Ruhe bei Börsenpanik am Beispiel Unilever

Wie wichtig das Mindset beim Investieren sein kann, möchte ich heute am Beispiel Unilever geben. Ich versuche dabei ein wenig vor Augen zu führen, wie unterschiedliche Investorentypen den gleichen Marktvorgang bewerten können. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass kein Investor in die Zukunft blicken kann und immer alles möglich ist.

Als Buy & Hold-Anleger beurteile ich Marktereignisse allerdings anders. Mich interessiert es nicht, wieviel die Aktie zum heutigen Zeitpunkt wert ist. Dies ist nur für mich relevant, wenn ich diese Aktie auch kurzfristig verkaufen möchte. Mein Standardspruch, wenn ich gefragt werde, wann ich die Aktie den wieder verkaufen möchte, ist üblicherweise: Ich will mit ihnen beerdigt werden. Das ist eine ehrliche Aussage, weil es ja sein kann, dass ich bereits in ein paar Jahren sterbe ;)

Am Beispiel Unilever können wir uns allerdings ein Ereignis ansehen, dass jüngst passiert ist:

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Nach einer Gewinnwarnung rauschte die Aktie aus heiterem Himmel rund 7% nach unten hin durch. Dabei sollte man anmerken, dass es sich hier um eine Konsumartikel-Aktie handelt, die klassischerweise eher unspannend am Markt bewegen. Viele sehen diese auch als klassische „Krisenaktien“ an, da eben auch in schweren Krisen Artikel des täglichen Bedarfs eigentlich immer recht gut verkaufen lassen und die Menschen erst im Äußersten darauf verzichten.

Ursache für den Absturz war, dass die Umsätze in Asien nicht den Erwartungen der Analysten entsprochen haben. Gerade in Indien haben sich die Produkte nicht in dem Umfang verkauft, wie man es sich erhoffte. Zwar lang die Prognose nur leicht unter den Erwartungen, aber diese waren bereits im Vorfelde nicht so hoch gesteckt, wie mancher es sich gewünscht hatte. Das nun auch dieses Ziel leicht verfehlt wurde, führte dann zu dem Impuls am Markt.

Ein guter Bekannter kam sofort panisch zu mir an und wies mich verstört auf den heutigen Kursrutsch hin. Er hat diese Aktie erst vor einem guten Jahr gekauft und nun sorge, dass er damit ins Minus rutschen könnte. Bereits im Sommer fiel die Aktie bereits einmal radikal und ich konnte ihn nur mit Mühe überreden nicht gleich zu agieren. Sie stieg wieder an und viel nun auch.

Er gab an, dass er eine aktive Verkaufsorder eingestellt hatte um zu verhindern, dass er noch heftigere Verluste realisieren würde. Etwas irritiert war er, dass ich Angesichts des Kursverlustes blendender Laune war und mich sogar sehr darüber freute. „Weihnachtsshopping“ waren glaube ich meine Worte. Meine Euphorie an Hand der schlechten Nachrichten irritierten ihn zunächst.

An diesem Beispiel kann man sehen, wie unterschiedlich Anleger auf solche Nachrichten reagieren können. Nun kann man sich natürlich sagen, dass der Gammastern einfach nur irre ist und damit vermutlich nicht rational im Markt agiert, aber dem ist nicht so.

Die unterschiedlichen Reaktionen erwachsen nämlich aus unterschiedlichen Denkweisen. Ein ganz elementarer Denkfehler den viele Menschen von der Börse haben ist immer, dass der Kurs den Wert eines Unternehmens wiederspiegelt. Irritiert fragen sie sich dann, wenn die Kurse nach oben schnellen, wieso das Unternehmen den mehr Wert sein soll als gestern.

Ist es nicht! Es hat sich zu gestern nur maginal verändert. Die Mitarbeiter sind vermutlich gleich geblieben, vermutlich gab es keine neuen Produkte, die Betriebsmittel sind ähnlich und vermutlich wird auch die Produktionsrate (zumindest beim Konsumproduzenten) sehr ähnlich gewesen sein. Der Wert des Unternehmens hat sich nicht so stark verändert.

Denn an der Börse wird nicht der Wert gehandelt, sondern der Preis der Aktie. Wieviel nun das Unternehmen wert sei, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Denn jeder Investor der auf das Unternehmen blickt, wird zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen. Zudem natürlich auch immer die Zukunft eingepreist wird.

