Frank Zappa und ein Servierwagen deutscher Hippies

Bald fünfzig Jahre nach Erscheinen eines amerikanischen Songs auf Deutsch beschäftigt mich immer wieder die Frage, wie der große Frank Zappa gerade auf diesen Refrain gekommen ist: „Aber beklecker nicht das Sofa, Sofa!!“ Man kann über den Text nachdenken, ja muss das Thema sogar zwingend erwähnen, gewährt Zappas Werk doch einen ungewohnt direkten Blick auf berühmte, deutsche Hippies. Ich will nicht andeuten, dass sich dadurch ein typisches Bild des hiesigen Hippietums offenbaren muss, doch bietet sich eine gewisse Nachdenklichkeit an. Interessant ist das Werk alleine deswegen, weil unsere Jugend diesen herausragenden, erotischen Leuchtturm deutschen Liedgutes, leider kaum noch auf dem Schirm hat.

Frank Zappa war gerne in Deutschland, hat öfter in unserer Sprache gesungen und in seinen Texten beiläufig, pikante Interna preisgegeben. Wie ich darauf komme? Passt nur auf die Texte auf, liebe Leser und die Zeitgeschichte der frühen Siebziger. Die Texte sind eindeutig der Kommune I in München zuzuordnen. Stichwort: Langhans-Obermeier. Sie verraten uns im Originalton gesprochene Zitate, von einem Amerikaner im Lauttext fasziniert aufgeschrieben, direkt der bürgerlichen Seele einer vom Boulevard zelebrierten, deutschen Hippie-Kommune entsprungen.

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Uschi Obermaier auf der Buchmesse. Quelle Wikipedia.

Zappa war ein sehr offener Zeitgenosse. Seine Umwelt hat er aufgesogen, wie ein Schwamm und auf die amüsanteste Weise, mittels seiner Kunst gespiegelt. Er war schonungslos direkt und immer politisch. Auf seiner Tour 1973, mit The Mothers of Invention im Zirkus Krone, hat er sich vor dem Song Sofa No. 2 beim Publikum noch für seine, wörtlich, beschissene Aussprache entschuldigt. Sie war tatsächlich so schlecht, dass ich den Text weiter unten, im Anhang[2], noch einmal ausweisen möchte. Zum Mitlesen für jene fleißigen Leser, die sich den Song jetzt anhören wollen. Der Song muss nicht gehört werden, um weiter zu verstehen. Allerdings solltest du jetzt den Text vom Lied gelesen haben.

Darin macht Zappa sich noch über den Dinett lustig, einen zusammenklappbaren Stubenwagen. Das Gerät war damals der Hausfrau neuester Schrei, sprichwörtlich gewordener Ausdruck haustechnischer Hochkultur, wie auch dröger Bürgerlichkeit. Zappa ist dem Dinett ganz sicher nicht im Hotel begegnet. Dafür war der zu poplig (der Dinett!). Er muss ihn in der Kommune I entdeckt haben, vielleicht im Zimmer der Kommunardin Uschi Obermeier, wo Zappa literarisch gesichert, zur Übernachtung kam. Er verlebte im Verlauf seiner Deutschlandtour genussvolle Tage dort, wo sein Konzertmanager, der schon zu Lebzeiten legendäre Fritz Rau, ein stets gern gesehener Gast war. Zappa musste vor und nach seinen Konzerten zwangsläufig auch in derKommune absteigen. Bei den „Mothers“ war übrigens schon damals mit auf der Bühne: Der schwarze Sänger Napoleon Murphy Brock mit seiner weltbekannten, seidenweichen Samtstimme. Hören könnt ihr ihn z.B. auf der LP Joe‘s Garage in Cy Borg. Brock bringe ich für Interessierte im Interview weiter unten, Anhang [1]. Dort äußert er sich auch zu den Münchener Tagen.

Der Dinett-Text (Anhang [2]) ist ein implizit sexuell geladenes Stück Kulturschock, das man vielleicht noch wegstecken kann. Ein Servierwagen, reduziert auf seine Schlitze, zeitgenössische Ausgeburt deutscher Hausfraulichkeit, verleiht meinem Bild von Hippies eine Perspektive, auf die ich nicht gefasst war. Doch Zappa bringt die Wahrheit noch brutaler ans Licht. Der absolute Hammer folgt Monate später. Zurück in den USA resümiert er seinen Münchener Aufenthalt im Studio. Er bringt das in Jazz und Rock wegweisende Werk Joe's Garage auf den Markt. Für Gernehörer hier die LP direkt auf die Ohren. Mit Stick it Out ist wieder ein Song auf Deutsch im Portfolio. Diesmal sehr gut verständlich.

Inhaltlich ist es ein wahrer Pornothriller, der einsteigt mit den Worten: Fick mich, du miserabler Hurensohn. Um den Text an dieser Stelle weiter zu zitieren, müsste unter der Überschrift eine Lesewarnung für Minderjährige abgebracht werden. Daher verweise ich gerne auf eine zuverlässige Quelle für die wahren Worte vom Meister Zappa. Was uns das Doppelalbum Joe‘s Garage auf Deutsch zu Ohren trägt, dafür verbürge ich mich, sind Original-Worte aus der Kommune I.

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Kommunarde Rainer Langhans. Quelle Wikipedia.

„Aber beklecker nicht das Sofa, Sofa!!“ Ja, das singt Zappa und stellt den Satz selbst musikalisch, rythmisch getrieben, in unmissverständlichen Zusammenhang mit einem gerade stattfindenden Koitus. Entweder hatte der Kommunarde Langhans unmittelbar vor dem Akt von Frank und Uschi Angst um sein Sofa in der Wohnküche, oder die Obermaier wurde in ihrem Zimmer, für Frank unverhofft abturnend, plötzlich spießig. Wer auch immer die Worte zu Zappa sprach, hat dem deutschen Hippietum einen Bärendienst erwiesen. Einzig vernünftiger Schluss: Langhans und Obermaier sind keine Hippies, aber Zappa hat die deutsche Sprache selbst während des Geschlechtsaktes in höchsten Zügen genossen. So intensiv, dass er die Worte aufgeschrieben und gesungen hat.

Anhang

[1] – Interview mit Ex-Mothers-Sänger Napoleon Murphy Brock:

Frank hat nicht viel anbrennen lassen…

[2] – Songtext von Sofa No. 2

I am the heaven
I am the water
Ich bin der Dreck unter deinen Walzen
(Oh no, whip it on me, honey!)
Ich bin dein geheimer Schmutz
Und verlorenes Metallgeld
usw. … …

Zum Weiterlesen, siehe kompletter, pornografischer Songtext.

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