Gruselmärchen aus 1000 und einer Nacht

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Der Fall des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashuggi, von dem inzwischen wohl niemand mehr glaubt, er werde noch einmal lebend wieder auftauchen, wirft rabenschwarze Schatten - nicht nur auf die an dem Verbrechen Beteiligten.

Fest steht, daß Khashuggi Anfang Oktober das Generalkonsulat seines Landes in Istanbul betreten hatte. Seither fehlt von ihm jede Spur. Obwohl die saudi-arabische Regierung zunächst behauptet hatte, er habe das Gebäude wieder wohlbehalten verlassen und sei erst hernach verschwunden, konnte sie dies nicht belegen, da die Überwachungskameras, die noch das Eintreffen Khashuggis aufgezeichnet hatten, später ausgefallen wären. Zufälle gibt es!

Nachdem diese Einlassung kaum noch zu halten sein dürfte, unter anderem, weil sich türkische Geheimdienststellen dem Vernehmen nach im Besitze von Aufzeichnungen befinden, die den Mord dokumentieren, und diese Information US-amerikanischen Medien zugespielt haben, wird an einer anderen Version gebastelt, und diese geht so: Einem Schurkenteam wäre das Verhör Khashuggis aus dem Ruder gelaufen, wobei dieser versehentlich zu Tode gekommen sei.
Läßt man das Wort „versehentlich“ aus, entbehrt diese Version durchaus nicht der Plausibilität, denn an Schurken ist Saudi-Arabien auf allen Ebenen nicht arm. Doch soll die Lesart so verstanden werden, daß offizielle Kreise des Landes nicht informiert, geschweige denn involviert gewesen wären.
Dieses Narrativ aber stellt eine Beleidigung seiner Adressaten dar. Als anspruchsarme Belustigung wäre es geeigneter, wäre der Anlaß nicht so makaber.
Hier soll allen Ernstes behauptet werden, in einem Generalkonsulat hauste und wütete eine Schurkenbande, ohne daß die Diplomaten davon Kenntnis hätten - und dies alles ohne Billigung des Entsendestaates. Sind das böse Gnome und Hausgeister, die sich in den Gemäuern eingenistet haben und gelegentlich dort ihr Unwesen treiben?
Interessant erscheint der noch unklare Urheber dieses Witzes, der nach einem Telephonat von Donald Trump mit dem greisen saudischen Herrscher verbreitet wurde. Hat Donald Trump diesen Unsinn entwickelt und damit versucht, dem saudischen Regime eine Brücke zu bauen, um vermeintlich gesichtswahrend aus der Affaire herauszukommen? Oder entspringt er der Phantasie des wohl nicht mehr im Vollbesitze seiner geistigen Kräfte befindlichen Herrschers? Diese Brücke erweist sich jedoch bereits auf den ersten Blick als die eines Esels für einen Esel.

Die USA sind hier einem echten Dilemma ausgesetzt. Einerseits können sie über dieses Verbrechen ihres Minenhundes für alle schmutzigen Einsätze auf dieser Welt nicht einfach hinwegsehen, denn der Fall schlägt international hohe Wellen. Andererseits aber wissen die saudischen Schergen eine Menge über ihren Paten in Washington. Packten sie aus, bedeutete dies ein Fanal für ein Erdbeben, nach dem - nicht nur in den USA - nichts mehr wäre wie zuvor. Allein schon die Geschichte vom 11. September 2001, in die Saudi-Arabien knietief verstrickt ist, müßte dann dramatisch umgeschrieben werden. Handelte es sich auch nur eine Koinzidenz, daß der saudische Geheimdienstchef seinerzeit kurz vor diesem Ereignis von seinem Posten unvermittelt zurückgetreten war?

Auch die Rolle der Türkei wirft mehr als eine Frage auf.
Wie kamen die türkischen Behörden an die kompromittierenden Aufnahmen von der Tat in einer ausländischen diplomatischen Mission?
Was bewog das türkische Außenministerium dazu, der mit saudischen Diplomatenpässen (die nur das saudische Außenministerium ausgestellt haben konnte) ausgestatteten 15er-Bande ohne nachvollziehbaren Anlaß die Einreise zu gestatten? Auch in Staaten, für die kein Visumszwang herrscht, gilt dies nicht für Diplomaten, die immer eines brauchen. Auch muß für den Antrag auf ein Diplomatenvisum stets ein Grund benannt werden (z. B. Teilnahme an einer bestimmten Konferenz oder eine auf einige Dauer angelegte Akkreditierung auf den Posten x in der Auslandsvertretung). Das saudische Außenministerium dürfte kaum überzeugend dargelegt haben, weshalb seine Istanbuler Mission für nur wenige Stunden um 15 Mitarbeiter aufgestockt werden müsse, darunter einen Forensiker.
Warum wurde nur eines der beiden saudischen Flugzeuge vor Abflug kontrolliert?
Warum nur begleitete der mit Khashuggi befreundete türkische Präsidentenberater das spätere Opfer, das offensichtlich düstere Vorahnungen gehegt haben mußte, nicht zu dem Termin in das Generalkonsulat - sozusagen als Sicherheitsgarant? Vor seiner Meuchelung wäre man doch sicher zurückgeschreckt. Zudem wäre „solch hoher Besuch“ von Diplomaten wahrgenommen worden - und nicht nur von unteren Chargen und Schlächtern.
Warum ließ die Türkei sich auf die Farce einer vermutlich inkonklusiv verlaufenen Durchsuchung des Tatortes zwei Wochen nach der Tat ein, nachdem dieser auch noch erkennbar und dilettantisch manipuliert worden war?

