Ideologie 030 - Gedanken zu Revolutionen

21. Mai 2017

Seitdem ich im Internet Webseiten mit alternativmedialem Inhalt konsultiere, bin ich wiederholt auf Inhalte gestossen, in denen eine grosse Frustration mit der heute vorherrschenden Ordnung oder dem System kundgetan wird. Damit verbunden werden in den meisten Fällen Wünsche geäussert, wie es besser, geordneter und gerechter zuginge und auf welchem Wege dies erreicht werden kann. Nicht selten wird gesagt, es müsse den Leuten zuerst ganz schlecht gehen, bis sie für eine Veränderung bereit seien, um dann via eine Revolution für die Installation einer neuen Ordnung zu sorgen. Eine Vorstellung, die ich für sehr trügerisch und ziemlich naiv halte.

Denn zuerst einmal muss festgehalten werden, dass jemand, der sich eine solche Revolution hin zu einer neuen Ordnung wünscht, in Kauf nimmt, dass viele Menschen, um für die Revolution bereit zu werden, erst einmal einen Niedergang erfahren müssen. Dies hat ernsthafte Konsequenzen, bis es dem Menschen wirklich reicht mit der vorherrschenden Ordnung dürfte die Not so gross sein, dass bereits erste Menschen aufgrund von Hunger und Unterversorgung sterben werden. Auch dann ist nicht klar, ob es in einer grossen Notlage noch genügend Menschen gäbe, die die Energie aufbrächten, um sich gegen die Herrschaftsstruktur aufzulehnen. Oder ob sich die grosse Resignation breitmacht, bis die Obrigkeit selbst erkennt, dass sie mit einem in Not und Entbehrung versinkenden Volk keinen Blumentopf mehr gewinnen kann.

Sehr wichtig im Bezug auf Revolutionen in der Geschichte ist zu verstehen, dass die Bereinigung mit der sogenannten Revolution nicht vollzogen war. Jede Revolution startet mit guten oder mindestens gut formulierten Prinzipien, wobei die Revolutionsführer meist darin scheitern, die von ihnen gewollte Dynamik bis zum Ende durchzuhalten und es zu empfindlichen Rückschlägen kommt. Es handelt sich um das Phänomen, das als "die Revolution frisst ihre eigenen Kinder" bekannt ist. Insbesondere bei den beiden grössten Revolutionen der Menschheitsgeschichte, der französischen und der russischen, kam es in der Folge zu ungeheuren Massakern an Millionen von Menschen, Hungersnöten und weiteren Krisen. Die Menge an Werten, die dadurch zerstört wurden, spottet eigentlich jeder Beschreibung.

Ganz wichtig zu beachten in Bezug auf Umstürze und Revolutionen ist die Tatsache, dass jede Revolution auf Energiezufuhr, sprich ausreichende Versorgung mit finanziellen Mitteln, angewiesen ist. Dass diese Versorgung, wenn sie nicht von den Revolutionären selber getragen werden kann, durch eine notleidende, sich geradezu am Abgrund befindende einfache Bevölkerung geleistet werden könne, ist eine Illusion. Vielmehr dürfte es so sein, dass sich reich Begüterte, am besten für ihre Gesundheit noch dazu im fernen Ausland wohnhafte Menschen oder beheimatete Institutionen, durch die Revolutionäre einen Vorteil für sich selber erhoffen und eine Revolution deswegen unterstützen.

Was nie unterschätzt werden sollte, sind die Dynamiken, die in einer Revolution entstehen und die nur wenig gesteuert werden können. Es sei denn, man sitzt selber an einem sicheren Ort, hat beste Kontakte und eine Menge an Ressourcen. Eine ganz wichtige Ressource ist auch das Vorhandensein von Führungsfiguren. Soweit mir bekannt, hat in Revolutionen selten das Volk selber seine Vision formuliert, vertreten und umgesetzt. Die Parolen wurden durch Führungspersonen und ihre Assoziierten weiterverbreitet.

