Sind wir hier eigentlich richtig?

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Einem unserer sympathischen „Neuen“, @hatoto, ist der Kragen geplatzt. Warum hier so viele Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger, Nazis und Fremdenhasser völlig unbehelligt ihre absurden Elaborate posten können, hat er sich in seinem jüngsten Artikel „Hört auf wegzuschauen!“ gefragt. Was wir doch für gleichgültige, geldhungrige Coinsammler wären, weil wir uns aus reinem Opportunismus nicht einmal gegen die abwegigsten Äußerungen stellen würden, hat er provokant postuliert. Das war verdammt mutig doch der Autor ist, so nachvollziehbar mir seine Ausführungen auch erscheinen mögen, voll auf dem Holzweg.

Niemand zwingt dich

Mit dem Thema habe ich mich auch intensiv beschäftigt und dabei sogar einschlägige Erfahrungen gesammelt. Nicht mit Reichsbürgern oder Nazis, sondern mit Christen, die ich gerne Kampfchristen nenne, wenn sie beseelt ihr jämmerliches Gottesding in die Öffentlichkeit hinaus posaunen. So einen Artikel habe ich einmal, am Anfang meiner Steemlaufbahn, fundiert kritisiert, fein dagegen argumentiert und eigentlich wollte ich ihn in Grund und Boden stampfen. Ich war empört, dass jemand auf dem schönen Steem tumbe Gottesverschwörung verbreitet, bekam aber eine sehr passende, völlig logische Antwort:

Wenn du erkannt hast, dass du nicht magst was ich schreibe, so höre doch auf es zu lesen und ziehe einfach weiter zu Autoren, die dir besser gefallen. Hier gibt es für jeden Geschmack Interessantes zu finden. Niemand zwingt dich, meinen Blog zu lesen.

Ich fand diese Reaktion so verdammt reif, überlegt und aufgrund meines eigenen Geiferns gleichermaßen beschämend. Da kann einer derart idiotisches Zeug schreiben, so irr wie es überhaupt nur denkbar ist, doch begegnet ein Autor harscher Kritik gleichmütig, sachlich und überlegt, fordert das zunächst erstmal vollen Respekt. Egal, welche Ansichten gerade zur Debatte stehen. Das war die erste Erkenntnis.

Was der Steem ist

Die zweite Erkenntnis kam vom Steem selbst mit meinem zunehmend tieferen Verständnis von seiner eigentlichen Aufgabe. Das stellte sich beim Übersetzen des Smart Media Token Whitepapers ein. Es geht hier nicht um Meinungen, Politik, Religion oder all die anderen, mannigfaltigen Themen, um die sich die verschiedensten Autoren bemühen. Es geht auch überhaupt nicht um Austausch, oder gar Diskussion. Zufällig mögen Dialoge hie und da entstehen, doch das sind Nebenschauplätze, die rein nichts mit dem Sinn und Zweck des Steem zu tun haben. Wir Autoren und Blogger neigen vielleicht mitunter dazu, den Steem als Rundfunk unserer Weltanschauung zu sehen. Aber dafür wurde er überhaupt nicht erschaffen.

Seine vornehmliche Aufgabe besteht darin, Medienprodukte zu speichern und ihre Urheberschaft festzuschreiben. Gleich welchem Sujet ein Werk verpflichtet ist. Der Zweck des Steem ist, ganz schlicht, als Konserve zu dienen, für professionelle Medienerzeugnisse aller Art. Die eigentliche Verwendung der gespeicherten Werke, etwa zum Zweck der Monetarisierung, soll mit der Publikation im entsprechenden Zielmedium erfolgen. Das alleine ist der Steem. Nicht mehr und nicht weniger. All das Geschwurbel vom sozialen Medium führt uns in die vollkommen falsche Richtung. Es könnte eine Art der Nutzung sein, aber die Infrastruktur dafür wird von der Steemit Inc. nicht geliefert. Wer das möchte, muss seine eigene Lösung implementieren.

Was der Steem nicht ist

Es ist nicht die Aufgabe von Coin–Minern, Meinungen der Autoren auf ihre gesellschaftliche Kompatibilität hin zu überprüfen. Es geht einzig darum zu beurteilen ob ein Erzeugnis gefällt, oder nicht. In letzterem Fall darf man neben dem Vorenthalten eines Votes sogar die Flag setzen, wenn man es gar so schlimm findet. Ich habe mich nach meinem Christenkontakt schließlich darin geübt, Erzeugnisse zu ignorieren, die mir nicht gefallen. Ich lese ja auch nicht freiwillig auf Naziseiten beim Holocaustleugnen mit. Warum also sollte ich Ähnliches hier tun? Wegen der Außenwirkung unserer Blockchain? Als Aufpasser? Merke: Das ist nicht meine Blockchain! Ich sorge hier nur für Betrieb und bekomme dafür Coins.

Steemit ist keine Diskussionsbude. Sollte es das sein, oder einmal werden, sähe die Oberfläche vollkommen anders aus. Ich meine, dann hätten sie doch gleich forumähnliche Strukturen implementiert. Es ist ja kein Geheimnis, wie man so etwas aufbaut. Man kann das sogar als fertige Bibliothek für kleines Geld kaufen und einfach mit einbauen. Aber darum ging es nie. Wer den Disput sucht, soll sich dafür sein eigenes Forum auf dem Steem entwickeln. Hätte Steemit das Genre gewünscht, gäbe es längst passende Strukturen. Die Blockchain zielt primär auf die Medien.