Die Türkei und Saudi-Arabien verfolgen im Nahen Osten gegenläufige Interessen. Möglicherweise plant die Türkei, mit belastenden Beweisen gegen Saudi-Arabien in der Hinterhand, dieses auf ihren Kurs zu zwingen. Auch wären saudische Investitionen in der Türkei hochwillkommen. Auch dem könnte man etwas nachhelfen.

Khashuggi ist übrigens nicht der erste spurlos verschwundene saudische Regimekritiker. Diese Vorgehensweise scheint Methode zu haben. In den anderen Fällen erfolgte die Beseitigung allerdings etwas subtiler. Einige haben auch „den Braten rechtzeitig gerochen“ und die Falle vermieden.

Daß, wie spekuliert wird, der zweite Mann Saudi-Arabiens den Mord beauftragt haben soll, darf bezweifelt werden. Im Kampf um die Thronfolge liegt er derzeit unangefochten an der Spitze, die er sich jedoch mit rabiaten Methoden erobert hat. Auch wird er von den Gegnern seiner Reformen mit Argwohn bedacht. Dem Lager seiner Rivalen, die sich seiner entledigen wollen, dürfte die Order für den Mord eher entsprungen sein. Wenn es ihnen gelänge, ihm die Tat anzuhängen, wären sie ihn los. Er selbst müßte schon sehr dämlich sein, seine Stellung zu gefährden durch einen derart plump ausgeführten Auftragsmord im Generalkonsulat des eigenen Landes, wo der Verdacht sich unvermeidlich alsbald auf ihn richten würde, und dies unmittelbar vor einem ambitiösen Wirtschaftsgipfel in Riad, der zur Förderung seiner Reformen ausgerichtet wird. Ggf. gibt es Dienste, die derartige Aufträge diskreter an unverdächtigen Orten erledigen.
Für ihn steht viel auf dem Spiel. Er hat viel zu verlieren. Nur ein Vollidiot würde das riskieren.

Die Europäer, allen voran Deutschland, geben ein schandmäßiges Bild ab.
Während namhafte US-Unternehmen ihre Teilnahme an der Wirtschaftskonferenz in Riad stornierten und ihre Zusammenarbeit mit dem saudischen Regime aufsagten, halten die deutschen Firmen an beidem fest.
Die Exponenten des „offiziellen“ Deutschland stehen dem in nichts nach. Gerade noch hatte Heiko Maas sich mit peinlicher Servilität den saudi-arabischen Schurken angedient. Nun versteckt er sich hinter feigen, nichtssagenden Formeln. Von wegen „aufstehen statt wegducken“. Die ganze Bande um Berufsduckmäuserin Kasner sieht betreten weg.
Dabei ist die Beweislage hier glasklar - im Gegensatz zur Causa Skripal, wo die Europäer sofort „wußten“ wer der Täter war und darauf mit der Verhängung von Sanktionen reagierten, obwohl bis heute keine belastbaren Beweise vorliegen. Im Fall Khashuggi wird sogar schon am Geständnis gearbeitet.
Worauf also wartet man noch? Auf ein orientalisches Wunder, in dem das Opfer sich, wie Phönix aus der Asche, aus der Erde des Konsulatsgartens gräbt?

Saudi-Arabien empfiehlt sich ausnahmsweise tatsächlich für einen externen Regimewechsel, da es von innen heraus nicht reformierbar ist. Es ist das sprichwörtliche Reich des Bösen, das seine tödliche Saat auf eigene und fremde Rechnung weltweit verbreitet.
Dieses Land, dem jede Autarkie fehlt, wäre über Sanktionen durchaus zu erreichen, denn sein Erdöl kann es in der Wüste kaum verheizen. Wenn ihm dieser einzige dort vorhandene Rohstoff nicht abgekauft wird, ist es relativ bald am Ende. Das Einfrieren seiner Auslandsvermögen trüge ergänzend dazu bei.
Der internationale Terrorismus wäre dann bald Geschichte. Das klingt fast wie ein Märchen; doch wenn man will, wird es wahr.

www.spiegel.de/politik/ausland/fall-jamal-khashoggi-halbes-gestaendnis-aus-riad-a-1233504.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/saudischer-prinz-in-deutschland-dissident-wirft-saudi-arabien-versuchte-verschleppung-vor-1.4171996
https://www.sueddeutsche.de/politik/fall-jamal-khashoggi-spurensicherung-in-istanbul-1.4172325
https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/jamal-khashoggi-journalist-saudi-arabien-tod-versehen
https://www.heise.de/tp/features/Fall-Khashoggi-Saudi-Arabien-ist-viel-besser-als-sein-Ruf-4192602.html
https://www.bild.de/politik/ausland/saudi-arabien/raetsel-um-verschwundene-saudi-prinzen-45115008.bild.html

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