Plastik: Einblick in eine wahre Katastrophe!

Oft muss man direkt mit etwas konfrontiert werden, um es wahrzunehmen.

So erging es mir jedenfalls mit dem Umweltproblem „Plastik“. Es war anno 2018, kurz bevor ich diesen Blog hier startete. Ich war damals mit meiner Liebsten auf Teneriffa und nahm in der Brandung ständig irgendwelchen Plastikmüll wahr. Allerdings handelte es sich dabei oft nicht, um „frischen“ Müll, welcher vielleicht ein paar Meter weiter entsorgt wurde. Vielmehr konnte ich Partikel unterschiedlicher Größe und Form erkennen. Seitdem verfolgte ich die Entwicklungen in jenem Feld etwas genauer. Hier ist nun mein Senf dazu.



Abbildung 1 Arme Schildkröte räumt für uns den Müll weg. Bild von Pixabay.

Da eine komplette Auseinandersetzung mit der Problematik den Rahmen eines Artikels, sowie meine Expertise in diesem Feld deutlich überstrapazieren würde, möchte ich einfach ein paar Zahlen rund um das Thema Plastik zum Besten geben. Zahlen und Vergleiche sind häufig eine hervorragende Möglichkeit die Tragweite von Sachverhalten einschätzen zu können.

Seit etwa 1950 wird Kunststoff in Form von Polymeren, also Plastik durch den Menschen erzeugt. Bis zum heutigen Tage wurden schätzungsweise 8300 Megatonnen Plastik hergestellt. Dies sind 8,3 Milliarden Tonnen oder 8,3 Billionen Kilogramm. Oder ungefähr 22400x so schwer wie das Empire State Building (Abbildung 2). Und ich habe schon abgerundet. Der Mount Everest, wohlgemerkt der höchste Berg auf diesem Planeten, ist nur etwa 55x schwerer als alle Plastik, die je produziert wurde.



Abbildung 2 Gesamtmenge an jemals produzierten Kunststoff beläuft sich auf das ca. 22400-fache der Masse des Empire State Buildings. Photo von Wikipedia (CC BY-SA 2.0), modifiziert von Chapper.

Wenn ich diese 8,3 Billionen Kilogramm Plastik durch 7,5 Milliarden Menschen teile „besitzt“ jeder Erdenbürger ca. 1100 Kilogramm oder 1,1 Tonnen Plastik.


Immerhin sind etwa 30% (rund 2500 Megatonnen) des jemals produzierten Kunststoffs noch in Benutzung. Satte 12% (knapp 1000 Megatonnen) wurden bereits verbrannt. Daraus folgt, dass rund 5000 Megatonnen Plastik entweder auf Deponien oder in der Umwelt verstreut sind. Nur ca. 75 Megatonnen oder 9% der jemals hergestellten Plastik wurden übrigens recycelt und nur rund 1% gar wiederverwendet. Zur besseren Übersicht trage ich das nochmal graphisch auf.



Abbildung 3 Was aus der Plastik nach der Produktion so geworden ist. Beachtet bitte, dass die Plastik, welche ihr als Müll seht u.a. auch Plastik beinhaltet, die zuvor recycelt oder wiederverwendet wurde. Die Zahlen stammen von Tiso et al. 2020. Die Abbildung habe ich erstellt.

Wie ihr anhand von Abbildung 3 unschwer erkennen könnt, haben wir ein ungelöstes Plastikmüllproblem auf Erden. Dennoch gibt es anscheinend kein so richtiges Konzept wie mit dem Müll zu verfahren ist. Dazu muss bedacht werden, dass die Halbwertzeit von beispielsweise Polyethylen PE (mit 36% der häufigste Kunststoff auf Erden) etwa 50 Jahre beträgt. Jährlich kommen gegenwärtig knapp 400 Megatonnen hinzu, d.h. in 10 Jahren haben wir etwa die Hälfte an Plastik nachproduziert wie in den vergangenen 70 Jahren überhaupt hergestellt wurden. Wir brauchen also Konzepte, um diesen Mengen irgendwie Herr zu werden. Ansätze gibt es tatsächlich, z.B. plastikfressende Raupen, die binnen 14 Stunden immerhin satte 13% an PE-Tüten vertilgen können. Auch wurden aus Kompost und anderen Quellen bereits Enzyme und Bakterien (vor allem Pseudomonaden) isoliert, welche Plastik degradieren können. Und „Nachhaltigkeit“ ist eines der Schlagwörter unserer Zeit. Hier in Magdeburg gibt es beispielsweise einen Laden, welcher ganz ohne Verpackung auskommt. Falls ihr mal in der Nähe seid schaut also in „Frau Erna’s Unverpackladen“ vorbei.

Dennoch werden diese Trends und Innovationen die schiere Masse des Plastiks nicht so schnell in den Griff bekommen und erstrecht nicht die Menge an Plastik, welche sich bereits im Ökosystem befindet.

