Candy Cam: Was passiert, wenn die Fliessbandgeschwindigkeit plötzlich verdoppelt wird?

Im dritten Osterrätsel habe ich gefragt, wie sich die Erhöhung der Durchlaufgeschwindigkeit des Brenngutes durch einen Brennofen auf der Outputseite auswirkt.

Die Aufgabe sieht demnach so aus:

Brennofen_Aufgabe.JPG

Statt Wagen sind hier einzelne Tassen gezeichnet, die gebrannt werden sollen. Sie durchlaufen den Ofen auf einem Fliessband. Es spielt keine Rolle, ob ganze Wagen mit Hunderten von Brenngütern oder lediglich einzelne Tassen durch den Ofen fahren. Wir wollen hier von "Einheiten" sprechen.

Zeichnen Sie im Koordinatensystem den Input nd den Output in Einheiten/Minute und den Ofenbestand in Einheiten ein.

Der Input und das Gesetz von Little


Der Ofen wird mit einer Einheit pro Minute "gefüttert". Diese Einheit durchläuft den Ofen in einer Stunde, danach ist das das Brenngut gebrannt. Der Input steigt also von 0 auf konstant 1 Einheit pro Minute, sobald der Füllvorgang startet. Eine Stunde, nachdem der erste Wagen in den Brennofen eingeführt wurde, kommen auf der Outputseite ebenfalls einen Wagen pro Minute heraus. Das nennt sich eine Pipeline-Verzögerung: der Input wiederholt sich auf der Outputseite nach der Durchlaufzeit.

Das ist das Gesetz von Little: Inputrate mal Durchlaufzeit = Bestand, bzw. Outputrate mal Durchlaufzeit = Bestand, da im Gleichgewicht, d.h. wenn sich nicht ändert, Inputrate = Outputrate ist.

Wenden wir das Gesetz von Little auf unsere Brennofengeschichte an, dann können wir ausrechnen, wie viele Einheiten sich jeweils im Ofen befinden, nämlich

1 Einheit/Minute * 1 Stunde = 1 Einheit/Minute * 60 Minuten = 60 Einheiten
(die Minuten kürzen sich weg).

Nun werde zur Zeit t die Durchlaufgeschwindigkeit verdoppelt. Dann ist das System nicht mehr im Gleichgewicht und Littles Gesetz gilt nicht mehr. Aber irgend einmal kommt das System dann wieder in's Gleichgewicht, denn wenn nach wie vor stets eine Einheit pro Minute in den Ofen geschoben wird, muss irgend einmal auch stets eine Einheit pro Minute rauskommen, ganz unabhängig von der Durchlaufzeit. Dann wird gelten:

1 Einheit/Minute * 30 Minuten = 30 Einheiten

Es werden sich dann also bloss noch 30 Einheiten im Ofen befinden. Das gibt uns schon mal einen Hinweis, wie die Kurve für den Ofenbestand aussieht. Sie wird von 60 Einheiten auf 30 Einheiten hinunterfallen.

Der Output


Doch im Moment, wo die Durchlaufgeschwindigkeit verdoppelt wird, kommen outputseitig zunächst mal zwei Einheiten pro Minute raus, oder alle 30 Sekunden eine Einheit. Wie lange? Solange, wie es braucht, um die 60 Einheiten, die sich im Ofen befinden mit der Geschwindigkeit von 2 Einheiten pro Minute herauszubringen, also 30 Minuten lang! Danach kommt wieder bloss noch eine Einheit pro Minute heraus.

Für den Output ergibt sich somit:

60 Minuten nach dem Start des Füllvorgangs steigt der Output von 0 auf 1 Einheit/Minute.

Zur Zeit der Verdoppelung der Geschwindigkeit steigt der Output auf 2 Einheiten/Minute.

30 Minuten nachdem die Geschwindigkeit verdoppelt wurde, sinkt der Output wieder auf 1 Einheit/Minute und bleibt dort konstant. In diesen 30 Minuten befindet sich das System nicht mehr im Gleichgewicht.

Der Ofenbestand


Nun müssen wir uns noch Gedanken über den Verlauf des Ofenbestandes machen. Zunächst ist nichts im Ofen. Irgendeinmal kommt die erste Einheit hinein, d.h. es befindet sich 1 Einheit im Ofen. Nach einer Minute sind zwei Einheiten darin, etc. Der Ofenbestand nimmt also linear von 0 auf 60 Einheiten zu und bleibt konstant bei 60 Einheiten, solange das System im Gleichgewicht ist. Zum Zeitpunkt der Verdoppelung der Durchlaufgeschwindigkeit nimmt der Bestand ab und zwar fällt er innerhalb 30 Minuten auf 30 Einheiten. In der folgenden komplettierten Grafik stellt die schwarze Kurve den Ofenbestand dar.

Brennofen_Loesung.JPG

Systemisches Denken


Das sind alles einfache lineare Anwendungen von Dreisätzen. Dennoch haben diese Überlegungen etwas mit systemischem Denken zu tun: Sie unterstützen die Identifikation von Fluss- und Bestandesgrössen sowie der verschiedenen Verzögerungen, die in einem System vorkommen. Bei aller Kritik der Praxistauglichkeit der Aufgaben, sind sie gute Übungsplätze systemischen Denkens.

Hier noch eine weitere Aufgabe: Modellieren Sie die Situation mit dem Brennofen in einem Stock-Flow-Diagramm (in Insightmaker oder Vensim PLE) so, dass bei der Simulation die drei Kurven herauskommen, wie sie hier in der Lösung dargestellt sind. Experimentieren Sie dabei mit den DELAY-Funktionen, die die Tools anbieten.

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