𑁍 Gutes KARMA kann auch mies sein 𑁍

Karma ist in aller Munde, dazu muss man weder Buddhist noch überhaupt spirituell veranlagt sein. Wie schnell bringt man z.B. auf einen überschwänglichen Dank "Lass' mal, ist gut fürs Karma" über die Lippen? Ist es das wirklich? Klar! Gute Taten erzeugen gutes Karma, schlechte schlechtes, was unsere Seele dann viele Leben lang zu spüren bekommt... Nein, so einfach ist es leider nicht, da die menschlichen Bewertungen "gut" und "schlecht" in dieser Erklärung verborgen sind und Urteile sind schon mal gar nicht gut. Karma ist deutlich mehr, als wir denken und deutlich weniger vorherbestimmt, als wir glauben.

Was ist Karma?

Gemeinhin wird "Karma" oft als eine Art Vergeltung beschrieben (Tust du Gutes, widerfährt dir Gutes - du kommst in den Himmel. Tust du Böses, erfährst du Böses - du schmorst in der Hölle). Doch so ist es nicht, denn im buddhistischen Denken gibt es keine Vergeltung, "Schuld und Sühne" obliegen den monotheistischen Weltreligionen wie Judentum, Christentum oder Islam. Karma ist keine göttliche Vergeltung, kein Schicksal. Es liegt in unserer Hand, das, was noch nicht geschehen ist, zu verändern.

Der durch Buddhismus und Hinduismus geprägte Begriff "Karma" bedeutet nichts anderes als "Handlung". Darunter fallen alle Handlungen wie Denken, (Aus)sprechen und physisches Tun.
Jede Handlung nun ist an das "karmische Gesetz", dem Prinzip von Ursache und Wirkung gebunden, d.h. auf jede Handlung erfolgt eine Reaktion. Wie wir wieder auf diese Reaktionen reagieren, ist sicherlich ein Resultat aus unseren bisherigen Erfahrungen, grundsätzlich aber nicht vorherbestimmt. Wir treffen immer die Entscheidung, wie wir weiter reagieren, was wir aus der erlebten Reaktionen für zukünftige Handlungen mitnehmen bzw. lernen.

Drei Arten von Karma

In indischen Schriften werden drei Arten von Karma genannt: Sanchita, Prarabdha und Agami.

Sanchita ist die Gesamtheit des in der Vergangenheit angesammelten Karmas, das sich teilweise im Charakter eines Menschen, seinen Talenten, Neigungen, Wünschen und seinem Potential widerspiegelt. Es sind alle Handlungen, die erzeugt wurden, deren Wirkungen aber noch nicht eingetreten sind und somit alle (Lebens)lektionen, die zukünftig noch erfahren werden sollen.

Prarabdha bedeutet "das Begonnene" und bezieht sich auf die Handlungen, die sich im gegenwärtigen Leben manifestieren. Dieses Karma kann nicht umgangen und nur eingeschränkt (nach weiteren Reaktionen) geändert werden. Um diese Lektionen bzw. Lebensaufgaben "abzuarbeiten" müssen wir sie erleben und mit den Resultaten adäquat umgehen. Tun wir dies immer wieder auf dieselbe Weise, ohne Verhaltensänderungen daraus zu ziehen, werden uns die Aufgaben in Folgeleben immer wieder über den Weg laufen.

Agami schließlich bedeutet "künftig". Damit ist das Karma gemeint, das wir im Hier und Jetzt erschaffen und dessen Wirkung sich in der Zukunft zeigen wird.

Sanchita und Agami können wir handelnd beeinflussen, wir können beide über bewusste oder unbewusste (unsere Seele erinnert sich an frühere Geschehnisse) Reaktionen kontrollieren.
Das Prarabdha können wir nicht steuern, wir müssen es erfahren, erleben. Wir werden mit den Handlungen der Vergangenheit konfrontiert, deren Wirkung jetzt stattfindet. Diesen müssen wir uns stellen, da müssen wir durch. "Gut" oder "schlecht" sind als menschliche Beurteilungen erstmal unwichtig. Am Ende zählt nur, dass du alle Erfahrungen gesammelt, alle Lebensaufgaben bewältigt hast. Irgendwann hat die Seele alles erlebt, ist dann erleuchtet (Buddha = der Erleuchtete) und aus der ewig erscheinenden "Karma-Spirale" erlöst.

