Was ist Postwachstum bzw. degrowth?

Die ökologische Kritik der Degrowth-Bewegung

kamiel79@ pixabay

Die Inspiration, diesen Blog zu starten, bekam ich durch den Vortrag "Degrowth is coming - be ready to repair" aus dem Jahr 2019 (Lecture-Eintrag vom Event-Wiki, Video).

Darin stellen Anja Höfner und Nicolas Guenot vom Konzeptwerk Neue Ökonomie e. V.die Degrowth-Bewegung, also die ökologische Kritik und ihre Gegenmodelle vor.

Für diesem Beitrag habe ich das Wichtigste aus dem ersten Teil des Vortrages zusammengefasst:

  • Was ist Degrowth?
  • Welche Strömungen gibt es?
  • Welche Effekte und Mechanismen unseres Wirtschaftens führen zur Verselbständigung des Wachstumsgedankens?

Was ist Degrowth?

Degrowth steht für einen Transformationspfad hin zu Formen des Wirtschaftens und der gesellschaftlichen (Selbst-)Organisation, in denen das Wohlergehen aller im Zentrum steht und die ökologischen Lebensgrundlagen erhalten werden. Dies schließt eine grundlegende Veränderung von der alltäglichen Praxis im Umgang miteinander und einen umfassenden kulturellen Wandel ebenso ein wie eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise mit ihren Wachstums-, Wettbewerbs- und Profitzwängen. Quelle

CPL Sam Shepherd/NZ Defence Force Crown Copyright 2011, NZ Defence Force – Some Rights Reserved

Welche Strömungen gibt es?

Degrowth ist der Sammelbegriff für verschiedene Strömungen innerhalb einer Bewegung:
Allen gemeinsam ist eine ökologische Kritik am bestehenden Wirtschaftssystem, also der Erhalt der ökologischen Lebensgrundlage sowie die Veränderung unserer alltäglichen Praxis und die Überwindung von kapitalistischen Produktionsweisen.

1. Ökologische Kritik, Kritik an Wirtschaftswachstum
Die generelle Kritik am Wirtschaftswachstum besteht darin, dass es menschliche Lebensgrundlagen zerstört und ökologisch nicht nachhaltig sein kann. Wir können kein unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten haben. Es gibt keinen zweiten Planeten, auch wenn es vielleicht praktisch wäre.

2. Globale Gerechtigkeit, Süd-Nord-Kritik
Das Wirtschaftswachstum in den Ländern des globalen Nordens geht generell mit einem peripheren Status der Länder des globalen Südens einher. Sie werden als abhängige Rohstofflieferanten genutzt und zur Versorgung mit billigen Arbeitskräften ausgebeutet.
Bei Degrowth geht es um globale Gerechtigkeit, sowohl auf ökologischer als auch sozialer Ebene und das ist bei der Produktion und Entsorgung, aber auch der Nutzung von digitaler Technik längst nicht gegeben.

3. Feministische Kritik am Wirtschaftswachstum
Ihre These lautet, dass das bisherige Wachstumsregime auf einer Abwertung und Ausbeutung von Reproduktionsarbeit (Pflege, Erziehung, Haus.arbeit) basiert, die meist weiblich konotiert ist und häufig von Frauen erledigt wird. Das Wachstum profitiert von
ungleichen Geschlechterverhältnissen und bringt diese auch immer wieder neu hervor.

4. Kapitalismuskritische Strömung
Sie kritisiert, dass Wachstum auf kapitalistischer Ausbeutung und Akkumulation beruht und deswegen nicht unabhängig von ihnen verstanden und verändert werden kann. Deswegen vertritt sie die Ansicht, dass eine emanzipatorische Postwachstumsgesellschaft eine postkapitalistische sein muss.

5. Kulturelle Kritik
Die kulturelle Kritik beschäftigt sich mit Entfremdungsprozessen und Steigerungslogiken, die Menschen verinnerlicht haben. Sie untersucht, wie Menschen von Steigerungs- bzw. Optimierungslogiken geformt werden und damit selbst zu Wachstumstreibern werden, also immer mehr und produktiver und alles schneller machen wollen.


Photo by CEphoto, Uwe Aranas

Welche Effekte und Mechanismen unseres Wirtschaftens führen zur Verselbständigung des Wachstumsgedankens?

1. Rebound-Effekt
Gemeint ist die Effezienzsteigerung eines Geräts oder einer Technologie, die zwar dazu führt, dass wir weniger Energie verbrauchen, aber auch dazu, die "gesparte Energie" an anderer Stelle wieder aufzuholen.

z. B.

  • höhere Nachfrage nach dem gleichen Gut
  • mehr Kapital --> mehr Ressourcenkonsum
  • weniger Ressourcenkonsum --> höhere Nachfrage

2. Entkopplung
Hinter der Entkopplung steckt die Idee, dass die Wirtschaft weiter wächst, ohne dass der Ressourcenverbrauch steigt. Bei der Idee der Dematerialisierung (z. B. durch Digitalisierung) wird häufig die materielle Basis der digitalen Geräte vergessen. Es gibt keine digitale Dienstleistung ohne eine materielle Infrastruktur dahinter.

3. Netzwerk-Effekt
Der Netzwerk-Effekt beschreibt, wie sich der Nutzen aus einem Produkt für einen Konsumenten ändert, wenn sich die Anzahl anderer Konsumenten dieses Produkts erhöht. Da ich mehr davon habe, wenn ich Technologien nutze, die viele andere auch nutzen, akkumuliert sich die Macht auf wenige Tech-Konzerne wie z. B. Facebook. Die Kehrseite dieser Machtkonzentration ist, dass sie (wie auch die hohen Einstiegskosten) die Bildung von Alternativen erschwert/blockiert.

Dieser Blogbeitrag ist die deutsche Version von @degrowth/ecological-criticism-of-the-degrowth-movement by @degrowth.

Bildquellen
1kamiel79@ pixabay
2 Attribution 3.0 New Zealand (CC BY 3.0 NZ), Sam Shepard, NZ Defence Force.
3 CC BY-SA 3.0
4 114768867 © Artur Balytskyi | Dreamstime.com)

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