Euphemismen und verschleiernde Anglizismen im deutschen Sprachgebrauch.






Die Preise werden heutzutage "angepasst".


Mir ist es schon lange ein Dorn im Auge, wie oft versucht wird, durch beschönigende Formulierungen Empfänger negativer Nachrichten 'milde' zu stimmen. Was mich betrifft, haben solche rhetorischen 'Tricks' allerdings in der Regel einen genau gegenteiligen Effekt: Es verärgert mich, für so dumm verkauft zu werden, die in einem wohlklingenden Gesäusel versteckte, für mich nachteilige Kernaussage nicht zu erkennen.


Quelle: Pixabay (selbst bearbeitet).


Einen Artikel darüber plante ich bis vor kurzem dennoch nicht zu schreiben, bis ich kürzlich eine E-Mail der "saarländischen Verkehrsbetriebe" (von denen ich eine Jahreskarte beziehe) erhielt. Hier der Auszug, der mich auf die Palme brachte:

"Die saarländischen Verkehrsunternehmen werden zum 1.1.2018 ihre Ticketpreise um durchschnittlich 1,97% anpassen."

Man ist es ja schon fast gewohnt, dass statt von Preiserhöhungen nur noch von "Anpassungen aufgrund gestiegener Ausgaben" - oder so ähnlich - gesprochen wird. Mir ist diese 'Sprachunehrlichkeit' sehr zuwider, denn eine Tariferhöhung ist eben eine Erhöhung, warum sollte man das dann nicht auch so sagen? Glauben die ernsthaft, der (offensichtlich für dumm gehaltene) Kunde merke es nicht, wenn stattdessen der passende Begriff vom beschönigenden "Anpassungen" ersetzt wird? Oder denken sie, das weniger wahrhaftige Wort hätte einen irgendwie beschwichtigenden Effekt?
Was mich in diesem Fall besonders verärgert, ist, dass sich die Verkehrsbetriebe noch nicht einmal die Mühe gemacht haben, etwas von "gestiegenen Kosten" etc. zu schreiben. Es geht aus der E-Mail also genau genommen gar nicht hervor, ob die Preise nun erhöht oder gesenkt werden.
Deshalb habe ich auch per E-Mail nachgefragt, was denn eigentlich der Grund für die Preissenkung um 1,97 % wäre oder ob es sich vielleicht doch gar um eine Preiserhöhung handele? :-)


Die Sandwich-Strategie


Dieses Verkünden verklausulierter Preiserhöhungen geht darüber hinaus in vielen Fällen mit der so genannten Sandwich-Strategie einher: Die schlechte Nachricht wird in zwei Schichten Positiv-Geschwafels gehüllt. Die E-Mail (beziehungsweise der Brief) beginnt z. B mit einer überschwänglichen Anrede, wie froh man doch sei, den Empfänger zu seinen treuen Kunden zählen zu dürfen. Dann folgt, möglichst kurz und unauffällig, die eigentliche Nachricht, "Du musst mehr zahlen!" (natürlich in anderen Worten), und danach noch ein paar Sätze über die vielen Vorzüge und tollen Optionen, welche die Nutzung des Produkts mit sich bringe.

Leider begegnet mir 'unehrliche Sprache' (wie ich das nenne) nicht nur bei anstehenden Preiserhöhungen seitens Versicherungen, Stromanbietern oder Verkehrsbetrieben, sondern in so gut wie jedem gesellschaftlichen Bereich, in den Medien, der Politk, am Arbeitsplatz und im Alltag, überall dort, wo Menschen miteinander kommunizieren.


Typische Euphemismen


Ich vermute, den meisten von euch sind die in der folgenden - selbstredend unvollständigen - Liste aufgeführten klassischen Euphemismen, die dazu dienen "Unangenehmes angenehm zu sagen" (wie es der Duden umschreibt), bereits des Öfteren begegnet:

  • "freisetzen" statt "entlassen";

  • "Kollateralschäden" für "getötete/ermordete Menschen";

  • "suboptimal" für "besch.....";

  • "vollschlank" für "dick";

  • "Raumpflegerin" für "Putzfrau";

  • Das "Arbeitsamt" wird zur "Agentur für Arbeit", und der "Arbeitslose" zum "Kunden".

  • Und für die Gefahr eines Super-GAUs besteht lediglich ein "Restrisiko".

  • Erst kürzlich ist mir mal wieder ein echter Knaller untergekommen, der es wahrlich wert ist, dieses Post zu ergänzen:
    Erstmals in diesem Linkedin-Beitrag fiel mir die Verwendung des Begriffs "Offboarding" anstelle von "kündigen" ("entlassen", "feuern") auf. Anders als beim bereits erwähnten "Freisetzen", handelt es sich dabei nicht nur um einen Euphemismus, sondern zugleich auch Anglizismus.

Häufig wird außerdem anstelle der Verwendung eines negativen Begriffs sein Antonym (also das Wort gegenteiliger Bedeutung) mit dem Präfix (also der Vorsilbe) "un" benutzt. Statt "häßlich" heißt es folglich dann "unschön". George Orwell bildete daraus in seinem Roman "1984" ein eigenes 'Sprachsystem', in welchem zwecks Verschleierung der wahren Bedeutung beispielsweise ein "sehr schlecht" zu einem "doppelplusungut" wurde.


Anglizismen


Zusätzlich zu beschönigenden Umschreibungen von Sachverhalten stehen offenbar Anglizismen im Dienste einer noch höheren Verschleierungsstufe und damit größeren Unverständlichkeit von Sprache, so dass jemand "Uneingeweihtes" oft nicht mehr versteht, worum es überhaupt geht.
Hier ein paar wenige typische Beispiele:

  • Der "Hausmeister" wird zum "Facility Manager".

  • Das Mobiltelefon wird zum "Handy" (obwohl es auf Englisch ein "mobile phone" ist).

  • Der Lehrer betreibt "Classroom Management".

  • Und im Online-Portal meiner Bank finde ich neben dem "Konto-Center" unter anderem noch ein "Post-" und ein "Service-Center".

Da will selbstverständlich auch die hiesige Universität zeigen, wie 'hochmodern' sie sei. Betreute früher das "Akademische Auslandsamt" (eine zugegebenermaßen etwas sperrige Bezeichnung) ausländische Studierende, werden sie heute von Mitarbeitern des "International Office" beraten. Das ist jedoch, verglichen mit dem absoluten 'Highlight' meiner Anglizismensammlung noch geradezu harmlos: An der Uni gab es vor einiger Zeit eine Ausschreibung, um Projekte einreichen und dafür Fördermittel beantragen zu können. Handelte es sich dabei um besonders unterstützenswerte Projekte ("Förderlinie 3"), wurde die Beantragung der Mittel als "Call for Flagship-Projects" bezeichnet. Alle Klarheiten beseitigt? :)

Wie steht ihr solchen beschwichtigenden bzw. verschleiernden Euphemismen und Anglizismen gegenüber? Teilt ihr mein Unbehagen oder sollte ich aus einer Mücke keinen Elefanten machen und mich stattdessen lieber dem Wandel der Zeiten anpassen?

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