Mein Kampf gegen die Angst (Part 2)

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Der Gang zur Therapeutin war für mich nicht einfach, denn damit machte ich mir und meinem Umfeld klar, dass ich ein Problem hatte, dass ich nicht alleine bewältigen konnte. Ich war trotzdem okay damit und freute mich auf die bevorstehende Veränderung, die ich erwartete.

Vorab hatte ich mich durch einige Bücher gelesen und Techniken entwickelt um aus der Panik herauszukommen. Besonders einige Atemtechniken haben mir geholfen.

Nach einigen Therapiesitzungen, bei der vermutlich weltbesten Therapeutin, erarbeiteten wir endlich das eigentliche Problem und konfrontierten mich immer wieder mit der Angst.

Was soll ich sagen?

Geheilt sein werde ich wohl nie. Noch heute überfallen mich aus heiterem Himmel Panikattacken, wie aus dem Nichts. Doch ich weiß, wie ich damit umzugehen habe und kann mein Leben so angehen wie zuvor auch. Es gibt Phasen, in denen kommen diese blöden Attacken häufiger und Zeiten, in denen sie nicht da sind.

Ganz weggehen werden sie vielleicht nicht, aber der Schlüssel für mich war, sie zu akzeptieren und mit ihnen zu leben.

Besonders ein Erlebnis, das ich durch meine Panikattacken erleben durfte, lässt mich bis heute immer wieder neue Kraft schöpfen....

Konfrontiere dich mit deiner Angst, ja das hat die Therapeutin gesagt. Manchmal gar nicht so einfach.

Ein Kurzurlaub stand an. Die Oma meines Freundes feierte einen runden Geburtstag und wir waren eingeladen. Ich würde das erste Mal auf seine Großeltern und Verwandten treffen. Ich freute mich riesig. Doch eins machte mir Angst.

Wir mussten dafür nach Polen fahren.

Ich googelte zuvor panisch die Route, auch ein Nachteil meiner Panikattacken. Ich steigerte mich immer mehr in die Angst hinein. 737 km. Das war für mich der absolute Horror.

Als Kind bin ich mit meinen Eltern jedes Jahr in den bayrischen Wald gefahren. Aber meine Eltern sind mir vertraut, das hier war für mich eine andere Nummer.

Wir sollten mit dem Stiefvater meines Freundes nach Polen fahren und auf dem Rückweg würden wir seine Mutter und den Hund mitnehmen. Die Beiden sind mir sehr vertraut und ich liebe sie, genauso wie sie mich. Doch der Umstand mit so vielen Leuten in einem Auto zu sitzen, machte mich schier wahnsinnig.

Würde ich das Essen mögen?
Wie verständige ich mich?
Klappt alles auf der Fahrt?
Wird die Panik wieder Kontrolle über mich bekommen?

Meinem Freund vertraute ich meine Angst nicht an, aber ich bin mir sicher, er spürte, dass ich aufgeregt war.

Einen Tag zuvor besorgte ich noch für viel Geld eine digitale Spiegelreflexkamera um besonders schöne Fotos von seinem Opa machen zu können. Der ist immerhin über 90 Jahre alt und wer weiß, wann wir so in der Formation noch einmal zusammen kommen würden.

Am Abend vor der Abreise spürte ich jedoch, dass es mir nicht gut ging. Mir war übel und ich bekam Magenschmerzen und Schweißausbrüche, sobald ich an die Fahrt dachte.

Am nächsten Morgen verließen wir unsere Wohnung und ich war kurz davor zu sagen:

,,Lass mich hier.“

Doch ich wollte unbedingt nach Polen, also zog ich es durch.

Wir fuhren von Kiel nach Fehmarn, um dort in das Auto vom Stiefpapa umzusteigen.

Auf Fehmarn angekommen, musste ich zur Toilette, mein Kreislauf sackte mir weg, ich bekam Magenkrämpfe und die Situation wurde immer schlimmer.

Ich begann zu weinen.

,,Ich will unbedingt mit, aber ich traue mir in dem Zustand die Fahrt nicht zu. Ich pack es nicht.“

Die Freundin meiner Schwiegermutter sah mir an, dass es mir nicht gut geht und riet mir zu Hause zu bleiben.

Nein, das konnte ich meinem Freund nicht antun. Also stieg ich in das Auto und ab ging die Fahrt.

Doch bereits 10 km weiter, konnte ich nicht mehr.

,,Dreht um. Ich packe das nicht. Keine 8 Stunden. Es tut mir so so leid.“

Tränen kullerten über mein Gesicht.