Um die Dynamiken einer Revolution noch etwas deutlicher zu veranschaulichen, kann ich ein Beispiel aus der Chemie beschreiben. Wenn einem eine Reaktion aus dem Ruder läuft, sich ein "Run-Away" anbahnt, ergeben sich unmittelbar Konsequenzen. Wird die kritische Situation im Anfangsstadium erkannt und abgewendet, geht die Sache meist glimpflich aus. Wird die Gefahr als riesig erkannt und nur noch davongerannt, werden garantiert massive Schäden entstehen. Spontan ablaufende Reaktionen in der Chemie sind energetisch gesehen exotherm, laufen also unter der Freisetzung von Wärme ab. Kommt ein Prozess in einen kritischen Bereich, üblicherweise durch mangelhafte Kühlung, erwärmt sich die Reaktionsmischung. Eine Erwärmung bedeutet in der Regel einen rascheren Ablauf der Reaktion, nach Faustregel etwa Faktor 2 pro 10 °C. Dazu wird sich der Druck erhöhen und mit weiterer Erwärmung werden weitere Prozesse stattfinden bis hin zu Zersetzungsprozessen, die des öfteren in der Freisetzung von gasförmigen Produkten resultieren, die gegenüber flüssigen zwar etwas besser komprimiert werden können, aber ein rund tausendfaches an Volumen benötigen. In der Chemie richtet man sich also am besten so ein, dass man einen "Run-Away" möglichst zu verhindern versucht. Die Idee, es könnte doch bestimmt interessant sein, zu sehen, was denn in der Situation erhöhter Dynamik genau geschieht, verwirft man aus Sicherheitsgründen am besten bereits im Voraus. Vor allem dann, wenn man nicht ein (sicheres) Umfeld geschaffen hat, das es erlaubt, die gefährliche Situation in einem kleinen, weniger gefährlichen Massstab zu testen.

Delacroix E - La liberté guidant le peuple.jpg
Ein Gemälde von Eugène de la Croix (1798-1863) [1] über die französiche Juli-Revolution [2], die im Juli 1830 stattfand. Der Titel des Bildes lautet "La liberté guidant le peuple", was übersetzt "die Freiheit leitet oder führt das Volk" bedeutet. Meine Beobachtungen zeigen mir indes ein anderes Bild der Freiheit. Für mich ist Freiheit kein wirklich fassbarer Begriff. Eine Institutionalisierung dieses Begriffs, wie es der Bildtitel für mein Empfinden nahelegt, halte ich für kaum möglich. Für mich ist Freiheit das, was durch die freigesetzte Lebenskraft im einzelnen Menschen zustandekommt. Wer es hinbekommt, seine Lebenskraft wirklich freizusetzen wird automatisch den Wunsch nach grösstmöglicher Unabhängigkeit in sich tragen und alles daran setzen, diese Unabhängigkeit aus sich selbst heraus und für sich zu realisieren. Die Quelle der Freiheit liegt für mich in einem selber. Sie liegt nicht in eine Projektion nach aussen, mit der Veränderungen in Politik und Gesellschaft formuliert und angestrebt werden. Die Projektion nach aussen sollte erst dann zustande kommen, wenn in einem selber eine grosse Freiheit Realität geworden ist.


Abschliessend eine kurze Betrachtung eines Aspekts der heute vorherrschenden Situation. Wer mit offenen Augen durch sein Leben geht, wird viele Dinge erkennen, in denen es nicht besonders gerecht zugeht oder an Ordnungen scheinbar alternativlos festgehalten wird, obwohl sie für den Einzelnen nachteilig sind und nichts mit natürlich gewachsenen Ordnungen zu tun haben. Das beste Beispiel dafür ist ein Finanzsystem, das monopolistisch, respektive kartellwirtschaftlich gestaltet ist und deswegen über längere Zeiten zwangsläufig eine Reihe von Verzerrungen hervorbringen muss. In der heutigen Zeit sind längst eine Reihe dieser Verzerrungen in der Realität angekommen. Ein Beispiel sind rekordniedrig festgelegte, natürlich nicht im Markt zustande gekommene, Zinssätze bei gleichzeitigen Höchstständen der Verschuldung und des Risikos für Zahlungsausfall. Um solche Verzerrungen irgendwie ausgleichen zu können, werden seit einigen Dekaden wiederholt drastische Massnahmen ergriffen, bei denen im Zweifelsfall der Pragmatismus eindeutig über die Gesetzestreue dominiert.

Abschliessend zu den Gedanken zum Geldsystem möchte ich sagen, dass es für mich offensichtlich ist, dass sich das altbekannte System aus Zentralbanken mit Fähigkeit zur Festlegung von Leitzinssätzen, dazu einem sehr stark regulierten Banken- und Versicherungssektor soweit in seinen unnatürlichen Strukturen verheddert hat, dass daraus keine neue Öffnung und Freiheit zu erwarten ist. Diese erwarte ich vielmehr durch elektronisches Geld, das zwar im einzelnen auch nicht nur vorteilhaft konstruiert sein muss, aber dem einzelnen Menschen wenigstens eine Wahlmöglichkeit ausserhalb des nationalen und supranationalen Schuldgeldes bietet.

Fazit: Ich glaube an Evolution und daran, dass kleine Schritte zum besseren viel nachhaltiger und erfahrbar besser sind, als der Versuch, überstürzt grosse Schritte zu tätigen.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Eug%C3%A8ne_Delacroix
Das Bild ist aufgrund seines Alters gemeinfrei und wurde unter [3] gefunden.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Julirevolution_von_1830
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Revolution

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