Vergib mir, denn ich liebe dich!

Heute möchte ich euch eine Geschichte erzählen, die mich sehr viel gelehrt hat über Liebe und Vergebung.

Die Geschichte zog sich über 30 Jahre hin, ich hoffe also, ihr habt ein bisschen Zeit mitgebracht.

Familie entsteht nicht durch die Blutlinie, sondern durch Liebe.

Ich bin das, was man ein Unfall-Kind nennt.
Meine Eltern liebten sich nicht aber meine Mami wollte mich und entschied sich bewusst für mich und veränderte mit ihrer Schwangerschaft ihr ganzes Leben.

Mein leiblicher Vater ist ein Esel, nicht im wörtlichen Sinne natürlich aber im Übertragenen.

Als ich etwa 1 Jahr alt war, lernten meine Mami und ich meinen Stiefvater kennen. Klar, damals war er nicht mein Stiefvater, sondern der gutaussehende junge Mann hinter der Ladentheke, aber es funkte offenbar.

Der junge Mann verliebte sich nicht nur in die Frau, sondern auch in ihre kleine Tochter.
Als ich etwa vier Jahre alt war, zogen wir bei meinem Stiefvater ein und für mich begann eine unglaublich schöne Zeit.

Ich vergötterte ihn und er liebte mich. Wir waren beide sehr zufrieden miteinander und verbrachten eine wunderbare Zeit zusammen.
Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie wir im Wald so winzige Zwergenhäuschen bauten mit Möbeln drinn. Ich malte den Zwergen Bilder und versteckte sie in ihren Häuschen und wenn wir am nächsten Tag wieder vorbei schauten, waren da kleine Geschenke für mich drinn.
Wir grillten bei Regen, liessen Drachen steigen, gingen schwimmen. Wir waren eine heile kleine Familie, mein Stiefvater und ich.

Doch dann passierte etwas oder besser gesagt, es passierten mehrere Dinge zeitnah, die unsere Beziehung für immer veränderten.


  1. Mein kleiner Bruder wurde geboren, als ich 7 Jahre alt war. Ich wusste natürlich, das mein Bruder das leibliche Kind meines Stiefvaters war und hatte Angst um meinen Platz, das ist völlig normal.

  2. Ich kam in die Schule. Mein Stiefvater hatte sehr hohe Erwartungen an mich. Er wünschte sich eine gute Schülerin, auf die er stolz sein konnte und ich konnte dem nicht ansatzweise entsprechen, was immer wieder zu massiven Konflikten zwischen uns führte, die leider so auch nicht lösbar waren.

  3. Das war der Punkt, der uns den Rest gab, mein Erzeuger tauchte nach 6 Jahren aus dem Nichts wieder auf und streute sein Gift in meine offenen Wunden.



Ich weiß noch genau, wie das war.
Es war ein Sonntag, im Frühling und mein Bruder war gerade etwas mehr als ein halbes Jahr alt. Meiner Mutter ging es nicht sehr gut und mein Stiefvater musste neben seiner Assistenzarztstelle sehr viel zuhause übernehmen. Alles was damals zwischen uns noch war, waren Konflikte und meine Angst das er mich nicht mehr will, jetzt wo er das perfekte eigene Baby hatte.

Es klingelte, ich ging nach unten und machte die Tür auf. Da Stand dieser fremde Mann vor mir der breit lächelte. Ich hatte keinen Schimmer, wer er war und ohne Scheiß, er erklärte mir einfach so ins blaue hinaus, er sei mein Vater und jetzt wieder da.

Ich war 8 Jahre alt und noch ziemlich naiv, irgendwie logisch.
Er wollte mich kennen lernen und mir kam das gerade Recht. Wenn mein Stiefvater jetzt sein eigenes Baby hatte, konnte ich doch wohl meinen eigenen Vater haben.

Mein leiblicher Vater erzählte mir Märchengeschichten darüber, warum er so lange verschwunden war, und log mir das Blaue vom Himmel. Als er mir sagte, dass mein Stiefvater mich niemals lieben würde, weil er nicht mein Vater sei und nur er, als leiblicher Vater das könne, rannte er bei mir offene Türen ein.

Beim nächsten Streit knallte ich das meinem Stiefvater vor die Füße, dass er mich eh nie lieben würde (ich wusste damals nicht einmal wirklich, was Liebe war) und das ich ihn auch gar nicht bräuchte, ich hätte schon einen echten Vater. Er solle mich bloß in Ruhe lassen.

Das gab unserer Beziehung den Rest und die nächsten 10 Jahre war sie geprägt von Auseinandersetzungen, Streitereien und einfach blöden Situationen.

