Medien 004 - Studie zum Thema Vernetzung alternativer und etablierter Medien

28. Juni 2017

Vor einigen Tagen wurde auf eine Studie hingewiesen, die im Rahmen einer Bachelorarbeit [1] an der Universität durchgeführt wurde. Diese wurde von Josef Holnburger, einem in Hamburg lebenden Studenten, in Zusammenarbeit mit Andreas Hartkamp durchgeführt. Josef Holnburger erwähne ich deswegen zuerst, weil er auf seinem Blog [2] einige Ergebnisse der Arbeit vorgestellt hat [3].

Es ging in der Arbeit darum, die Vernetzung etablierter und alternativer Medien auf der Plattform Facebook zu untersuchen. Die Studie hat im alternativmedialen Bereich ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen, unter anderem hat sich Oliver Janich [4] in einem recht langen Video von Minute 18:40-29:00 zu dieser Studie geäussert. Er hat die Studie wegen eines nur auf dem Blog vorhandenen Verweises auf die anonyme Plattform «psiram», ehemals «EsoWatch» pseudowissenschaftlich genannt [5]. Ich persönlich mag «psiram» nicht besonders. Die Seite im Wiki-Stil wird anonym betrieben und behauptet von sich, in den Themen Esoterik, Religion, Gesundheit ihren Lesern zu mehr Realismus zu verhelfen. Dass Oliver Janich die Seite nicht mag, ist unschwer nachzuvollziehen, gibt es doch einen umfangreichen Eintrag über ihn [6], in dem er selbstverständlich als Verschwörungstheoretiker bezeichnet wird.

Janichs Einschätzung mit dem Vorwurf der Pseudowissenschaftlichkeit, kann ich so nicht unbedingt teilen, weil ich finde, dass die Studie ein klares Ziel hatte und dieses erfüllt hat. Dazu fand ich die Ergebnisse nachvollziehbar und hätte bei einer spontanen, eigenen Einschätzung wohl ähnliches erzählt, natürlich ohne entsprechende Fundierung durch gesammelte und interpretierte Daten. Einen Verweis auf «psiram» findet man in der Arbeit [1] nicht, den gibt es nur im Blogartikel, der die Arbeit webtauglich vorstellt.

Die Hauptaussage aus der Studie war, dass alternative Medienseiten auf der Plattform Facebook viel homogener vernetzt sind, als etablierte Medien. Ein Ergebnis, das mich nicht im geringsten verwundert. Wer sich die Sache kurz logisch überlegt, merkt, dass etablierte Medien auf Facebook zwar keinen Vorsprung in Sachen längerer Existenz vorweisen können, diesen aber durchaus von aussen mit auf die Plattform brachten.

Holnburger klein.png

Abbildung einer Vernetzungsgraphik, wie sie die Autoren der Bachelorarbeit erstellt haben [7].

Als Bilddatei kann man das Vernetzungsbild der Alternativmedien [7] unter dem Blogartikel [3] bekommen, interaktiv findet man sie unter [7]. Die meistvernetzten Plattformen sind KenFM, Mahnwachen in Deutschland, Wissensmanufaktur.net, NachDenkSeiten, Der Infoblog, Wacht Auf, Christoph Hörstel und RT Deutsch. Auch wenn mir davon nicht alle bekannt sind, kann man sehen, dass die Auswahl eher gering ist und sich nicht allzuviele Akteure auf diesem Spielfeld tummeln. Der zuvor genannte Oliver Janich ist im Netzwerk auch abgebildet, seine Seite gehört aber nicht zu den meistbesuchten, respektive gelikeden.

Auch wenn es in Deutschland meines Wissens keine Zeitung mit richtig langer Tradition gibt, existieren die meisten heute überregional bekannten Blätter seit über 60 Jahren, die meisten entstanden unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Folgejahren, natürlich unter alliierter Supervision. In der Schweiz präsentiert sich die Mediensituation etwas anders, die meisten Zeitungen haben eine sehr lange Tradition, die zumeist bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Die international wohl bekannteste Schweizer Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), existiert sogar seit 1780. Eine lange Zeit der Existenz und eine entsprechende Verankerung hilft auch bei der Etablierung einer offiziellen Seite auf einer zur absoluten Massenplattform gewordenen Netzwerkseite wie Facebook. Dazu decken umfangreiche Zeitungen mit grossen Redaktionen wie etwa die genannte NZZ praktisch alles ab, was man täglich berichten kann und bringen dazu viele Reportagen und Hintergrundberichte.

