Ideologie 024 - Christliche Organisationen gegen "Hetze"

31. März 2017

Auf der Facebook-Seite der Caritas Deutschland wurde diese Woche ein Video unter dem Titel 8 Tipps gegen rechte Parolen veröffentlicht [1]. Der Inhalt zeigte folgende Aussagen, die auf der Webseite der Caritas näher ausgeführt wurden [2]:

Was tun, wenn andere hetzen?

  1. Auf deine Haltung kommt es an
  2. Versuche zu verstehen, warum jemand hetzt
  3. Bringe dich nicht in Gefahr
  4. Konzentriere dich auf ein Argument
  5. Frage nach den Quellen
  6. Sorge für einen Perspektivwechsel
  7. Stelle dich auf die Seite der Betroffenen
  8. Bereite dich gedanklich vor

Was stört mich daran?

Zunächst stört mich an der Sache, dass in einer anderen politischen Einstellung, die in völligem Einklang mit der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland usw. gelebt werden kann, ein Grundübel gesehen wird. Auf dieser rechten Seite werden allgemein Leute vermutet, die nichts besseres zu tun haben, als gegen alle wehrlosen Opfer unserer Zivilisation Hetzjagden zu betreiben, diese zu diffamieren, die Schuld an ihren Unzulänglichkeiten stets auf diese Opfer zu schieben usw. Vergessen sind offenbar die klassisch linken Hetzjagden auf reiche Ausbeuterkapitalisten, auf Christen oder die in der Zukunft unausweichlich zu überwindende bürgerlichen Gesellschaft, die Bourgeoisie.

Ich will nicht bestreiten, dass in letzter Zeit eine unfassbare Menge an unsinnigen Kommentaren und Leseraussagen unter Zeitungsartikeln und bei Facebook erscheinen. Sehr oft werden 1-2-zeilige Aussagen geschrieben, die praktisch nur Beleidigungen enthalten, die aber nicht erklärt werden und auch sonst lässt die Werthaltigkeit stark zu wünschen übrig. Ich frage mich dann jeweils, ob diese Menschen einfach Dampf ablassen und andere provozieren wollen oder ob sie wirklich nicht besser mit anderen interagieren können. Was diesbezüglich Sache ist, weiss ich bisher nicht, aber das Niveau ist augenscheinlich tief und einer Zivilisation aus kompetenten, eigenverantwortlichen Menschen unwürdig.

Zweitens stört mich an der Sache, dass gerade auch angesichts des christlichen Hintergrundes der Caritas, in keinem von diesen 8 Tipps auf die Wahrheit hingewiesen wird. Auch in einem weiteren Video des Bistums Essen wird die Wahrheit nicht erwähnt [3]. Stattdessen wird offenbar davon ausgegangen, dass Aussagen, die von anderen als hasserfüllt bewertet werden, generell falsch sein müssen. Mich verwundert das, denn sowohl richtige als auch falsche Aussagen können in jedem beliebigen Tonfall ausgedrückt werden. Für mich ist die Bewertung wahr oder falsch der des Tonfalls eindeutig übergeordnet. Das Nichterwähnen der Wahrheit im Kontext von Hassrede vonseiten der Caritas lässt mich stark vermuten, dass es den Verantwortlichen dort und denjenigen, die gegen HassredeTM ganz entschieden vorgehen möchten und auch nicht davor zurückschrecken, im gleichen Zug die für eine Demokratie fundamental wichtige Meinungsfreiheit gleich mitzuversenken, mehr um ihr eigenes Wohlgefühl als um die Wahrheit geht. Was daran genau christlich sein soll, erschliesst sich mir nicht. Der Religionsstifter des Christentums, Jesus Christus, hat die zentrale Wichtigkeit der Wahrheit ganz klar angesprochen und sich selber "Weg, Wahrheit und Leben" [4] bezeichnet.

In einer absichtlich hasserfüllt gehaltenen Rede oder einem solchen Text sehe ich allgemein wenig Zweckdienlichkeit, da man damit bestenfalls die Leute erreichen kann, die schon mit einem im Boot sitzen. Damit neue Leute zu erreichen, ist sehr schwierig. Wenn ich einen Artikel in meinem, wie ich finde, anständigen Schreibstil veröffentliche, kann ich nicht völlig ausschliessen, dass jemand in diesem einen Hass auf irgendetwas zu erkennen glaubt. Dem kann ich mich nur durch Schweigen entziehen. Mich trifft es allerdings stärker, wenn mich jemand einer echten Falschaussage überführt, als wenn der Tonfall bemängelt wird.


Mein Kommentar auf der Caritas-Facebookseite


(Anmerkung: Das Thema Islamisierung habe ich oben gar nicht angeschnitten, in der Diskussion auf Facebook kam es oft vor, weswegen ich ein Paar handfeste Daten angefügt habe.)

In diesem Thread wurden sehr emotionale Diskussionen geführt. Was mich gerade aus christlicher und freiheitlicher Sicht an den geäusserten stört, möchte ich hier anfügen.