Irgendwann ist jede Seele erleuchtet. Ich persönlich glaube ja, dass z.B. Jesus Christus und Mohammed (Wer weiß, vielleicht ja sogar der noch unter uns Erdenbürgern weilende Dalai Lama?) "nur" Menschen sind, die ihre Lebensaufgaben mit Bravour gemeistert und es nicht mehr nötig haben, auf Erden Karma anzusammeln, sondern uns nunmehr als kraftvolle Energien bei der Bewältigung unserer eigenen Aufgaben unterstützen.

Gutes Karma

Etwas verpönt als "spiritueller Materialismus" bezeichnet, wird im Buddhismus der Drang, möglichst viel Gutes zu tun, um möglichst viel gutes Karma anzuhäufen. Wer so handelt, habe das Prinzip von Ursache und Wirkung nicht verstanden. Zunächst können wir gar nicht beurteilen, was "gut" oder "schlecht" für unser Karma ist, erst die Kumulierung von Erfahrungen und unseren Reaktionen darauf bestimmt das endgültige Ziel, die Erleuchtung, das Erreichen uneingeschränkter Liebe, Weisheit und Glücks, die Verschmelzung mit dem großen Ganzen.

Nehmen wir mal an, du bestiehlst jemanden. Das sehen wir ja grundsätzlich schon mal als "schlecht" an, weil jemand absichtlich geschädigt wird. In jedem Fall verursachst du dem Opfer das unangenehme Gefühl, bestohlen worden zu sein. Vielleicht hilfst du diesem aber auch dabei, die nötige (Lebens)erfahrung zu machen, wie es sich anfühlt, bestohlen worden zu sein. Seine Reaktion könnte sein, zukünftig besser auf seinen Besitz aufzupassen oder gar nicht erst so viel Besitz anzusammeln, dass es sich lohnt, bestohlen zu werden. Vielleicht ist die Handlung des Stehlens also in dem Moment gar nicht so schlecht, wenn auch du als Reaktion die Lehre ziehst, dass es nicht gut ist, jemandem ein schlechtes Gefühl zu verschaffen und zukünftig eben nicht mehr stiehlst.

Ebenso verhält es sich mit den guten Taten. Du schenkst jemandem etwas. Du erwartest zwar keine Gegenleistung, aber Freude und Dankbarkeit, die dir ein gutes Gefühl vermitteln, dir eine gewisse Befriedigung geben. Vielleicht handelst du diesbezüglich sogar berechnend ("egoistischer Altruismus"). Die Reaktion des Beschenkten könnte aber gar keine Freude sein. Er könnte sich in deiner Schuld fühlen und somit durch das Geschenk gleichzeitig ein ganz schlechtes Gefühl erhalten. Autsch. Eine Lehre für dich, dass nicht jede gute Tat für die Gesamtheit gut sein muss. Vielleicht aber doch, weil du dem Beschenkten als Reaktion auf sein schlechtes Gefühl hilfst zu lernen, einfach mal etwas annehmen zu dürfen ohne sofort nach einem "Ausgleich" zu suchen.
Der energetische Ausgleich ist gewiss, wenn nicht jetzt, dann später. Darauf darf man ruhig vertrauen.

Also "alles gut"?!

Auch das ist wieder etwas einfach, oder?
Im Buddhismus gibt es zwar keine Gebote oder Verbote, keine Sünde und es wird davon ausgegangen, dass man alles einmal erfahren haben und darauf reagiert haben muss, um die Erleuchtung zu erreichen, aber es gibt sogenannte Kleshas ("Leiden, Plagen").

Mit Kleshas sind Emotionen gemeint, die auf dem Weg zum Glück vermieden werden sollten, am Ende vollständig überwunden sein müssen. Namentlich werden in den buddhistischen Lehren als sechs Wurzelkleshas Begierde, Zorn, Stolz, Unwissenheit, Zweifel und die Anhaftung an falsche Vorstellungen genannt. Diese würden die klare Wahrnehmung trüben und könnten, oft als Kleinigkeit begonnen, in ihrer Wirkung katastrophale Ausmaße annehmen.