Meine Eltern trennten sich, als ich 14 war und der Kontakt zu meinem Stiefvater ebbte ab. Mein Erzeuger kam und ging wie beim ersten Mal. Wenn er eine Freundin hatte, die sein Kind kennen lernen wollte, kam er in mein Leben, trennte er sich von besagter Freundin, war ich wieder abgeschrieben. Er war für mich insgesamt eine einzige Enttäuschung.

Mit meinem Stiefvater hatte ich zwar ständig Streit, aber er war immer für mich da. Wenns drauf an kam, konnte ich auf ihn zählen, selbst dann noch, als er nicht mehr bei uns lebte.

Jahre später lag der Vater meines Stiefvaters im Sterben und wir kamen wieder vermehrt in Kontakt miteinander. Mein Stiefvater veränderte sich sehr durch diesen Tod und sprach mich auf viele schwierige Momente unserer gemeinsamen Zeit an. Auf all die verletzenden und abwertenden Dinge, die er zu mir sagte, als ich klein war.

Er entschuldigte sich bei mir dafür und wir redeten oft und vor allem sehr ehrlich miteinander.

Die traurige Wahrheit war, wir beide wollten nur, dass der andere uns liebt.

Mein leiblicher Vater ging mir schon immer am Arsch vorbei, ich konnte den Typen nie leiden. Ich wollte nur, dass mein Stiefvater mich anerkennt als sein Kind, mich respektiert und annimmt, wie ich bin und immer zu mir steht.




Er, wünschte sich unter seiner narzisstischen Schale genau dasselbe von mir. Als mein Vater auftauchte, bekam er Angst mich an diesen Vollpfosten zu verlieren und als ich ihm sagte, dass er eh nicht mein Vater sei, brach ihm das offenbar sein Herz.

Man kann natürlich sagen, wie kindisch, sich von einer 8 Jährigen wegen sowas das Herz brechen zu lassen, dass hätte er besser wissen müssen. Mag sein. Aber für narzisstische Menschen ist das nicht so einfach.
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Warum erzähl ich euch das?

Ich war sicher 10 Jahre voller Wut, weil ich mich entwürdigt und verraten fühlte von meinem Stiefvater. Danach verbrachte ich nochmal einige Jahre damit, ihn zu verachten.
Gemeinsam mit meiner seelisch tief verletzten Mutter zelebrierten wir den gemeinsamen Feind.

Ich fing in meiner Therapie an, ihm zu vergeben. Meine Therapeutin half mir, mehr den Fokus auf die positiven Seiten des Lebens zu richten und ich erkannte immer mehr, wie oft er für mich da war und wie sehr ich ihn gebraucht habe.

Als er um Verzeihung bat, hatte ich ihm schon längst vergeben.
Aber erst da erkannte ich seinen Schmerz und seine Sehnsucht nach meiner Liebe.

Mir wurde bewusst, wie oft wir andere wegstoßen aus Angst, verletzt oder verlassen zu werden und wie oft wir mit Menschen im Streit liegen, von denen wir uns eigentlich Liebe und Geborgenheit erhoffen.

Damals war ich ein Kind und wusste gar nicht, was Phase ist, aber heute bin ich erwachsen und möchte nie wieder so etwas in meinem Leben haben.

Ich kläre Differenzen so schnell wie möglich und versuche so deutlich wie ich kann, auszudrücken was ich mir vom anderen wünsche.

Hätte mein Stiefvater mich damals einfach in den Arm genommen und mir gesagt, das er mich liebt und ich für ihn wie eine Tochter bin, wäre uns beiden sehr viel Schmerz erspart geblieben.

Denn heute weiß ich das er mich liebt, dass er der Großvater meiner Kinder sein wird und er weiß, dass ich ihn immer gewollt habe und das ich mir aufrichtig wünsche, das er Teil meines Lebens ist.
Für mich ist er mein Vater, Blut hin oder her.

Ein Vater sitzt neben seinem Kind am Bett, wenn es mal wieder einen Alptraum hat. Er fährt zu dem Arschloch, das seine Tochter mobbt und klärt das für sein Kind. Er geht an alle Elternabende, guckt sich 5 mal dasselbe Theaterstück an, fährt Schlitten bis man die Hand nicht mehr vor den Augen sieht und liest zum 12 mal die Brüder Löwenherz.

Ich bin sehr Dankbar, hatte er den Mut mit mir darüber zu reden und die Stärke, zu seinen Fehlern zu stehen.
Niemand weiss, wie lange wir noch haben und ob wir Zeit haben werden, uns mit denen zu versöhnen die wir verletzt haben.

Ich werde jetzt meinen Eltern sagen das ich sie liebe, was tust du???

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