Niemand will alleine sein - MyLife #22

Ich wurde zum Nachdenken angeregt...

...als ich mich Anfang dieser Woche mit jemanden hier auf Steemit unterhielt. Es ging ganz kurz nur um das Thema Spätschicht welche ich diese Woche absolvierte. Eigentlich war ich dieser Schicht immer ein wenig abgeneigt in meiner früheren Tätigkeit in der Pflege. Das Arbeitspensum ist geringer als in der Frühschicht. In der Frühschicht rennst du 7-8 Stunden durch. Das ist nicht schlimm. In der Frühschicht kommst du mit Ärzten und Therapeuten in Kontakt von denen man so einiges lernen kann.
Und in der Spätschicht? Kaffee trinken, Abendessen und der Tag dort ist gelaufen. Dazwischen hat man sehr viel Zeit. Meistens hockt man im Schwesternzimmer. Vereinzelt ist ein Betreuer auf der Station unterwegs und sucht einen Bewohner auf um sich mit ihm zu beschäftigen.

Das Thema Spätschicht und viel Zeit in dieser zu haben beschäftigte mich von nun an. Ich konnte nicht mehr wirklich im Schwesternzimmer hocken. Dort gibt es 24 Pflegebürftige auf der Etage. 40% davon sind noch recht mobil und gestalten ihren Alltag selbst. Aber was ist mit den restlichen 60%?!
Die Betreuer dort machen ihren Job keine Frage, aber um alle können Sie sich auch nicht kümmern.
Und wir? Das Pflegepersonal. Wir sind doch nicht nur dafür da um auf die Gesundheit und Grundpflege der Bewohner zu achten. Es geht doch auch um das allgemeine Wohlbefinden.

Dienstag

Ich begann meinen Dienst um 13:30 Uhr. Es war gerade Mittagsruhe. Ich schnappte mir mein Telefon und Pieper und schlenderte durch die abgedunkelten Gänge. Das Licht auf den Gängen wird meist ausgemacht zur Mittagsruhe und in der Nacht. Ich lief den einen Gang hinauf und musterte die Zimmernummern wo auch die Namen der Pflegebedürftigen drauf stehen. Bei Zimmernr. (...) blieb ich stehen. Ich kannte Frau (.......). Schon öfters war ich bei ihr drin. Sie ist über 90, Bettlägerig, kann nicht mehr so gut sehen und Besuch bekommt sie meines Wissens sehr selten. Ich klopfte an, schloss die Tür auf und war erst einmal überrascht wieso es so kalt im Raum ist. Ich begrüsste sie und drehte erst einmal die Heizung auf. Sie saß im Bett und klammerte sich mit einer Hand am Bettgitter fest. In ihrem Gesicht erkannte man ganz deutlich das das allein sein hier im Raum ihr Stress bereitet. Ihr Gesicht war leicht verzehrt deswegen. Im Raum war es ruhig. Kein Fernseher oder Radio lief. Sie murmelte irgendetwas während ich mir einen Stuhl nahm und ans Bett stellte. Nachdem ich mich setzte und Sie wiederholt ansprach wer ich denn bin löste sich ihr angespanntes Gesicht ein wenig. Sie fing sofort an zureden. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt. An der Wand hängen mehrere Fotos aus ihrer Vergangenheit. Ich nehme solch Dinge immer gerne zum Anlass Gespräche zu eröffnen. Auch wenn viele alten Leute vergesslich sind, sei es Altersbedingt oder halt durch Demenz, das Langzeitgedächtnis ist oft bemerkenswert erhalten geblieben.
Während sie am erzählen ist schweifen meine Gedanke ab. Ich schaue mich im Raum um. Diese Tristheit. Und die meiste Zeit ist sie hier alleine. Wie sich das wohl anfühlt? Ich versuche mich in die Lage zu versetzten. Es muss wohl alles andere als schön sein. Sie ist über 90. Sie hat ihr Leben gelebt...und das soll es jetzt hier sein? Das soll es jetzt hier sein wie ihr Leben zu Ende geht? Sie hat eine Tochter die sie aber nur sehr selten hier besucht. Warum machen die Kinder so etwas? Lassen ihre Mutter hier sitzen. Ich habe andere Pflegebedürftige hier auf der Etage da kommen Angehörige alle 2 bis 3 Tage. Aber nicht bei ihr. Will ich so alt werden? Nein, bitte nicht!
Meine Gedanken richten sich wieder zu Ihr. Sie erzählt immer noch. Meistens davon das sie früher Hausfrau war. Sie muss das irgendwie gemocht haben habe ich das Gefühl. Ich nehme ihre Hand. Sie schaut mich kurz an und lehnt sich dann zurück in ihr Bett. Sie wirkte von dem Moment an sehr ruhig. Sie merkte jemand ist hier....jemand ist hier bei ihr.

altjunghand.jpg
(Photo by @baffoussam)

Ich verweilte noch ein paar Minuten bei ihr bis dann irgendwann mein Pieper mich aus der Situation zog. Ich musste weiter. Die restlichen Tage bis zum Wochenende ging ich immer für ein paar Minuten zu Ihr. Das tat ihr gut. Es sind zwar immer nur ein paar Minuten aber besser als überhaupt nicht.

Ich denke privat nicht all zuviel über das nach was dort geschieht. Tut man das im Übermaß kann das einen schädigen. Aber dennoch sind es solch Augenblicke wo ich dann selber in die Zukunft schaue und mich frage was mit mir sein wird. Was wird mit mir sein, mit dir, mit uns allen. Ich bin kein Experte aber wenn ich eine Empfehlung rausgeben darf dann diese:

Sorgt um eure Kinder. Erzieht sie so das sie es euch immer danken werden und immer für euch da sind. Pflegt Freundschaften und soziale Kontakte. Seit immer freundlich zu anderen. Sie werden es euch immer danken und mit Glück sitzt niemand von uns später alleine dar. Keine von uns will das.

Ich verabschiede mich und melde mich dann bald wieder! ;)

Note: Solch Bilder wie ich es heute hier veröffentlicht habe werden nicht die Regel sein. Eigentlich ist es nämlich streng verboten Fotos in Pflegeheimen zu machen. Aber bei dieser Situation konnte ich nicht widerstehen. Ich werde niemals Gesichter dort fotografieren oder Namen von Pflegebedürftigen veröffentlichen. Die Persönlichkeitsrechte der Leute will ich wahren und sind mir heilig. (auch wenn ich mit dem Foto auf einem ganz schmalen Grad tanze)

Ich hatte mal wieder ne #Endlosschleife^^
Keine Ahnung wer das ist, aber gefällt mir. Schnulzig? Mir egal, ich hör alles.^^
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