Dass eine Untersuchung wie die von Holnburger und Hartkamp zu Tage fördert, dass etablierte gegenüber alternativen Medien viel heterogener organisiert und untereinander weniger vernetzt sind, verwundert mich auch nicht. Die entsprechende Graphik [8] findet sich ebenfalls im Blogartikel [3]. Diese wurde aber nur als Bilddatei und nicht als interaktive Karte veröffentlicht (vielleicht habe ich sie aber auch nicht gefunden, Anm.). Zeitungen treten in der Regel mit dem Anspruch auf, das für den durchschnittlichen Leser relevante Tagesgeschehen plus einige zusätzliche Rubriken zu bringen. Wer seine Zeitung in wesentlichen Teilen liest, hat sich in der Regel einige Zeit damit zu beschäftigen und wird, so er ansonsten einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, nicht mehr allzuviel Zeit für das Studium weiterer Medien übrig haben. Ein Querlesen durch verschiedene Medien wird er vielleicht bei ihn besonders interessierenden Themen praktizieren. Generell dürfte es aber so sein, dass die Menschen, die ihre Zeitung gefunden haben, dieser auch bei Facebook folgen und nicht unbedingt noch weitere hinzunehmen.

Bei alternativen Medien ist das anders. Dort gibt es für die meisten Gebiete keine grössere Vielfalt an Sachverständigen. Es gibt auch kaum ein alternatives Portal, das für sich in Anspruch nimmt, ähnlich viele Themen abzudecken wie eine Tageszeitung. Wer sich alternativ einigermassen umfassend informieren möchte, kommt also nicht darum herum, mehrere Webseiten zu konsultieren. Im gesamten deutschsprachigen Raum gibt es bisher keine dezidiert alternative Zeitung. Eine einzelne solche wird es wohl auch nie geben, denn dazu sind die alternativen politisch wohl zu sehr zerstritten. Es gibt erstens wertkonservative, oft gleichzeitig wirtschaftsliberal eingestellte Menschen, die ihre Position in den etablierten Medien wenig repräsentiert sehen. Als zweite typisch-alternative Orientierung kann man die radikal-freiheitliche Einstellung bezeichnen, die auch libertär (engl. libertarian) oder anarchistisch genannt wird. Diese beiden Überzeugungen haben einiges an Überlappungen, allerdings auch klare Gegensätze. Als dritte alternative Orientierung findet man eher links-sozial und marxistisch eingestellte Menschen, die ihrerseits mit der Sozialdemokratie nicht wirklich kompatibel sind. Zahlenmässig sind diese den zuvor genannten meiner Einschätzung nach mindestens ebenbürtig. Für mich ist die Enttäuschung vieler Linker von der Sozialdemokratie verständlich, da für mein Empfinden viele Sozialdemokraten in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie es eher für lästig als für eine Tugend halten, sich für wirklich Bedürftige Wähler einzusetzen, stattdessen kümmern sie sich lieber um ihr Fortbestehen als Eliteverein und ihre Privilegien, unter anderem durch eine verdächtige Nähe zu einigen Grosskonzernen oder sie erklären vor allem Ausländer zu Bedürftigen und vernachlässigen die Einheimischen.

Sollte es in Zukunft grössere alternativmediale Publikationen geben, müssten sich diese sich wohl an Zielgruppen orientieren. Ich bin mit dem bestehenden Angebot aber nicht unzufrieden und sehe die Vielzahl an Portalen nicht als Nachteil. Denn, würde sich ein Medium grosses Medium herausbilden, wäre dieses massivem Druck von aussen ausgesetzt. Von den etablierten Medien, aber auch von staatlicher Seite, insbesondere dann, wenn es sich um freiheitlich orientierte Publikationen handelt, die den Staat schon vor längerer Zeit zum Hauptgegner der individuellen Freiheit und Selbstverwirklichung erkannt hat.

Die Abgrenzung, die Josef Holnburger in seinem Blogartikel [3] beschreibt, die es zwischen alternativen und etablierten Medien geben soll, verwundert mich nicht im geringsten. Auch diese augenscheinlich wenigen vorhandenen Verbindungen, Xavier Naidoo ist eine der wichtigsten, hat Holnburger graphisch dargestellt.

Warum verwundert mich das Ergebnis nicht? Von beiden Seiten wird aktiv an der Abgrenzung gearbeitet. Etablierte Medien wollen kaum mit alternativen zu tun haben und achten sehr darauf, dass es nicht oder nur wenig zu Zusammenarbeit kommt. Es wird auch darauf geachtet, Konsumenten alternativer Medien in ein negatives Licht zu rücken und als solche zu bezeichnen, die den Glauben an abstruse Theorien der Kenntnisnahme von Fakten vorzögen.

