Subversiv sucht Müller-Ditschler heim

Heute waren wir im Modehaus Müller-Ditschler (MD), dem Damenausstatter aus der Fürstenstadt Büdingen, wo meine Frau und ich sogar Mal im Schloss in einem Märchenzimmer übernachtet haben. Lila, hoch, kühl und ein kuscheliges Bett. Es war Frühherbst und wir die einzigen Gäste, aber darum gehts hier leider nicht.

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Hanau, Salzstraße im Sommer, nahe Modehaus Müller-Ditschler. Blick gegen Marktplatz. Parallel rechts, in der Langstraße, spielten sich am Samstag skurrile Szenen ab. Bild von Wikipedia

MD unterhält in Hanau ein gediegenes, zweigeschossiges Kaufhaus, nur für die Frau. Mit Espresso und Keks, was wartenden Herren auf üppigen Sitzgelegenheiten von gepflegten Verkaufshostessen angeboten wird. Genügend Auslauf vor den Umkleiden dient der galanten Präsentation, wie auch der Besprechung mit einer Verkaufsstylistin. Während sich die Dame kritisch vor den Spiegeln von allen Seiten zu betrachten sucht. Der zugehörige Herr schaut nun besser interessiert, sonst kann er sich manche Freuden für den Rest des Tages abschminken. Sogar Lesestoff ist am Chaiselongue ausgelegt. Unser Enkel war auch dabei. Elf Jahre alt, ständig damit beschäftigt die Alten zu unterhalten, weil er schließlich die Hauptperson ist.

An gediegenes Abhängen vor der Umkleide war heute schon wegen Überfüllung nicht zu denken, so dass der brave Enkel mir seinen sofort eroberten, einzig freien Sessel an der Wand überließ, bevor er sich aufmachte durch die Gänge zu streunen. Espresso war heute nicht drin. MD hält Räumungsverkauf, vor einem Umbau. Alles muss rauś – 50 Prozent Nachlass – ohne Ausnahme. Wir vermuten, dass sie im ersten Stock bald Obermieter haben werden. Hoffentlich eröffnen die keine Herrenabteilung.

Kurzum, seidenweiche, reine Cashmere-Pullover im breiten Zopfstrick, gab es heute für schlappe hundertsechzig Euro. Vor mir, auf einem Podest, lag eine frühlingshaft gekleidete Schaufensterpuppe auf dem Bauch. Beide Beine nach oben angewinkelt, blickte sie mich schon beim Hereinkommen kess an. Nun, gemütlich im Sessel sinnierend, ließ es sich nicht vermeiden, ihr unter den Rock zu schauen. Schon malten die Gedanken dunkle Orchideen auf die Unterseite ihres hell heraus scheinenden Torsos, als mir die Idee kam.

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Vielen Dank flickr.com

Der Sessel war flankiert von Schaufensterpuppen, die recht hübsch angezogen waren. Die Brünette neben mir, direkt linker Hand, war in einen dunklen Overall gehüllt, aus luftigem Stoff mit großflächigem Schlingenmuster in beige und ocker, gedecktem Weiß und Dreiviertelbein. Vom Hals ging der güldene Reißverschluss bis hinunter zum Schritt, mit goldenem Chanel-Ring am Zipper und darin eingelassenen Brilliantimitaten. Magisch angezogen, peilte ich von unten nicht nur den edlen Ring an, stand auf, steckte mit allen Sinnen fühlend meinen Zeigefinger hindurch, erkundete zufrieden das fette Metall und zog es bis hinunter zum Schleifchen im Bund ihres virtuellen Höschens. Dann zupfte ich ihr, unter Nutzung gewonnener Freiheitsgrade, mit sinnlich geneigtem Kopf und leichter Bewegung, den rechten Busen etwas freier. Nur etwas!

Dummerweise hat mich dabei der Enkel beobachtet. Ganz entgegen seiner ungestümen Natur, war er die ganze Zeit meiner Vertiefung mucksmäuschenstill. Um dann sogleich quer durch den Laden die Oma zu alarmieren. „Oma! Echt Jetzt! Oma! Guck Mal Oma, was der Opa gemacht hat! Der hat der Puppe am Busen gefummelt!“ Sein Kichern konnte er am Schluss nicht mehr unterdrücken. Es war nicht nur meine Frau, die jetzt einen Opa gesucht hat. Nachdem Oma fest schweigend, mit ernstem, ja strafendem Blick festgestellte, dass sich keine Dame in meiner unmittelbaren Nähe befand, hat sie sich schweigend viel Zeit für das üppige Angebot genommen und zum Schluss sogar extralang in der Kurzwäsche geblättert. Stück für Stück, dachte sie vielleicht gar nicht über Kleidung nach.

In meiner Familie sind alle Petzen. Selbst ich kann ganz schwer was bei mir behalten. Nur Elke nicht. Sie kriegt alles gepetzt. Die Atmosphäre hat sich noch im MD schnell entspannt. Schön schien die Sonne hell am Mittag, als wir ein paar Häuser weiter, vor der Wokküche überlegten, ob nun ein leichter Imbiss das Rechte wäre. Da schien der Mann neben uns mit einer Platte im Gehweg laut zu sprechen. Etwa fünfundvierzig Jahre alt, nach hinten gegeltes, schwarzgrau üppiges Haar. Hervorragend gepflegte Erscheinung, elegant gekleidet, griff er an sein Ohr:

„Ja, in de Langgass! Hanau! Wunderbar! Ja, isch steh grad vorm Wok-Schienees. Da geh isch jetzt nei unn ess die Sommerroll.“ Der Enkel hat als erster gemerkt, was der Mann gesagt hat. Ich meinte nur noch panisch mit Armen und Händen wippend: „pssst, pssst!“, während er sich immer wieder lustig kichernd „…Isch ess die Sommerroll…“ vorsagte. Wenn Elfjährige kichern, klingt das noch sehr mädchenhaft, lustig, eigentlich ganz toll ansteckend. Oma und ich schauten uns tief in die Augen und mussten dermaßen lachen, bis wir schließlich den Mann mit seinem Mobile im Wok-Chinesen aus den Augen verloren. Mir hat es sehr gut geschmeckt. Elke war nicht ganz zufrieden. Ihr eigenes Butterchicken Curry schmeckt aber auch unschlagbar gut.

Bei MD shoppen ist, selbst ohne Espresso und Keks, Tiefenentspannung pur. Dabei hat Oma nicht mal was eingekauft und niemand sonst hat gesehen, was dort tatsächlich passiert ist. Beim Hinausgehen sicherte ich noch mit einem Blick ab, dass sich kein Personal an der Puppe zu schaffen machte. Ihr atemberaubendes Dekolleté leuchtete durch das ganze Erdgeschoss hindurch.

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