Sagt ein Unternehmen, dass es morgen einen Benzinkanister nimmt und alles abfackeln wird, mag der Wert des Unternehmens heute phänomenal gut sein. Der Kurs wird vermutlich allerdings stark einstürzen, weil man davon ausgeht, dass ein solcher Brand nicht gut für das Unternehmen wäre. Trotzdem wird es aber auch einige Leute mit einem grinsen im Gesicht geben, die sagen, dass der Geschäftsführer wohl lieber weniger trinken sollte und weniger twittern solle :)

Das sind dann eben die Spekulanten, die auf eine positivere Zukunft hoffen als es momentan am Markt gehandelt wird und sich so manche Nachricht anders entwickeln wird als man es vermutet. Natürlich ist dies in diesem Beispiel wesentlich einfacher zu bewerten als in der Realität, es zeigt aber, wie die Zukunft als Unsicherheit reinspielen kann.

Am Ende ist der Kurs eben nur der Preis, den ein anderer Investor mir bereit ist für den Anteil des Unternehmens zu bezahlen. Wer eher spekulativ unterwegs ist, fragt sich primär wie der Kurs sich in Zukunft entwickeln wird. Der Buy & Hold-Anleger interessiert sich nicht dafür, da er nicht verkaufen will und der Kurs interessiert ihn nur, weil er zeigt, was er bei einem Kauf zahlen muss.

Sein Erfolgsfaktor ist der Cashflow. Wenn ich diese Aktie kaufe, was wird sie mir in Zukunft einbringen und wieviel Geld kriege ich dabei wieder. Die Denkweise ähnelt dem eines Immobilieninvestors, der eben eine Wohnung kauft und sich an der Mietpreise orientiert, um zu entscheiden, wann sich das Objekt von selbst rechnet. Je günstiger der Preis, desto höher die Miete umso profitabler. Nichts anderes ist es auch bei der Aktie.

Weiß man nun aber, dass Marktnachrichten und die Stimmung eines Investors Einfluss auf den Kurs haben, kann man anders agieren. Wieso soll ich eine Aktie verkaufen, wenn die Stimmung am Markt gerade schlecht ist? Selbst wenn ich sie los werden will, würde ich warten bis die Stimmung gut ist.

Der Kollege macht hier einen elementaren Denkfehler der vielen Privatinvestoren passiert. Zu denken, dass man eine Nachricht liest und daraus resultierende Erkenntnisse noch einpreisen kann. Stürzen die Kurs ein und liest Mittags die Nachricht, kann man sich aber sicher sein, dass man nicht bequem Abends nach Hause geht und nachbörslich mal eben verkauft, bevor es die anderen tun. Das Greater Fool-Prinzip greift einfach nicht mehr, weil im Zeitalter des Hochfrequenzhandels keine Reaktionszeit mehr bleibt.

Ist die News erst draußen, ist das Kind bereits im Brunnen. Stürzt also der Kurs von Unilever ein, dann besteht für mich keinerlei Zeitdruck mehr in irgend einer Form zu handeln. Die Verluste sind bereits gemacht. Ein Verkauf würde nur dazu führen, dass ich diese dann realisieren würde. Wieso aber sollte ich einen Verlust realisieren wollen? (Außer vielleicht aus steuerlichen Gründen :)).

Nein, meine Erkenntnis aus der Nachricht ist: Es herrscht Panik am Markt, es gibt sehr viele Idioten, die nun verkaufen! Dann nehme ich mir lieber die Zeit ein wenig in den Fundamentaldaten des Unternehmens zu blicken.

Ich schaue mir zunächst die Nachricht einmal genauer an. Man lag leicht unter den Prognosen. D.h. mit anderen Worten, ich habe fast das Ergebnis erhalten mit dem ich am Anfang des Jahres gerechnet habe. Gut, natürlich möchte jeder Investor gerne hören, dass die Prognosen ständig übererfüllt wurden. Jeder sollte das Recht haben träumen zu dürfen. Aber seine eigenen Ziele fast zu erreichen ist etwas, dass nun nichts vernichtendes ist.

Nun kann man natürlich auch ein wenig auf das Marktumfeld blicken. Wenn in China und Indien weniger abgesetzt wurde als erwartet, was könnte dies für Gründe gehabt haben. Vielleicht gibt es dort billigere Konkurrenz? Immerhin wirft man hier ja Markenprodukte auf die Leute und nicht die Discountartikel. Doch gerade Leute mit wenig Geld neigen dazu ihren eigenen Status damit aufzuwerten, dass man bekannte Produkte kauft. Ich bezweifel sehr, dass dies künftig anders sein wird.