Die zumeist finanziell nicht besonders üppig ausgestatteten Alternativmedien suchen ihrerseits nach Alleinstellungsmerkmalen und versuchen, ihr Angebot zu bewerben. Dazu müssen sie sich in ihren Themen besser darstellen, als es andere sind. Sie sind verpflichtet, andere Dinge als der Mainstream zu bringen, dies entsprechend zu bewerben und auch ihren Lesern ein bestätigendes Gefühl zu vermitteln. Diese Leser werden aus den etablierten Medien eher ausgegrenzt, weshalb es aus alternativer Sicht sicherlich sinnvoll ist, diesen ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln.

Aktuell sehe ich in der Vernetzung von etablierten und alternativen Medien ein grosses Potential. Ich selber zitiere in meinen Artikeln, deren Inhalt ich eher zum alternativen Bereich zähle, meist aus Artikeln, die bei etablierten Medien erschienen sind. Wenn beide Bereiche besser vernetzt sind, funktioniert die Abgrenzungstaktik weniger gut. Es mag zwar sein, dass Leuten wie mir von alternativer Seite vorgeworfen wird, dass ich sie verrate, das finde ich aber weniger prickelnd, als wenn man den Etablierten sagen könnte, dass alle Medienkonsumenten und Portale so eng vernetzt sind, dass sie sich kaum mehr als eigenständige oder heterogene, vielfältige Seiten verkaufen können und auch die alternativen Medien eng mit ihnen verknüpft sind. Weniger wegen der Inhalte, sondern wegen der Vernetzung, die eine Separation in anständige Menschen und Medienkonsumenten und verdächtige Spinner erschwert.

Abschliessend noch eine Ergänzung zu Verschwörungstheorien. Ich habe mit solchen nicht grundsätzlich ein Problem. Denn, eine Verschwörung ist eine geheime Absprache von mindestens zwei Menschen. Täglich treffen Millionen von Menschen geheime Absprachen untereinander, von denen die meisten nicht das Kriterium einer bösartigen Verschwörung erfüllen. Bösartige Absprachen zum Schaden anderer gehören aufgedeckt, um den Schaden gering zu halten. Um eine Verschwörung nachweisen zu können, braucht es Hypothesen, also eine Theorie, dass die Verschwörung existiert. Jeder Ermittler oder auch investigativ tätige Journalist, kommt kaum um das Aufstellen solcher Hypothesen herum. Dass meine Aussage nicht generell gilt, sollte sich von selbst verstehen. Denn es ist schon nicht dasselbe, wenn ich eine Verschwörungstheorie mit einigem Wissen und wirklich klugen Fragestellungen und Spekulationen nahelegen kann oder ob ich mir eine besonders abenteuerliche Version weitgehend selber ausdenke und mich kaum um Realitätsnähe kümmere.


[1] Verschwörungstheorien und soziale Netzwerke: Gegenöffentlichkeit 2.0? Bachelorarbeit von Josef Holnburger und Andreas Hartkamp, Universität Hamburg, Fachgebiet Politikwissenschaft, WS 2016/17
http://holnburger.com/Bachelorarbeit-Verschwoerungstheorien_und_soziale_Netzwerke.pdf
[2] http://blog.holnburger.com/
[3] Nachrichten aus dem Paralleluniversum: Wie sich Verschwörungstheoretiker auf Facebook vernetzen. Blog Holnburger, 07. Juni 2017
http://blog.holnburger.com/?p=301
[4] Neofaschistische Denunzianten zensieren mich auf Facebook: Das System im Todeskampf. Oliver Janich, 12. Juni 2017

Janich bezieht sich auf folgenden Artikel: https://www.ruhrbarone.de/nachrichten-aus-dem-paralleluniversum-wie-sich-verschwoerungstheoretiker-auf-facebook-vernetzen/143257
[5] https://www.psiram.com/
[6] https://www.psiram.com/de/index.php/Oliver_Janich
[7] Die Vernetzung der alternativen Medien auf Facebook.
Interaktiv: holnburger.com/blog/graphs/VT-Nonmodular/network/index.html
Bilddatei gross:

[8] Die Vernetzung der etablierten Medien auf Facebook.

[9] Überlagerung der Vernetzung alternativer und etablierter Medienseiten auf Facebook.
Interaktiv: http://holnburger.com/blog/graphs/VT-MM-Nonmodular/network/index.html
Bilddatei:

H2
H3
H4
3 columns
2 columns
1 column
Join the conversation now
Logo
Center