Die Schwarze Sonne – Dokumentation von Rüdiger Sünner
Vor etlichen Jahren las ich „Hitler“ von Joachim Fest. Es war eine Biographie und gleichzeitig Dokumentation von akribischer Detailliertheit. Die Lektüre brachte mich nicht nur näher an die Person Hitlers, sondern auch an das damalige Deutschland und die Umstände, die letztendlich zu so einem historischen Fehltritt führten. Das fachte meine Neugierde an und in den folgenden Jahren las ich was ich in die Finger kriegen konnte.
Abgesehen von den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Hintergründen blieb immer ein Rest an Unerklärtem übrig. Was bedeutete denn eigentlich das Herrenmenschentum, das tausendjährige Reich, die Symbolik und der Bezug zu den Ritualen, Feierlichkeiten und Verehrung der Ahnen? Wie passt denn dieser Mystizismus zur knallharten Politik und dem Krieg? Waren die Deutschen mit über 400 Jahren Aufklärung im Rücken nicht schon längst über solche Spinnereien hinweg? Wieso wurde das Hakenkreuz als Symbol der NSDAP verwendet – ein uraltes Symbol gefunden im fernen Osten, sowie auch den alten Runen? Spielt der Okkultismus eine Nebenrolle, oder hat dieser mehr Macht über das Weltgeschehen, als wir uns in unserer Ratiohörigen Zeit eingestehen wollen?
[Cover der DVD-Link gibt's weiter unten]
Die Frage nach der Nazi-Ideologie
Die Frage ob Ratio oder Okkultismus eine Antwort geben kann braucht hier nicht beantwortet zu werden, denn das würde nur zu endlosen und unfruchtbaren Diskussionen führen. Viel interessanter ist es die Tatsachen ins Visier zu nehmen und selber herauszutüfteln, wie denn der mit dem Weltbild Hitlers und seiner Gefolgen eng verwobene Okkultismus/Mystizismus so gewaltig in das Weltgeschehen eingreifen konnte. Und ob der Mensch vom Brot alleine wirklich nicht lebt.
Da ist mir dann auch vor ein paar Jahren eine Dokumentation von Rüdiger Sünner in die Hände gefallen, die ich uneingeschränkt empfehlen kann. Sie behandelt das Thema der Vorkriegszeit, des nationalsozialistischen Weltbildes, der Sehnsucht der Menschen nach Sinn und letztendlich die leeren Versprechungen eines ewigen Reiches für die siegreichen Herrenmenschen, die nur in der totalen Niederlage endete.
Rüdiger Sünder nimmt uns in seiner persönlichen und ruhigen Art auf seine Reise mit. Angeregt durch die Lektüre eines Buches – „The Occult Roots of Nazism“ von Nicholas Goodrick-Clark – fühlte er sich veranlasst tiefer zu recherchieren. Und es tat sich erstaunliches auf. Wir, als Zuschauer, werden jetzt in knappen, aber sehr informativen Streifzügen, durch die okkulte Welt der Nazi-Ideologie mitgenommen. Angefangen bei den „Urvätern“ einer wissenschaftlich längst widerlegten Germanen-Ideologie, lernen wir Guido von List kennen, der in seiner romantischen Sehnsucht nach einer eigenen germanischen Ideologie in Streifzügen durch Wald, Wiese und alten Ruinen eine eigene, stark verzerrte, aber die eigene Sehnsucht befriedigende Neu-Mythologie ersinnt. Das seine Arbeiten einer eingehenden Prüfung nicht standgehalten haben ist nebensächlich. Bezeichnend ist, wie in dem damals herrschenden Vakuum im deutschen Selbstgefühl nach jedem Strohhalm gegriffen wurde, der den Menschen wieder Sinn, Stolz und Ehre vermitteln konnte. Guido von Lists Werke hatten einen großen Einfluß auf den ebenso sehnsüchtelnden Hitler.
[Quelle: http://www.magistra-historia.sk/film-heinrich-himmler-profil-masoveho-vraha/]
Himmler als Reinkarnation König Heinrichs I.
In diese ganze Neu-Mythologie reihten sich eine ganze Schar weiterer angeblicher Forscher, Hellseher und Okkultisten ein. Zusammen schufen sie eine Weltanschauung, die noch heute in Teilen ungeprüft in der Esoterik-Szene übernommen ist. Seien es die göttergleichen Wesen, die in der Nordsphäre herabstiegen und als Ur-Arier gesehen werden, die Seelenwanderung oder die überholte Bedeutung des Blutsverwandtschafts- oder Erbschaftslinien-Okkultismus. Das nationalsozialistische Weltbild erfuhr durch Menschen wie Adolf Lanz, Rudolf von Sebottendorf oder Karl Maria Wiligut eine eigenartige, geradezu verzerrte Grundlage, was aber kein Grund war nicht übernommen zu werden. Vielleicht eben gerade weil die Sehnsucht nach Erhöhung so groß war nahm man was man konnte.
