Nur in der Liebe zu dir, findest du die Liebe im Anderen.


Die Liebe eines Anderen kann ich nur durch meine eigene Liebe erkennen. Ich kann nicht fühlen, was er fühlt, nicht wissen wie tief seine Liebe geht. Ich kann nur von meiner eigenen Liebe ausgehend, meine Zuneigung in mein Gegenüber projizieren. Geliebt zu werden ist also nur in dem Ausmaß möglich, in dem ich mich selber liebe.

In den letzten Monaten ist mir etwas Wichtiges bewusst geworden, was mir vorher nie klar war. Es ist so simpel, wie es mir wahr erscheint.
Du kannst im Außen bei anderen Menschen nur die Liebe erkennen und finden, die du in dir trägst, für dich selbst.

Lange Zeit, fühlte ich mich nicht ausreichend geliebt. Schon als recht kleines Kind empfand ich diese Leere in mir und spürte die Abwesenheit von Liebe, als hätte mir jemand einen Arm amputiert. Ich beobachtete andere Familien genau und erkannte, dass was die da haben, habe ich nicht.

Wenn ich meine Familie ansah, fühlte ich es nicht, dieses Ding, dass ich bei anderen zu erkennen glaubte. Von dem ich in Büchern las und was ich im Fernsehen sehen konnte. Diese Liebe, ich verstand, was damit gemeint ist, aber ich fühlte sie nicht.

Je älter ich wurde, umso mehr versuchte ich, mir auszumalen, was diese Liebe bedeuten könnte. Ich baute mir ein Fantasy-Paralleluniversum in meinen Gedanken auf, in dem ich 100% ich war, äußerlich wie innerlich. Ich konnte dort alle Gefühle ausleben, die ich im realen Leben täglich runterwürgte. Natürlich war mir nicht bewusst, warum ich nach Außen emotionslos reagiere, während in mir ein Sturm tobt. Nicht einmal in meiner Therapie, wurde mir der Zusammenhang bewusst, erst jetzt, erkenne ich ihn.
Als ich etwa vier Jahre alt war, sagte mir eine Bezugsperson, wenn du über dieses Gefühl mit jemandem sprichst, werde ich sterben und du bist Schuld.

Welchen Schaden dieser Satz in meiner kindlichen Psyche hinterlassen hat, wie diese wenigen Worte etwas in meiner Seele zerbrachen, ist erstaunlich.

Irgendwann hatte ich eine vage Vorstellung in meinem Kopf, wie Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern aussehen könnte. Ich war weder fähig sie zu fühlen, sie zu leben, noch meine Sehnsucht nach ihr zu verbalisieren, aber ich konnte sie mir immerhin ansatzweise vorstellen. Ein Fortschritt.



Ich lernte sogar Menschen kennen, für die ich Liebe empfand, zumindest dachte ich damals, es wäre Liebe. Mir war nicht bewusst, dass das was ich spürte, keine Liebe war und verstand nicht, warum meine Beziehungen nicht funktionierten. Dauernd kamen mir Menschen unangenehm zu nahe. Ich war unendlich dankbar, als ich jemand fand, der die Beziehung genau so leben wollte wie ich. Immer schön mit einem aufrechten Schutzpanzer dazwischen und genügend Abstand, um die Sicherheit nicht zu gefährden. Natürlich war mir auch das nicht bewusst. Obwohl ich mich augenscheinlich glücklich schätzte, fehlte mir etwas Gravierendes im Leben. Etwas Existenzielles das ich suchte, aber nirgends fand. So war ich immer getrieben, immer irgendwie doch unzufrieden und immer auf dem Sprung.
Also beobachtete ich andere Menschen und mich, reflektierte meine Beziehungen und forschte immer weiter nach der Ursache für meine Rastlosigkeit.

Erst in dem Moment in dem ich meine Liebe zu mir wieder entdeckte, erst als ich anfing mich zu öffnen und meine Emotionen zu verbalisieren, erkannte ich den größten Verlust in meinem Leben.

Fasziniert beobachte ich, wie mein Liebesradar wächst und ich endlich das fehlende Puzzlestück in meine Seele integrieren kann. Was ich all die Jahre da draußen suchte, was mich all die Zeit so unvollständig sein ließ, war nicht die in meiner Wahrnehmung fehlende Liebe meiner Eltern, sondern meine eigene fehlende Liebe für mich selbst.

Erst jetzt erkenne ich im Lächeln anderer die Liebe für mich. Zum Ersten mal verstehe ich was andere damit meinen, wenn sie sagen, Gefühle werden über die Augen transportiert. Vorher dachte ich, was reden die da bitte? Jetzt erkenne ich die Liebe selber im Lächeln des Anderen. So wie ich das verstehe, ist dass nur möglich, weil ich diese Liebe in mir selber trage, weil ich in meinem Lächeln endlich die Liebe für mein Gegenüber fühle.

Natürlich ist das gerade im Zusammenhang mit der Autismus Diagnose sehr spannend. Damals, mit 24 kannte ich keine wahrhaftige Liebe und war nicht imstande, diese zu spüren oder wirklich zu erkennen. Doch jetzt bin ich es. Und mit der Liebe kommt viel mehr Kraft und Ruhe in mein Leben. Ich komme bei mir an, kann Reize besser ausblenden, mich mehr auf mich selbst fokussieren. Ich weiß nicht genau, wie ich den Zustand beschreiben soll, aber früher flossen alle Reize der Welt direkt in mein Bewusstsein.
Jetzt baut sich langsam wie eine Art fließender Schutz um mich herum auf. Je mehr ich in mir selber ruhe, umso weniger kommen die Geräusche der Welt an mich heran. Ich bin stabiler, gelassener, selbstbewusster und sehe enorm viel Potential nach oben.

Was ich mich frage, bin ich biologisch kein Autist, sondern wurde nur miserabel sozialisiert als Kind oder wäre dieser Effekt bei den meisten Autisten (ohne schwere kognitive Defizite) möglich?
Die Antwort wird wohl erst mal noch im Verborgen bleiben.

Dennoch finde ich diese Wandlung interessant und wollte sie mit dir teilen.
Vielleicht liest das jemand der sich genauso ungeliebt und wertlos fühlt, wie ich mich früher wahrgenommen habe, und kann etwas für sich mitnehmen.

Vielleicht magst du mir einen Kommentar dalassen, ob du ähnliche Erfahrungen damit gemacht hast wie ich, oder vielleicht ganz andere?


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(Bildquelle Pixabay CC0 Lizenz)

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