Sehr wichtig auf dem Pfad zum Glück seien dagegen Vergebung und Verzeihen. Natürlich kannst du über die Handlung einer Person sehr wütend sein, die Person selbst dafür sogar hassen. Wenn du aber nicht irgendwann verzeihst, wird dich dieses schreckliche Gefühl nicht loslassen, es wird immer wieder ausgelöst und vergiftet dein Denken und Handeln. Dafür ist dann nicht mehr der andere mit seiner Tat verantwortlich, sondern du selbst. Wähle eigenverantwortlich eine andere Reaktion: Verzeihe.

Auch im Buddhismus werden Nächstenliebe und Selbstlosigkeit ganz groß geschrieben. Doch auch "Egoismus" spielt gleichzeitig eine Rolle, denn du kannst andere nur lieben, wenn du dich selbst liebst. Du kannst anderen nur verzeihen, wenn du dir selbst für deine Handlungen vergibst, auch die "schlechten" ganz neutral als lehrreich anerkennst.

Schalte den Verstand aus

Tu Gutes und denke nicht drüber nach, erwarte keinen Dank - dein Herz weiß, was richtig ist!
Was genau darüber entscheidet, ob unser Wirken gut oder schlecht ist, ist ebenso unüberschaubar wie die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Keine Handlung sei vergebens, nichts sei verloren. Ausschlaggebend sei nicht unsere Handlung oder unser Gedanke selbst, sondern die Auswirkung unseres Tuns auf uns selbst und andere. Es sei nicht einmal von Bedeutung, ob etwas nun offensichtlich "gut" oder "schlecht" ist, sondern nur, ob eine Handlung sich heilsam und förderlich oder schädlich und verletzend auswirke. Mit unserem angesammelten Erfahrungsschatz sollten wir durchaus in der Lage sein, die jeweils richtige Entscheidung für unser Handeln "aus dem Bauch heraus" zu treffen. Notfalls das nächste Mal eben anders, denn wir sind naturgegeben lernfähig und erhalten unendlich viele Chancen - wenn auch immer wieder in den unterschiedlichsten Facetten dargereicht.

Die besten Momente seien jene, in denen wir in tiefster Selbstlosigkeit einem anderen unter die Arme greifen. Ihm helfen. Seine Freude teilen. Ihm ein Lächeln schenken. So machen wir die Welt für ein anderes Wesen ein kleines bisschen besser - ohne darüber nachzudenken, ohne jedes Kalkül. Dann? Dann ist wirklich alles gut!

Schlussfolgerung

Sowohl an der Redewendung "Wie man's macht, macht man's verkehrt!" als auch der fast schon als Floskel angewandten Aussage "Alles ist gut!" ist etwas Wahres dran. Korrekt bzw. neutral sollte es heißen: "Alles basiert auf dem Prinzip von Ursache und Wirkung, aus der Reaktion können wir lernen und das nächste Mal anders agieren." Ob der 'ewige Pessimist', der 'Eso-Freak' oder der 'altkluge Besserwisser' recht hat oder nicht, sagt ihm irgendwann das Licht.

Folgerichtig scheint einzig, dass es sehr wohl von Bedeutung ist, wenn in Hamburg eine Schaufel umfällt, in China ein Sack Reis oder jemand mit dem Auto mal eben Zigaretten holen fährt, denn auch solche Geschehnisse sind Reaktionen auf eine Ursache, die wieder Reaktionen bewirken. Die universelle Tragweite dieser vermeintlichen Lappalien für das große Ganze, vermag jedoch niemand zu beurteilen. Eben alles Karma...
Und Karma ist fair: Es ist - ob "gut" oder "schlecht" - genau das, was wir für unser persönliches Wachstum brauchen. Es lässt uns die Wahl, unser "Schicksal" selbst zu gestalten. Wir sind durch Gedanken und Taten Schöpfer unserer Realität.


Literatur:
  • Hawkeye, Timber: Sit Happens. Buddhismus in allen Lebenslagen. Knaur Taschenbuch, 2014
  • Seegers, Manfred: Aspekte der buddhistischen Karma-Lehre. In: Buddhismus Heute, Nr. 50/2011
  • Teves, Dorothee: Das Gesetz des Karma. In: Happinez, Nr. 4/2019

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14.12.2019


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