Mittlerweile ist es schon soweit, dass selbst in entlegenen Naturschutzgebieten Mikroplastik im Regenwasser nachweisbar ist. Mikroplastik entsteht, wenn die herkömmliche Plastik im natürlichen Kreislauf kleingerieben wird.

Forscher fanden im Staub von US-amerikanischen Nationalparks bis zu 5% an Mikroplastik (!). Das heißt sowas wie unberührte Natur ist nicht mehr existent.


Der Effekt von Mikroplastik ist bisher nur unzureichend erforscht und oft ist nicht ganz klar ob von diesen Partikeln eine signifikant höhere Gefahr als zum Beispiel von Sandpartikeln ausgeht. Auch ist es schon vorgekommen, dass Forscher ihre eigenen Proben selbst mit Mikroplastik kontaminiert haben. Die gemessene Menge also nicht aus der Umwelt stammte. Dennoch läuten auch hier meine Alarmglocken, wenn trotz größter Vorsicht Kontaminationen mit Mikroplastik möglich sind. Das heißt nämlich dieses Zeug ist so allgegenwärtig wie Bakterien oder Viren.

Zusätzlich müsst ihr wissen, dass neben den Polymeren, welche Kunststoffe charakterisieren Zusatzstoffe enthalten sind. Am bekanntesten ist hier sicherlich das krebserregende Bisphenol A. Manche Polymere enthalten gar Dutzende bis über 100 verschiedene Zusatzstoffe. Diese Stoffe sind dabei oft nicht kovalent (also fest) mit den Polymeren verbunden und waschen sich daher leicht aus.

Ich fasse also zusammen:


Die Gesamtmenge jemals hergestellten Kunststoffs beläuft sich auf 8,3 Milliarden Tonnen, somit entfallen auf jeden Erdenbürger mehr als eine Tonne Plastik. Mehr als die Hälfte davon liegt auf Deponien oder befindet sich im Ökosystem. In den nächsten 20 Jahren haben wir die gleiche Menge an Plastik, welche in den letzten 70 Jahren synthetisiert wurde, nachproduziert. Die Kunststoffe werden durch natürliche Prozesse degradiert, bis zum vollständigen Abbau vergehen aber viele Jahrzehnte. In dieser Zeit sammelt sich der Müll als Mikroplastik in der Nahrungskette immer mehr an mit bisher unzureichend erforschten Konsequenzen. Wir stecken also in einem riesigen Plastikschlammassel, aus dem es gegenwärtig abgesehen von ein paar Raupen und Bakterien oder hippen Nachhaltigkeitstrends keinen Ausweg gibt.

Mein persönliches Fazit:


Ich sehe Plastik, im Gegensatz zu anderen hochgefeierten Themen, tatsächlich als dramatisches Bedrohungsszenario an. Nicht nur, dass für dessen Herstellung kostbare Ressourcen vergeudet werden, es ist wie beschrieben im Begriff unsere Ökosysteme an den Rand des Kollapses zu bringen. Ich bin sicherlich kein radikaler Naturschützer oder ähnliches, aber die Art und Weise wie dieses Thema ausgeblendet und andere meines Erachtens nach irrwitzigen Themen überbewertet werden ist schon bezeichnend. Da es augenscheinlich einen unaufhaltsamen Trend hin zu noch mehr Plastik gibt und alternative Entsorgungsmethoden eher rar sind, kann ich nur an jeden appellieren zumindest teilweise seinen Plastikkonsum zu reduzieren. Macht die Leute in eurer Umgebung darauf aufmerksam und zeigt ihnen die Fakten, denn im Kleinen fängt es an.

Bis bald

Euer Chapper

Quellen:

Kim, Mijin; Hyun, Seunghun; Kwon, Jung-Hwan; Estimation of the Environmental Load of High- and Low-Density Polyethylene From South Korea Using a Mass Balance Approach; Archives of environmental contamination and toxicology; 2015; DOI 10.1007/s00244-015-0192-1

Bombelli, Paolo; Howe, Christopher J.; Bertocchini, Federica; Polyethylene bio-degradation by caterpillars of the wax moth Galleria mellonella; Current biology : CB; 2017; DOI 10.1016/j.cub.2017.02.060

TILL TISO, HENDRIK BALLERSTEDT, CHRISTIAN EBERLEIN, WOLFGANG ZIMMERMANN, NICK WIERCKX, LARS M. BLANK; Mikrobieller Abbau Von Plastikmüll zu Plastikwertstoffen –Polymerrecycling neu gedacht; BioSpektrum; 02.2020

Carolin Völker & Johanna Kramm; Ökologie – Dem Mikroplastik auf der Spur; Spektrum Der Wissenschaft; 09.20

Michael Springer; Springers Einwürfe – Künstliche Niederschläge; Spektrum Der Wissenschaft; 08.20

Sorry wegen der Zitierweise, irgendwie lässt sich gerade mein Citavi nicht mehr Word verbinden und ich habe jetzt keine Lust alles neuzuinstallieren 😉


Posted from my blog with SteemPress : http://worldofchapper.de/rp295320-ovh/index.php/2020/09/06/plastik-einblick-in-eine-wahre-katastrophe/

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