Das große Gaggern (Teil 1)

Heute plaudere ich mal wieder aus dem Nähkästchen.

Es geht zurück in die Zeit, als wir noch voll damit beschäftigt waren, uns in dem “neuen” Leben weit ab der Großstadt zurechtzufinden. Unbedingt dazu gehörte auch da der Blick in fremde Gärten und Besuche bei den Nachbarn, um herauszufinden, was es zu entdecken gibt und sich vielleicht lohnt ins eigene Programm aufzunehmen, in dem vorrangig die große Planlosigkeit regierte.

Absolut nicht ungewöhnlich in unserer Lebensplanung, da ja langfristige Vorbereitungen nur was für langweilige Spießer ist. Aber zumindest wussten wir, was es nicht sein sollte: Kühe und Schweine! Immerhin. Diese einsame Entscheidung wurde übrigens von der Frau getroffen, die immer weiß, was gut für mich ist. Die von ihr einstimmig getroffene Maßnahmen dabei auch nur ungerne im Nachhinein noch durchdiskutiert. Die plausible Erklärung gegen Kuh und Sau:
“Du trinkst keine Milch und ich esse kein Fleisch.”
Damit war die Sache vom Tisch. Aber einer Sau trauere ich heute noch nach.

Ganz anders sieht es aber bei den Tieren aus, die weder grunzen noch muhen aber dafür ab 5:00 Uhr am Morgen mit ihrem Gegaggere nicht nur Gott und die Welt, sondern auch mich wahnsinnig machen.
“Au ja, Wolfram, ein paar Hühner könnten wir doch halten. Dann hätten wir immer unsere eigenen Eier.”
“Die habe ich auch ohne Hühner.”
“Depp, komm wir holen uns Hühner.”
Das ist die Art und Weise, wie bei uns weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Dieser “Käse” war damit für meinen Hasenpfeffer gegessen.
Das Nächste, mit dem ich konfrontiert wurde, war eine detaillierte Zeichnung des Konstrukts, das später einmal Furore als Hühnerstall machen sollte. Dazu gesellte sich die entscheidende Frage:
“Wo bekommen wir überhaupt Hühner her?”
“Wenn dir die, die beim Metzger angeboten werden, zu ruhig sind, würde ich es mal auf der Hühnerfarm versuchen.”
“Die will ich nicht, die sind schon unter ganz schlechten Bedingungen geboren.”
“Hühner werden nicht geboren. Wenn die Gesetze der Natur sich nicht geändert haben, dann schlüpfen die noch immer.”
“Egal, ich will unsere eigenen Hühner!”
“Legst du die Eier oder engagierst du dir eine Leihmutter?”

Keine zwei Stunden später stand die Planerin unserer gemeinsamen Zukunft, grinsend wie ein Honigkuchenpferd, auf unserer Terrasse. Rechts unterm Arm einen Inkubator und in der linken Hand ein Paket mit Eiern (aus dem Bestand der Nachbarin).
“Wegen mir kann es losgehen!”
Soweit ich mich erinnere, suchte ich Zuflucht in der Sprachlosigkeit und beließ es dabei recht blöd aus der Wäsche schauen. Übrigens eine Fähigkeit, die ich im Laufe meiner Ehe fast bis zur Perfektion ausgearbeitet habe. (Das sei nur am Rande erwähnt.)

Jeder darf sich nun die Frage stellen, wo die künstliche Henne letztendlich ihren Platz fand? Genau! - Nämlich in unserem Wohnzimmer. Die Begründung: “Damit ich sie immer im Auge habe.”
Habt ihr gewusst, dass man mit Eiern auch reden sollte? Oder Eier im Inkubator keine laute Musik mögen? Und kein dummes Geschwätz! Vor allem nicht die Sorte Geschwätz, die meinen Mund verlässt. Ich bin jedenfalls informiert. Und wenn ich was weiß, gebe ich mein Wissen auch gerne an euch weiter.

Nach einer Woche bemerkte ich, dass von den ursprünglich 10 Eiern nur noch 7 die Wärmebehandlung genießen durfte. Die fehlenden 3 bestanden, wie ich erfahren durfte, nicht den Durchleuchtungstest. Ich hatte zwar keine Ahnung, was es mit dem Test auf sich hat, wollte jedoch auch nicht nachfragen, da ich damit nur erneut meine Ignoranz und Unkenntnis unter Beweis gestellt hätte. Am Großen Buch der Hühner, das mir ganz diskret auf meinen Schreibtisch gelegt wurde, konnten nämlich noch immer nicht meine Fingerabdrücke nachgewiesen werden.

Der 21. Tag!

So eine Aufregung hatte ich bei meinem Hasenpfeffer nicht einmal erlebt, als ich ihr einen goldenen Ring in Aussicht stellte. Der Tag der Entscheidung stellte alles davor Gewesene in den Schatten. Ich wartete lediglich noch auf die Aufforderung, doch endlich den grünen Kittel und einen Mundschutz überzuziehen. Mein Versuch, mich einfach still und leise aus dem Staub zu machen (Mann muss schließlich nicht überall die Nase dabei haben), scheiterte bereits im Ansatz.
“Du bleibst hier! Es kann ja schließlich sein, dass ich Hilfe brauche.”
“Wieso du, hast du mir die letzten 9 Monate was verschwiegen?”
Da ich auf die Bemerkung keine Antwort erhielt, war mir klar, dass ich nur als Staffage gebucht war.

Aber, oh Wunder, oh Wunder, im Brutkasten tat sich was. Ich weiß nicht mehr genau wann (dafür müsste ich die Hebamme fragen), doch plötzlich schaffte ein kleiner Schnabel sich durch die Schale zu picken. Kurze Zeit später krabbelte ein kleines, weißes Knäuel über den Schaumstoffbelag des Brutkastens. Eine halbe Stunde später wackelten bereits 3 Flattermänner zwischen den restlichen Eiern umher. Ich wunderte mich nur, dass man keine Nabelschnur durchtrennen und das junge Pack nicht abschrubben musste. Behielt jedoch meine Verwunderung, aus bekannten Gründen, für mich. Die Hebamme hätte mir sowieso kein Gehör geschenkt, da sie voll mit einem Ei beschäftigt war, in dem sich zwar was tat, aber die Schale nicht gebrochen wurde. Langsam machte sich im Kreißsaal Panik breit.

“Wolfram, was soll ich machen?”
“Wie beim Frühstücksei - einfach ein wenig oben drauf klopfen.”
“Jetzt habe ich wohl den Richtigen gefragt. Idiot.”
Das mit dem Idiot kam etwas mit Verspätung - kam aber noch!
“Dann hol dir eine Nadel und und mach ein kleines Loch.”
“Ja klar, und ganz nebenbei steche ich dem armen Ding in den Kopf. Sei jetzt einfach nur ruhig.”
Während ich in dem letzten Satz noch nach Ansätzen einer angedachten Logik suchte, schien im Inkubator der Eisprung doch noch zu funktionieren. Ein winzig kleines Löchlein war zu erkennen. Und doch entschied sich die Hebamme zum Kaiserschnitt. Mit etwas, was für mich aussah wie eine Nähnadel, wurde die Schale ganz vorsichtig geknackt. Von dem Moment an dauerte es vielleicht noch zehn Sekunden und das Problemkind (wahrscheinlich Steißlage, so meine angedachte Vermutung) stand da, schüttelte sich kurz und zeigte sein braunes Gefieder. 3 weiße und 1 braunes Exemplar. Das war die Ausbeute. Und dabei blieb es auch.

Teil 2 folgt in Kürze

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