Günter Lubitz: "Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit."

Auf den Tag genau vor zwei Jahren stürzte die Germanwings-Maschine in den französischen Alpen ab. Alle 150 Menschen an Bord kamen ums Leben. Die Justiz sieht in Co-Pilot Andreas Lubitz den allein Schuldigen. Doch diese Theorie zweifelt sein Vater Günter Lubitz an. In einer Pressekonferenz nahm er heute dazu Stellung. An seiner Seite war der Medienrechtler Andreas Behr, wie der Medienexperte Hans-Joachim Rüdel und der Luftfahrtexperte Tim van Beveren, den Günter Lubitz mit Ermittlungen beauftragt hat.

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Pressekonferenz von Günter Lubitz an 24.03.2017 (Foto: AP)

“Wir sind davon überzeugt, dass das Bild des Selbstmords falsch ist”, sagt Andreas Behr. Dem kann ich nach wie vor nur zustimmen, wie ich auch schon damals meine Meinung dazu schrieb. Günter Lubitz erklärt: "Unser Sohn war zum Absturz-Zeitpunkt nicht depressiv“. Ende Dezember habe sein Sohn geklagt, dass er komisch und Lichthöfe sehe. Deswegen sei er auch an der Uniklinik in Düsseldorf gewesen. Es konnten allerdings keine organischen Gründe festgestellt werden.

Dann beginnt der Luftfahrtexperte Tim van Beveren mit seinen Ausführungen. "Man kann nicht so einfach sagen, Andreas Lubitz ist schuldig", sagt Tim van Beveren und in Bezug auf die polizeilichen Ermittlungen: „Es ist nicht nachvollziehbar, wie hier unterstellt wird, er hätte seine Tat vorbereitet". Er wirft der Polizei vor, sie habe bis heute kein Motiv für die Tat. Er kann zwar auch nicht sagen, was genau damals an Bord der Germanwings-Maschine passiert ist, aber er bringt neue Sichtweisen auf den Unglückshergang ein. Für ihn ist klar, dass, egal was Lubitz vorgeworfen wird, die Unschuldsvermutung gelte: "Bis heute gibt es keinen klaren Beweis. Wenn es ihn gibt, mögen die, die ihn haben bitte offenlegen."

In diesem Zusammenhang übte Tim van Beveren auch scharfe Kritik an den Medien. „Medien sind Berichterstatter und keine Richter“, sagte er, „das scheinen gerade Boulevardmedien immer wieder zu vergessen.“ Er selbst habe ein Verhalten von Kollegen erlebt, „das unentschultbar, perfide und einfach nur widerlich“ ist. „Ich wäre dankbar wenn sie ausnahmsweise zwischen Fakten und Fiktion unterscheiden könnten und auf Unterstellungen und Mutmaßungen verzichten.“

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Tim van Beveren auf der Pressekonferenz (Foto: AP)

Doch zu den Fakten. Durch die BFU wurde Lubitz zum Zeitpunkt des Unfalls eine "schwere psychiatrische Erkrankung unterstellt", wie Tim van Beveren aus dem Dokument zitiert. Nur ein Augen- und eine Allgemeinmedizinerin hätten Hinweise auf eine Depression festgestellt. Der Experte verweist auf einen schwerwiegenden Tippfehler in der Krankenakte von Andreas Lubitz. "Früher bereits wegen Depression stationärß", steht in der Akte geschrieben. Das “ß”, so betont van Beveren, sei ein klassischer Tippfehler. Es hätte stattdessen ein Fragezeichen sein sollen, sagt der Luftfahrtexperte. Für ihn ist klar: Die Ärztin war sich nicht sicher, ob Andreas Lubitz jemals stationär behandelt wurde - diese Annahme sei aber dann ungeprüft in die Folgeberichte übernommen worden. "Ein kleiner Tippfehler wurde zu einer Tatsachenbehauptung", sagt Tim van Beveren. Andreas Lubitz habe sich wegen psychischer Krankheiten niemals in stationärer Behandlung befunden!

Die Ermittlungsakte der deutschen Behörden sei nicht nachvollziehbar, nicht chronologisch aufgebaut, so Tim van Beveren. Das ist entgegen aller Regeln. Im Gegensatz von der der französischen Kollegen. Auch in diesem Bericht gebe es komische Angaben: Die Vernehmung der Lebensgefährtin bei der sie ausgesagt haben soll, Lubitz sei seit 2008 in psychologischer Behandlung gewesen, finde sich in keiner einzigen Ermittlungsakte wieder! Auch habe die Lebensgefährtin von Andreas Lubitz ihm gegenüber betont, diese Aussage nie getroffen zu haben!

