Fremdenverkehr 1960 - ich muss meinen Senf dazu hinterlassen

Wenn du etwas zu Steem oder ähnlichem lesen willst, muss ich dich enttäuschen. Werde hier einmal wieder über ein anderes Thema schreiben. Den Fremdenverkehr in Bayern. Auslöser dazu war die untere Dokumentation vom BR.



Bilder und Realität

Wenn ich an die Geschichten meiner Großeltern und Eltern zurückdenke, stimmt diese Dokumentation mit der Realität überein. Ich komme Ursprünglich aus dieser südostbayrischen Grenzregion. Geld war nie wirklich da, die Berge haben das Leben bis vor etwa 100 Jahren vor allem zu einer Herausforderung gemacht. Nutzfläche war nicht genug vorhanden und was da war, war durch Jahrhunderte des Erbens und Aufteilens unter den Söhnen kaum nutzbar. Eine wirkliche Besserung brachte erst eine Flurreform in den 60iger oder 70iger Jahren. Aber es kam immer mehr ein anderes Thema, der Tourismus. Um die Jahrhundertwende kamen die ersten Touristen und belegten die Zimmer, in denen früher Knechte lebten, die durch neue Maschinen nicht mehr notwendig waren.

Dann kamen noch zwei Weltkriege dazu, viele vor allem kleine Höfe standen nach diesen 30 Jahren vor dem Ende. Viele dieser Höfe haben auf Söhne als Arbeiter und Erben gesetzt, von denen viele entweder gefallen oder als Krüppel zurück gekommen sind. Die Großbauern wurden teilweise zurückgestellt oder hatten genug Geld um diese Zeit zu Überbrücken.

Neben den Bauern kam eine andere Gruppe hinzu, die dringend auf diesen Zuverdienst angewiesen war. Flüchtlinge aus dem Osten. Vielen von ihnen wurde Land zugeteilt, auf dem sie Häuser bauen konnten und dabei wurden extra weitere Zimmer mit eingeplant, um die Schulden aus dem Hausbau durch den Fremdenverkehr abzuzahlen.

Während der Saison zogen z.b. meine Großeltern aus ihrem Schlafzimmer aus und schliefen mit meiner Mutter und ihren Brüdern in einem Zimmer, um möglichst viele Zimmer vermieten zu können. Hauptgrund waren die Schulden die mein Urgroßvater hinterlassen hat. Er war Sanitäter an der Westfront und wurde beim Versuch einen Kameraden zu retten schwer Verwundet. Er hat am Ende einen Orden dafür bekommen, den Kameraden doch noch zu retten aber einen Preis bezahlt, er verlor ein Bein und hatte mehrere Schusswunden, die er nur notdürftig versorgen konnte und bis zu seinem Lebensende Probleme mit sich brachten. Leider war er auch der einzige Sohn der aus dem Krieg lebend heimkam und die nächsten Jahre versoff er alles, was er irgendwie verdiente, nahm Kredite auf und hinterließ einen Berg an Schulden. Ohne den Fremdenverkehr hätten meine Großeltern den Hof verkaufen müssen, nach Jahrhunderten im Familienbesitz.

Der Fremdenverkehr hat die Region in den letzten 100 Jahren gerettet aber er hat keine große Zukunft mehr. Ich könnte zwar ohne Probleme selbst damit weitermachen, wie es Tradition ist wird man als Kind früh mit eingespannt. Betten beziehen, abziehen, Handtücher auswechseln, Frühstück herrichten oder die Meldescheine für das Fremdenverkehrsamt zum Amt bringen. Aber es lohnt sich nicht, die Leute sind inzwischen so Anspruchsvoll, dass man effektiv 1/3 des Jahres umbauen und modernisieren muss. Dazu kommt, dass gut 50% der Arbeit durch An- und Abreise entstehen. Bis vor 20-30 Jahren war es normal, 7-14 Tage am Stück an einem Ort Urlaub zu machen. Heute sind es nur noch wenige Tage. Zum einen entsteht hierdurch viel Arbeit, aber man ist auch nicht ausgelastet. Die Investitionen lohnen sich nur, wenn die Saison ausgebucht ist. Aber das wird immer schwerer. Dazu kamen Plattformen wie Booking.com usw. die immer höhere Provisionen verlangen. Aber um es noch schöner zu machen, kommt noch der Staat dazu. Fremdenverkehr ist ein Thema, in dem viel Geld ohne Effekt ausgegeben wird. Dazu kommen immer höhere Anforderungen. Die kleinen Vermieter sterben weg. Wer bleibt sind die Hotels.

Und dazu kommen noch andere Nebeneffekte. Die Leute kommen und erwarten ein Paradies. Ja die Natur ist schön aber man will auch von irgendwas Leben. Viele Grundstücke gehen als Zweitwohnung an irgendwelche Münchner oder Berliner. Arbeitsplätze außerhalb des Tourismus und Handwerks gibt es kaum. Und in beidem verdient man nicht viel. Was bleibt sind Traditionen aber dafür Interessieren sich immer weniger. Die Welt wurde kleiner und es gibt viele Alternativen zur Traditionspflege. Anders als erwartet, rennt kaum einer Regelmäßig in Tracht rum. Die meisten besitzen nicht mal mehr eine.

Mal schauen wie es in weiteren 70 Jahren mit dem Tourismus aussieht. Mit dem was man im Film sieht, hat der Tourismus von heute nicht mehr viel zu tun.

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