Vernichtung durch Arbeit - ein Besuch in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Das schöne Wetter will genutzt werden und irgend ein Ausflug muss im Urlaub auch einfach sein... Als mir vor ein paar Tagen ein Flyer vom KZ Neuengamme in die Hände fiel, war recht schnell der Entschluss gefasst, dass ich mir das gern mal anschauen möchte. Und so habe ich mich in den Zug gesetzt und bin nach Hamburg gefahren.


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"Der sterbende Häftling" von Francoise Salmon


Neuengamme war das größte Konzentrationslager in Nordwestdeutschland (Stammlager Neuengamme plus rund 90 Außenlager). Gegründet wurde es 1938 weil für die in Hamburg geplanten NS-Großbauten Ziegel produziert werden sollten. Von 1938 bis 1945 waren über 100.000 Menschen inhaftiert (über 80.000 Männer, 13.500 Frauen und 5.900 Menschen, die nicht erfasst wurden). Zunächst wurde das Lager für die Inhaftierung politischer Regimegegner und -gegnerinnen genutzt, die ersten Häftlinge waren also hauptsächlich Deutsche. Später folgten weitere Verfolgtengruppen wie Juden, Homosexuelle und sehr viele Kriegsgefangene aus Osteuropa aber auch aus anderen besetzten europäischen Ländern wie z.B. Belgien, Dänemark und Frankreich. Aufgrund der mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen verloren bis Kriegsende und während der Lagerräumung nachweislich über 42.000 Menschen ihr Leben in Neuengamme.

Vernichtung durch Arbeit - das war in Neuengamme durchaus Programm. Zunächst bestand die Arbeit hauptsächlich aus dem Aufbau des Lagers an sich (Häftlingslager und SS-Lager), dem Bau eines neuen Klinkerwerkes und weiterer Produktionsstätten. Die Häftlinge mussten täglich 10 bis 12 Stunden schwerster Arbeit nachgehen. Zu den Kommandos mit den schlimmsten Arbeitsbedingungen gehörten z.B. die der Schiffbarmachung der Dove-Elbe sowie der Abbau von Ton in den Tongruben: mit Schaufeln musste der Ton ausgegraben und in Loren gefüllt werden, welche unter Einsatz der eigenen Körperkraft zu den Klinkerwerken bewegt werden mussten. Später arbeiteten die Häftlinge hauptsächlich in den Rüstungsproduktionsstätten des Lagers, z.B. in den "Walther-Werken", oder halfen bei der Trümmerbeseitigung und arbeiteten in anderen Betrieben (Außenkommandos).


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Eine rekonstruierte Tongrube, Loren und der Blick zum Klinkerwerk


Wie auch in allen anderen Konzentrationslagern waren die Lebensbedingungen menschenunwürdig. Die Häftlinge waren in 8 Holzbaracken (50 m lang und 8 m breit) à 2 "Blocks" untergebracht und schliefen zunächst dicht gedrängt auf Strohsäcken auf dem Boden, später in dreistöckigen Betten. Pro Baracke waren 300 manchmal über 600 Menschen untergebracht, Sanitäranlagen und Waschmöglichkeiten waren begrenzt. Es gab nicht ausreichend zu essen (dünne Suppe, Brei und belegtes Brot als "Schwerstarbeiterzulage" für Einige). Die Einheitskleidung wärmte weder noch schützte sie vor Regen, selbst im Winter durften die Gefangenen nur Holzschuhe tragen. All dies - mangelnde Hygiene, Hunger, Schwerstarbeit, Misshandlung, fehlende ärztliche Versorgung - führte zum Tod vieler Häftlinge. Darüberhinaus gab es auch Hinrichtungen, Mordaktionen (Tötung nicht arbeitsfähiger Häftlinge mit Phenolspritzen, sowjetische Kriegsgefangene wurden mit dem Gas Zyklon B getötet) und medizinische Experimente (Tuberkulose-Versuche zur Entwicklung eines Impfstoffs).

Nach 1945 wurde das Gelände zunächst von der britischen Militärverwaltung als Internierungslager genutzt. Drei Jahre später wurde es an die Stadt Hamburg übergeben, welche viele Gebäude abreißen ließ und zwei Gefängnisse errichtete. Nach Verlegung der beiden JVAs 2003 und 2006 wurde fast der gesamte Bereich des ehemaligen KZ-Lagers zur Gedenkstätte. 17 Gebäude sind noch erhalten und können teilweise besichtigt werden. Darüberhinaus gibt es fünf sehr interessante Dauerausstellungen und viele Informationstafeln, die über das Leben im Lager berichten.


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Hier befanden sich die acht Holzbaracken, in denen die Häftlinge leben mussten


Fazit

Ein Besuch der Gedenkstätte ist absolut empfehlenswert. Man erhält in den Ausstellungen als auch über die Informationstafeln auf dem Gelände einen recht guten Einblick in die herrschenden Zustände im Lager. Die Ausstellungen sind geprägt durch viele Zitate von Zeitzeugen und es gibt jede Menge Ordner, die Informationen über einzelne Personen im Lager enthalten. Eine wirklich beeindruckende Sammlung.

Ich hatte mich für den großen Rundgang entschieden, der ca. 3 bis 4 Stunden dauert. Wenn man sich genügend Zeit zum Lesen all der Informationen nimmt, würde man aber noch mehr Zeit dort verbringen.

Alle Bilder habe ich zusätzlich bewusst in scharz-weiß aufgenommen.

Auf dem Heimweg waren meine Gedanken bei meinem Opa, der in russischer Kriegsgefangenschaft war. Was er da erlebt hat, hat er nie erzählt. Aber vielleicht musste er dort unter ähnlichen Umständen leben und arbeiten....


Quellen: Flyer KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Wikipedia

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