Zunächst ist es für mich ganz wichtig, ob Aussagen objektiv unter Ausschluss jeglicher Ideologie und jeglichen Wunschdenkens wahr oder falsch sind. Für mich ist der Wahrheitsgehalt von Aussagen unendlich viel wichtiger als die Art, wie diese zum Ausdruck gebracht werden. Im Christentum finden sich eine ganze Reihe von Aufrufen zur Wahrheitstreue. Je nach sprachlicher Fähigkeit des Sprechenden wird diese vielleicht scharfzüngig, elegant, holprig oder ungeniessbar oder hässlich in die Welt gebracht. In Deutschland gibt es zwei Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die eine ist Volksverhetzung, die andere Rassendiskriminierung. Ich teile Menschen nicht nach ihrer Herkunft und Ethnie ein, nehme jedes Individuum an, allerdings muss ich aber zugeben, dass es für eine positive Interaktion ratsam sein kann, um kulturelle Prägungen und Klischees zu wissen. Keinem Menschen auf diesem Planeten wünsche ich etwas schlechtes.

Mir ist es lieber, die Menschen haben weitgehende Rechte, genau das auszusprechen, was sie denken. Ich bin für maximale Meinungsfreiheit. Das macht Diskussionen viel ehrlicher und die Teilnehmer berechenbarer, als wenn man den Menschen versucht, in dieser Hinsicht Vorschriften machen zu wollen. Im Anfangsstadium mag das vielleicht noch gut gemeint sein, später ist die Gefahr aber sehr gross, dass sich die Menschen die Schere in den Kopf setzen und hemmungsloses Lügen und Verdrehen zum Standard werden.

Mir ist es lieber, ein pathologischer Hasser von andersartigen Mitmenschen (anderer Glauben, politische Ansicht, Herkunft usw.) sagt seine Meinung genau so wie sie in seinem Kopf herumgeistert, als dass er listig, mit zuckersüsser Lügenzunge die Menschen zu manipulieren versucht und erst dann sein wahres Gesicht zeigt, wenn er in eine Machtposition gekommen ist.

Aus freiheitlicher Sicht hat man kein Recht, seine Mitmenschen zu schädigen, das sind Formen von Gewalt zu denen keiner ein Recht hat, unabhängig davon, ob man Individuum oder Kollektiv ist. Die Schädigung eines anderen ist immer Diebstahl an dessen Integrität und Würde, wobei es immer wichtig ist, den Urheber eines Unrechts zu finden, weil man gegen Unrecht immer das Recht hat, sich dagegen zu wehren, auch als Christ.

Hier gab es auch den Zankapfel Islamisierung ja oder nein. Islamisierung ist ein sehr plakativer Begriff, weil von den Angstmachern suggeriert wird, Deutschland werde in den nächsten 5 Jahren ein islamischer Gottesstaat werden, was natürlich nicht wahr ist. Nun, ich habe mal Zahlen zu finden versucht. Im Economist wurde 2016 [5] von 3'000 Moscheen in Deutschland gesprochen. In der Welt 2008 [6] von 206 Moscheen plus 120 in Bau/Planung und 2'600 Bethäusern gesprochen. 1994 gab es gemäss Statista [7] 143 klassische Moscheen in Deutschland, über Gebetsräume habe ich nichts gefunden. Der Trend zeigt aktuell klar ein Wachstum der islamischen Gemeinde [8] (umgekehrt zum Christentum), aber das kann auch sachlich dargelegt werden. 1972 gab es in Deutschland ca. 500'000 Muslime, 2000 2 Mio., 2007 3,3 Mio., 2015 4,3 Mio. [9], wobei etwa 2 Millionen das Deutsche Bürgerrecht besitzen [10]. Wie damit umgegangen werden soll, muss das deutsche Volk demokratisch entscheiden, ich als Schweizer werde mich da raushalten.


[1] https://www.facebook.com/caritas.deutschland/videos/10155128172948194/
[2] https://www.caritas.de/magazin/schwerpunkt/neue-gefahr-von-rechts/8-tipps-gegen-rechte-hetze
[3] Caritas: Was tun gegen Hatespeech? CaritasimRuhrbistum, 01. März 2017

[4] Bibel, Johannes 14, 6:
6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.
7 Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.
https://www.bibleserver.com/text/LUT/Johannes14
Bibel, Matthäus 10, 32-42:
32 Wer nun mich bekennt vor den Menschen, zu dem will ich mich auch bekennen vor meinem Vater im Himmel. 33 Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel. 34 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. 35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. 36 Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. 37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. 38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert. 39 Wer sein Leben findet, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden. 40 Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. 41 Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, der wird den Lohn eines Propheten empfangen; und wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, der wird den Lohn eines Gerechten empfangen. 42 Und wer einem dieser Kleinen auch nur einen Becher kalten Wassers zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist, wahrlich, ich sage euch: Er wird nicht um seinen Lohn kommen.
https://www.bibleserver.com/text/LUT/Matth%C3%A4us10
[5] http://www.economist.com/news/europe/21703296-tensions-rise-turkey-they-spill-over-germany-old-faultlines
[6] https://www.welt.de/politik/article2606235/Wie-viel-Moschee-vertraegt-das-Land.html
[7] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36948/umfrage/anzahl-der-moscheen-und-kirchen-in-deutschland/
[8] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/72321/umfrage/entwicklung-der-anzahl-der-muslime-in-deutschland-seit-1945/
[9] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76744/umfrage/anzahl-der-muslime-in-deutschland-nach-glaubensrichtung/
[10] https://en.wikipedia.org/wiki/Islam_in_Germany

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