Ich war hin und hergerissen. Ich wollte zu Hause bleiben und doch die Familie kennenlernen. Ich war wütend auf mich und unsagbar enttäuscht.

Auf dem Weg nach Hause heulte ich Sturzbäche und weinte die komplette Nacht durch.

Mein Freund war mittlerweile angekommen und schickte mir erste Bilder aus Polen.

Wir telefonierten..

,,Schatz, komm her. Ohne dich ist es nicht dasselbe. Oma war so traurig“

Man merkte ihm seine Enttäuschung an und mein schlechtes Gewissen zerfraß mich. Durch das Geweine und die Anstrengungen des Tages war ich hundemüde und ging schlafen.

Am nächsten Morgen kam folgende Whats App Nachricht:

,,Wann bist du da?“
,,Ich liege im Bett.“
,,Achso ich dachte du kommst her.“

Und so zogen sich die Gespräche lange hin. Bis ich beschloss meine Angst jetzt in die Hand zu nehmen.

Ich setzte mich unter Tränen alleine ins Auto, zitterte am ganzen Leib und mir war klar:

Das schaffst du nie. Du wirst in Hamburg umdrehen müssen!!

Doch ich ging es an. Ich drehte die Musik laut auf und wenn eine Panikattacke kam, hielt ich sie einfach aus. Ich wusste, dass mir nichts passieren würde und ich die Situation im Griff habe.

Immer, wenn ich 100 Kilometer geschafft hatte, feierte ich mich selbst. JA! Ich saß im Auto und sagte immer wieder laut zu mir:

,,Nina du bist der Oberknaller! Wieder 100! Du schaffst es!!!“

Ja ich hielt viel an. Einfach um frische Luft zu schnappen oder auf die Toilette zu gehen. Doch ich kam an einem Punkt, an dem eine Umkehr dumm gewesen wäre. Also weiter geht’s.

Angekommen in Berlin, tankte ich das Auto noch einmal voll. Denn in Polen tanken, da hatte ich dann doch zu viele Bedenken mit der Kommunikation.

Als ich in Berlin war, rief ich meinen Vater an. Dazu muss ich sagen, dass NIEMAND, weder Freunde noch Familie wusste, dass ich mich alleine auf den Weg nach Polen gemacht hatte. Nur mein Freund.

Als ich dann ab Berlin jedem Bescheid sagte, waren alle verblüfft. Meine Cousine platzte vor Stolz.

Und da war sie. Die Grenze. Zack bist du in Polen. Doch was man mir vorher nicht gesagt hatte war, dass ich an der Grenze Mautgebühren zahlen musste. Zum Glück hatte ich noch ein paar Scheine dabei.

Akzeptieren die überhaupt Euro?

Mein Freund war sich da nicht sicher. Na toll.

Ich bog von der Autobahn ab, zahlte die Maut, in Euro, als mein Navi mich zur Umkehr aufforderte. Klasse!

Eine Abfahrt zu früh. Wieder runter und rauf auf die Hauptautobahn. Das bedeutete für mich zwei Mal Maut.

Ich war bisher ohne Stau davon gekommen. Ich hasse Stau. Klar, denn da kommt meine Panik besonders zum Tragen.

Und auf einmal sah ich einen riesen Stau vor der Mautstelle.

,,Du hast es so weit gebracht. Das schaffst du mit links.“

Und wie ich es geschafft habe. Nach 11 Stunden Fahrt (Ja viele Pausen) war ich endlich da! Ich war in Polen. Ich stellte das Auto ab und da stand schon mein Freund, der mich fest an sich drückte.

Meine Beine zitterten und all die Anspannung der letzten Stunden löste sich!

Ich hatte es wirklich geschafft. Die Familie meines Freundes freute sich, besonders die Oma. Alle waren verblüfft.

,,Man das hat noch keiner von uns geschafft und wir fahren etliche Jahrzehnte schon her.“

Mein Stolz war kaum zu bemessen.

Und diesen Stolz wisst ihr, den trage ich bis heute in mir!! Ich bin stolz. Ich hab gegen die Angst gekämpft und sie besiegt.

Und heute? Ja da habe ich keine Panikattacken mehr! Nicht eine einzige! Weil ich weiß, dass ich diese Hürde geschafft habe und das gaanz alleine!

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Dieses Bild kann die Gefühle zu dieser Zeit am Besten beschreiben. Ich habe es geschafft mich aus den dunklen Wolken herauszukämpfen und habe mich ein Stück von der Angst befreit. Wenn auch nicht gänzlich, aber dazu mehr im dritten Teil!

Ich hoffe euch hat der Beitrag gefallen. :) Ich wünsch euch noch ein schönes restliches Wochenende!

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