie er sich in der lokalen Politik verhandelt, und wie er vor allem in den Medien verhandelt wird, ist dabei gnadenlos. Die Vokabel „Schulden“ etwa ist in den letzten Jahren zum Totschlagwort Nr. 1 geworden. Wer irgend etwas politisch verlangt oder vorschlägt, das zu „Schulden“ führt, also, wem man das Wort „Schulden“ ans Bein pappen kann, der ist untendurch. Politiker_innen versuchen das also zu vermeiden.

Ihre Einnahmenseite wiederum, die versuchen die Kommunen durch die Flucht ins Offene zu verbessern:

Sie weisen seit Jahren, auf breiter Front, Gewerbegebiete noch und nöcher aus. Sie erschließen vormalige Äcker als Grundstücke für Neubaugebiete, und verkaufen diese teuer. Die Kommunen konkurrieren dabei offen um Investoren, schnappen sie sich sogar gegenseitig weg. Und die neue transparente „Doppik“-Betriebswirtschaft führte in den vergangenen Jahren zu durchaus sichtbaren Ergebnissen. Überall entstanden die typischen, großen neuen Lager- und Logistikhallen entlang der Autobahnen. Die vielen neuen Einkaufszentren. Die Landschaft draußen verändert sich. Während die Dörfer, die kleinstädtischen Zentren sich im Inneren leeren.

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