Social, also Zustimmung, Austausch, Nestwärme ergeben sich hier vielleicht rein zufällig, etwa aufgrund einer lockeren Gemeinschaft, der sich der eine oder andere Teilnehmer verbunden fühlt. Doch ansonsten macht hier jeder Blogger sein ganz ureigenes Ding. Viele von uns sind vollkommen verpeilt über die eigentliche Aufgabe des Steem und in Folge eben auch darüber, was die eigene Rolle betrifft. Diese Blockchain ist ein Speicher und eine Coinmine, in der wir unsere Produktionen einlagern sollen. Sie ist ganz sicher kein Prüfstand, auf dem diese Produktionen inhaltlich, politisch oder weltanschaulich ventiliert werden sollen, bis sie jedem passend erscheinen.

Notwendige Testmasse

Letztendlich war auch der ursprüngliche Zweck Grund dafür, warum wir den Steem oder Steemit nicht zum Gegenstand unserer Produktionen erheben sollten. Als die „Guild deutsch“ noch Votingvorschläge für Wale aussuchte, war das eine der Voraussetzungen für ein Vote. Heute verstehe ich, warum das gefordert wurde. Doch die Guild gibt es nicht mehr und es gibt auch niemanden mehr, der den Neuen klar macht, was wir hier eigentlich tun. So kommt es, dass der Steem mit Facebook oder sonstigen Foren verwechselt wird, obwohl wir ganz deutlich ein grundlegend abweichendes Modell benutzen.

Wir sind der Treibstoff, der das Modell momentan am Laufen hält. Die eigentliche Zielgruppe dieser Blockchain ist der Medienmarkt, auf dem professionelle Inhalte gehandelt werden. Der Smart Media Token deutet ebenfalls ganz klar darauf hin, wie die Reise zur Professionalisierung weiter gehen wird und wir sollten uns darüber keinen Illusionen hingeben. Die frühen Steemians sind tatsächlich Crashtestdummies, Testblogger, die das System auf seine Belastbarkeit hin prüfen und seine Funktion demonstrieren sollen. Die Zielgruppe sind wir Amateure sicher nie gewesen und mit dem anvisierten Massenmarkt ist auch kein Facebookgeblubber gemeint, sondern Produkte professionell Medienschaffender und ihrer millionenschweren Unternehmen. Ganz sicher ist der Steem nicht der Ort, an dem es tieferen Sinn macht, sich in politische Gegner zu verbeißen.

Edit:

Nun habe ich Fehler entdeckt. Ich hätte an mancher Stelle lieber Steemit geschrieben, als Steem. Die Blockchain lässt selbstverständlich mehr zu, als der Condenser Steemit zeigt. Was zum Beispiel das Listing der Wallet–Ereignisse betrifft, kann ich immer wieder vermögende Einzelfälle feststellen, die sich nur noch eingeschränkt listen lassen. Ich habe es nie dokumentiert. Das ist die Archillesferse der Behauptung. Vielleicht fehlt es mir immer in dem Moment an Bandbreite. Sollte sich dieser Umstand bestätigen, hätten wir es mit einer nicht angekündigten Fork zu tun. Frontend Fork, wohlbemerkt. Die Steemit Inc. kann mit ihrem Condenser Steemit treiben, was ihr gefällt. Klar, oder?

Titelbild: Juden lebendig verbrannt für die angebliche Wirtsschändung. Wikimedia Commons . Von Michel Wolgemut, Wilhelm Pleydenwurff - Liber Chronicarum / Die Schedelsche Weltchronik.

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Crash Test Dummies on Steem

Meine aufmerksamen Stammleser haben schon längst festgestellt: Ich schreibe nicht mehr über den Steem. Das hier ist eine Ausnahme. Obwohl der Steem mir täglich neue Themen über sich ins Ohr wispert, bin ich nicht mehr in der Lage, ihn zum Gegenstand meiner Arbeiten zu wählen. Da halte ich mich seit Monaten ganz strikt an die Regel der ehemaligen Guild: Nicht über den Steem oder Steemit schreiben. Ich vote auch kaum noch Postings über den Steem, seine Jubilare und all die Nabelschauen, die eben nicht dem eigentlichen Zweck der Blockchain dienen: Qualitätscontent speichern. Wir sollen nicht über das Werkzeug schreiben, sondern es für unsere Werke nutzen und wer keine verfassen kann, ist hier nach der Testphase immer am falschen Platz. Die Wahrheit klingt hart und eins könnt ihr mir glauben: Je deutlicher mir das wird, desto mehr zweifle ich selbst, auf Dauer am richtigen Ort zu sein. Ich gehöre ganz klar nicht zur Zielgruppe dieses Blockchain–Unternehmens Steemit, sondern bin lediglich willkommener Testuser. Was nicht das Schlechteste ist.

Die gute Nachricht kommt zum Schluss: Es steht jedem frei, die Blockchain so zu nutzen, wie es passt. Wer sich also gerne an Nazis abarbeiten möchte, kann sich ein Forum dafür programmieren. Wer ein Forum sucht, palavert einfach los. Unser Steem ist das, was wir daraus machen.

In eigener Sache

Dieser Artikel wird mehrfach überarbeitet und kann seit Hardfork 19.10 jederzeit verändert werden.

Tipps für den Tümpel sein Pool

  
Schau mal bei @t3ran13 vorbei. Da siehst du, was unter #deutsch mit der Tag–Reputation nach „t3ran13“ abgeht. Gratulation zum Platz eins für deinen Florian Fischer, lieber Weggefährte @freiheit50.

Steem om, liebe Community.

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