So kommen weitere Ungereimtheiten auf: Insgesamt seien drei iPads aufgetaucht. Das Dritte sei nicht bei Hausdurchsuchungen gefunden worden, sondern Tage nach dem Unglück von einer Person der Polizei übergeben worden und erst darauf seien die inkriminierenden Suchverläufe gefunden worden, so Tim van Beveren. Die deutsche Staatsanwaltschaft führte dies als Beweis ihrer Theorie auf, dass Andreas Lubitz auf seinem iPad beispielsweise über die Cockpit-Tür gegoogelt habe.

Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass Lubitz die Cockpit-Tür wirklich hätte verschließen können, sagt van Beveren. "Es gibt dafür keinen stichhaltigen Beweis." Auch unbeantwortet bleibt, warum sei der Notfallcode vom Kapitän nicht eingegeben worden ist, um die Tür zu öffnen! War etwa das Keypad defekt? Tim van Beveren habe zwei Tage nach dem Unglück einen Hinweis bekommen, dass die Tür des Flugzeugs bei einem anderen Flug kurz vorher in Düsseldorf zugefallen sei. Zwei Piloten, so sagt es Tim van Beveren, hätten sich damals in Düsseldorf am Boden ausgesperrt und die Tür nicht wieder öffnen können. Erst die Bodencrew war in der Lage gewesen, die Tür wieder zu öffnen. Da es verpflichtend sei, solche Informationen über wesentliche technische Defekte weiterzugeben, wurde dies auch getan - es sei jedoch seitens der BEA nichts unternommen worden.

Weiter führt er aus, dass am Unglückstag in den französischen Alpen sonniges Frühlingswetter herrschte, es aber dennoch Turbulenzen gegeben hat, die für die Piloten nicht sichtbar gewesen sind - sogenannte "low level high velocity air stream", also Luftlöcher, so der Experte Tim van Beveren. Der Airbus habe an seinem Höhenlimit gearbeitet und Piloten sind angehalten, die grundsätzlichen Prioritäten-Regeln einzuhalten: Erst Fliegen, dann navigieren, dann kommunizieren. Das sei besonders wichtig, wenn nur eine Person im Cockpit sei. Entsprechende Daten vom Flugdatenschreiber fehlten allerdings, denn der Flugdatenschreiber wurde ohne den Chip mit Absturzdaten gefunden! Dieser sei verkohlt und verbrannt erst Tage später zufällig gefunden worden. Aus der Auswertung gehe hervor, dass zwei verschiedene Flugmodi (Descent Mode und Open Descent Mode) parallel getrackt worden seien. Dies ist jedoch gar nicht möglich und so fragt Tim van Beveren berechtigt: "Welche Daten sind hier überhaupt richtig?"

Nach dem Unglück hatte die französische BEA die Prüfung der Lufttüchtigkeit des Germanwings-Flugzeugs geprüft. Aus dem Zertifikat gehe hervor, dass die Gültigkeit des Zertifikats vor dem Unglückstag abgelaufen sein soll. Luftfahrtexperte van Beveren zweifelt die Richtigkeit der Ausstellung dieses Zertifikats an, auf der auch eine Unterschrift nicht passe. Sollte sich das als richtig erweisen, hätte das Flugzeug gar nicht eingesetzt werden dürfen. Doch dies sei in den Ermittlungen nie Thema gewesen. Auch das Einstellen des Sinkfluges durch Lubitz zweifelt Tim van Beveren an. Das sei so nicht möglich gewesen, behauptet der Experte. Er zitiert aus den Ermittlungsunterlagen: "Auch während des gesamten Audioauszugs bis zum Aufschlag sind Atemgeräusche zu hören." Eine Notiz zeige, dass der Staatsanwalt zu diesem Zeitpunkt noch keine schriftlichen Aufzeichnungen gehabt hatte. Die Behörden hätten außerdem vermerkt, dass wegen der schlechten Qualität keine vollständige Rekonstruktion des Gesprächs im Cockpit möglich gewesen sei. Die Aussagen des französischen Staatsanwalts seien so kurz nach dem Unglück nichts als reine Spekulation gewesen, behauptet Tim van Beveren.

"Ich war sehr überrascht, dass für die französischen Ermittler nach nur zwei Tagen die Unglücksursache feststand", sagt Tim van Beveren. "Etwas vergleichbares habe ich in den letzten 25 Jahren nicht erlebt" obwohl es schon Parallelen in der Geschichte dazu gegeben hat. Danach hat auch die deutsche Staatsanwaltschaft nur noch gegen Lubitz ermittelt. Intern sei bei der französischen Staatsanwaltschaft später vermerkt worden, dass zwar Atemgeräusche gehört worden seien, es aber nicht klar sei, dass Lubitz unmittelbar vor dem Einschlag noch bei Bewusstsein war. Nach Ansicht des Flugunfallexperten ist gar nicht klar erwiesen, wer zum Zeitpunkt des Absturzes der Germanwings-Maschine vor zwei Jahren im Cockpit saß...

Die Wahrheit besitzt die Zeit. Euer consiliarius

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