Interessant ist zu bemerken, daß Heinrich Himmler sich selbst für die Reinkarnation König Heinrichs I. hielt. Er gründete eine Gruppe von zwölf Offizieren um sich, die gemeinsam Meditationen, okkulte Rituale und astrologische Arbeiten führten, um die nächsten Schritte auf dem Weg zum tausendjährigen Reich zu legen. Er selbst würde sich in einen Kerker einsperren lassen um in tiefer Trance mit seiner vorherigen Inkarnation (König Heinrich I.) sich zu beratschlagen.
[Quelle faz.net]
Wenn alte Ordnungen vergehen entsteht ein Vakuum
Das Deutschland der damaligen Zeit erlebte den Zusammenbruch alter Ordnungen. Es war auch gedemütigt durch den verlorenen ersten Weltkrieg. Den Menschen ging es schlecht, es gab keine starke Führung, und zur Eigenständigkeit gab es damals wie heute keine Pädagogik. So suchten die Menschen nach Weltanschauungen, die ihnen Halt und Geborgenheit geben konnten. Einen höheren Sinn für ihr Leben. Und da nicht jeder mit ausgezeichnetem Wissen und Urteilsvermögen auf die Welt kommt, sondern erst aus Erfahrung und Kontemplation lernt, übernahmen viele auch krude Anschauungen, die in der Not plausibel klangen. Da hinein gehört auch die Feindbildgenese, das Versagen der Demokratie, der Sozialismus, Kapitalismus oder die Rassenvermischung … klingt doch irgendwie bekannt, oder? Dazu kommt, daß in der stark mythisch geprägten Ideologie, die Feindbilder gebraucht wurden um einen Kampf zu führen, der die Sehnsucht nach der eigenen Erhöhung nährte. Bezwingt man das Niedere (falsche), findet man Bestätigung in dem eigenen Weltverständnis (das richtige).
[https://denkbonus.wordpress.com/2012/10/01/das-schone-an-katastrophen/digital-camera/]
Sind wir heute wirklich besser dran?
Nehmen wir diese Gedankenketten und tragen wir hinein unsere Ideale von heute. Was immer sie sein mögen. Absolutes Glück durch Schönheit, Reichtum, Anerkennung oder überspitzt ausgedrückt: der neoliberalistische Narzissmus. Suchen wir in dem Vakuum unserer heutigen Welt nach den Führerpersönlichkeiten, denen wir freiwillig unser Geld und unsere Daten geben. Fragen wir uns ob wir so eigenständig sind um dem Irrsinn einer entgleisten Welt unsere Menschlichkeit entgegenhalten zu können. Haben wir aus der Geschichte gelernt, oder wiederholen wir nur das, was unsere Groß- und Urgroßeltern schon getan haben? Sind wir wirklich bessere Menschen geworden, wenn wir Veganer sind, uns selbst verwirklichen wollen, weniger Müll produzieren, Minimalismus praktizieren, oder sind wir nur einem nicht erkannten iKult verfallen?
Mag die Welt heute nicht von kruden, falsch zusammengesetzten Mythologien beherrscht sein. Aber wir haben immer noch unsere falschen Götter, denen wir unhinterfragt und wie in Trance hinterherlaufen. Das goldene Kalb und seine Heerscharen an im Rausch der Egomanie verirrten Anhänger, immer auf der Suche nach dem größeren Glück, dem größeren Kick. Und während wir atemlos der Befriedigung durch Kurzweiligkeit nachrennen braut sich vor unserer Tür der nächste Weltenbrand zusammen.
Diese Doku gibt Gedankennahrung und hilft eine weitere Perspektive zu schaffen.
Mehr Informationen gibt es hier: http://www.ruedigersuenner.de/schwarze%20sonne.html
Die Doku kann auch auf Youtube gesehen werden, aber ich plädiere dafür den Filmemacher zu unterstützen mit dem Erwerb einer DVD. (Ich kenne weder Rüdiger Sünner, noch erhalte ich Provision)
Nachtrag
Dieses Thema birgt einiges mehr an Potential und ich hoffe noch einiges ausführen zu können. Vielleicht besteht ja ein Interesse daran diese Geschichtsepoche aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten.