Literatur am Sonntag #4 - "Gegen die Liberalen" von Armin Mohler

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Die Identitären sind in letzter Zeit in aller Munde. Sie besteigen Bahnhofsdächer und das Brandenburger Tor, veranstalten tausend Mann starke Demonstrationen in ganz Europa und schicken gar Schiffe ins Mittelmeer, die sie durch Crowdfunding finanzieren und mit denen sie sich den Frachtern der vermeintlich humanitären NGOs in den Weg stellen wollen.

Dementsprechend groß ist das Interesse an ihrer Bewegung, ihren Meinungen und ihrer Sicht auf unsere Welt. Wem der (neue) Youtube-Kanal von Martin Sellner nicht genug Information bereitstellt, der wird sich auf die Suche nach identitärer Literatur begeben. Eins der Standardwerke, auf das Sie dann stoßen werden, ist ein 2010 erschienenes Kaplaken-Bändchen von Armin Mohler, das den Titel „Gegen die Liberalen“ trägt und eine erweiterte Neuauflage eines 1988 erstmals erschienenen Bandes mit dem Titel „Liberalenbeschimpfung“ ist.

Der Autor Armin Mohler (1920-2003) beginnt im ersten Kapitel damit, einen Blick auf das eigene politische Lager zu werfen und zwischen harmlosen und ernsthafteren Rechten zu differenzieren. Erstere gäben als ihren Feind die Kommunisten an, Vertreter einer Ideologie also, die, so Mohler, in entwickelten Volkswirtschaften ohnehin nicht Fuß fassen könne. Letztere aber sähen in den Liberalen ihren Erzfeind und würden somit an die Wurzel des Problems gehen. Denn Liberale, so klärt der Autor seine Leser auf, seien „der Feind, der bereits innerhalb der Burg agiert und unsere Abwehr so weich macht, dass der äußere Feind eindringen kann“. Schön und gut, denkt man sich an dieser Stelle, aber wer sind denn in den Augen Mohlers nun diese Liberalen? Wie definiert er diesen Begriff?

Er fährt fort und bringt Liberale mit den Begriffen „Freiheit“ und „Toleranz“ sowie dem „Recht auf Kritik“ in Verbindung. Doch auch hier werden weder Definitionen präsentiert noch Erklärungen mitgeliefert. Stattdessen heißt es im darauf folgenden Abschnitt: „Was ich den Liberalen nicht verzeihe, ist, dass sie eine Gesellschaft geschaffen haben, in der ein Mensch danach beurteilt wird, was er sagt (oder schreibt) – nicht nach dem, was er ist.“ Der eingangs noch interessierte Leser bleibt mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn zurück.

Und dieses Fragezeichen wird auch mit der weitergehenden Lektüre nicht verschwinden. Denn dort lernt man, dass die Sowjetunion eine der liberalsten Verfassungen der Welt hatte. Ebenso sei die Schweiz liberal, jedoch verweist Mohler auf einen Zwischenfall in Zürich zur Zeit der Niederschrift, bei dem Schaufenster eingeschlagen wurden, und stellt die Frage, ob nicht auch dort der Liberalismus im Niedergang sei. Ist Liberalismus also die Abwesenheit eines Polizeistaates, der solche Handlungen verhindert? Ist es der Verfall von Werten und Sitten? Hat der Autor überhaupt eine Definition für diesen vermeintlich so gefährlichen Gegner des Abendlandes parat oder zählt er lediglich Vorfälle und Entwicklungen auf, die ihm zuwider sind, und lastet sie alle dem in seiner Bedeutung so vage bleibenden „Liberalismus“ an?

Unter der Überschrift „Das Drei-Uhr-morgens-Denken“ lernt man folglich noch, dass Liberale an Selbstüberschätzung leiden. Sie würden das, was sie im Kopf hätten, „mit der Welt als Ganzer identifizieren“. Übersetzt heißt das, dass es für Armin Mohler einer Arroganz gleichkommt, wenn man sich mit Hilfe seines Verstandes Gedanken über die Strukturen der eigenen Gesellschaft macht, Fehler identifiziert und diese beseitigen möchte.

Natürlich darf auch das beliebteste aller Strohmann-Argumente nicht fehlen: das des atomaren Individualismus. Das Individuum, das von Familie und Freunden, Kultur und Herkunft, abgetrennt sei, existiere höchstens um drei Uhr in der Früh, wenn es aufwache und alles um es herum noch schlafe. Wenn man nun die Begriffe, die man verwendet, konsequent und klar definieren würde, würde man merken, dass diese Art des „Individualismus“ eine so realitätsfremde ist, dass sie kaum von vielen Menschen geteilt werden kann. Natürlich hat jeder Mensch eine Familie, Freunde, eine Sprache und eine Kultur, in der er aufwächst und die ihn prägt. Und natürlich besteht die Position eines Individualisten nicht aus der Leugnung dieser offensichtlichen Tatsachen. „Woran glaubt der Individualist denn dann?“ ist eine Frage, zu der Mohler nicht mehr kommt. Warum auch? Er hat die Karikatur seines Gegners zerrissen und schreitet in selbstgefälliger Manier zum nächsten Kapitel.

Es folgen Ausführungen zur Mafia in New York, zu Wettkämpfen im alten Griechenland und dem russischen Gulag, die allesamt einen tieferen Erkenntnisgewinn vermissen lassen. Was letztlich nach der Lektüre dieses Büchleins bleibt, ist Verwirrung. Sofern man es versäumt hat, die Unklarheiten des Textes zu erkennen, klappt man das Buch vermutlich mit erhöhtem Blutdruck zu und ist gewillt, gegen diese Liberalen ins Feld zu ziehen, ohne dass man über eine Begriffsklärung verfügt, anhand derer man bestimmen kann, wer denn nun liberal ist und wer nicht. Zu sehen ist dies sehr gut in den sozialen Netzwerken. Wenn Sie die Identitären dort ausfindig machen, werden Sie sehen, dass sie sich sehr einig darin sind, dass Individualismus und Liberalismus bekämpft gehören. Ebenso schlecht sei der Fortschritt – und der Konsum erst!

„Okay, okay, aber was wollt ihr denn konkret?“ mag eine Frage sein, die einem da in den Sinn kommt. Aber da denken Sie schon zu viel nach. Sie wissen doch: Die Welt ist so komplex, dass ein einzelnes Individuum sie unmöglich verstehen kann. Also konzentrieren Sie sich lieber auf die Tradition, die Religion und die Mystik – und hören Sie gefälligst auf, alles mögliche zu hinterfragen!

Armin Mohler - Gegen die Liberalen / Liberalenbeschimpfung

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