Gleichzeitig tobt in diesem Jahr noch der Handelskrieg mit China und aus patriotistischen Gründen, wird man da sicherlich einige Produkte aus dem Westen eher meiden. All dies ist nicht wirklich für mich quantifizierbar. Es ist aber sicherlich ein Unsicherheitsfaktor und ich finde es gut, wenn das Unternehmen entsprechend ein wenig pessimistischer an die Sache geht. Bleibt also nur die fundamentalen Daten übrig.

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Zugegeben hier sieht man etwas doch eher unerfreuliches. Das Nettoergebnis 2018 war wirklich phänomenal und stürzte 2019 mitunter sehr stark ab. Doch blickt man auf 2016 und 2017 sieht man das man auf einem ähnlichen Niveau unterwegs gewesen ist. 2018 war halt nicht ein Aufschwung, sondern eher eine positive Anomalie.

Der Umsatz stieg und die Umsatzrendite auch. Genau das, was ich von einem Konsumgüterproduzenten auch erwarten würde. Man wächst hier eben nicht nur durch das steigern der Verkäufe, sondern eben auch darüber, dass man einfach in größeren Mengen günstiger produzieren kann.

Wenn ich also vor einigen Jahren die Aktie gekauft habe und zu dem Schluss gekommen bin, dass ich diese Aktie zu einem fairen Preis erworben habe, wieso sollte ich mich dann nicht freuen, wenn es diese nun zum Discount zu kaufen gibt? Ich habe Unilever bereits eine Weile bei mir auf der Kaufliste sehr weit oben, allerdings war der aktuelle Kurs einen Tick zu hoch für mich und es wurde immer wieder zurück gestellt.

Nun kam endlich die ersehnte Korrektur, dazu ein wenig Panik. Das ist immer gut! Plötzlich ist man in Bereichen unterwegs, wie man sie erst vor einigen Monaten hatte und gleichzeitig liegt man auf dem gewohnt hohen Niveau.

Es ist wie mit dem Jungen der vor dem Schaufenster steht und auf das Produkt seiner Begierde das ganze Jahr blickt. Es ist sein Traum, allerdings für den Preis nicht wirklich erschwinglich. Wenn er nun vor Weihnachten dort hinkommt und es steht ein Winterschlussverkauf an mit 50% Discount, dann wird er sich freuen und nicht sagen, dass er es nun gar nicht mehr haben will, weil es günstiger geworden ist.

Ähnlich ist es hier bei mir. Ich kann nun die Aktie zu einem günstigeren Preis kaufen und erhalte den gleichen Cashflow wie vor einigen Tagen. Unsichere Geister werden sicherlich sagen, dass dies nicht stimmt. Immerhin hat man ja durchaus mitgeteilt, dass die Geschäfte nicht so rosig laufen wie man es erhofft hatte. Stimmt. Und es kann sein, dass es auch in Zukunft noch weiter nach unten gehen wird.

Aber in die Zukunft kann niemand blicken. Die Zahlen stimmen für mich allerdings und ich bin mit der Leistung der Jahre 2016 und 2017 mehr als zufrieden gewesen. 2018 zeigte das Unternehmen sogar, dass es mehr drauf hat. Wieso sollte ich da pessimistisch werden, wenn ein Unternehmen sogar während des zweiten Weltkrieges brav seine Dividende ausgeschüttet hat? Genau diese bekomme ich nun aber günstiger.

Ob ich nun aktuell gekauft habe? Nein. Dies mag zunächst ein wenig verwundern, aber ich halte nicht viel davon über Weihnachten zu kaufen. Ein Teil der Investoren ist im fest und die Märkte nicht so liquide wie erwartet. Zudem organisieren viele ihre Depots noch einmal um. Im Januar kommt so manch einer dann wieder rein und die Kurse fallen oft immer noch ein wenig.

Wird die Stimmung im neuen Jahr etwas schlechter, können wir durchaus nochmal die 50€-Grenze sehen und als psychologische Grenze wird es dann auch wieder Leute geben, die in Panik verfallen. In einem solchen Fall, habe ich aber etwas Geld in der Kriegskasse und würde definitiv zuschlagen.

Warum ich als Buy & Hold-Anleger die Arroganz habe Angesichts schlechter Wirtschaftsnachrichten die Ruhe zu bewahren? Weil ich sehr oft in den Tagen gelesen habe, dass der Untergang bevor steht. Blicke ich aber auf meine Zahlen, kommt keine schlechte Laune auf. In den letzten 5 Jahren habe ich eine Kursrendite von 38% erreicht. Darauf gesellen sich noch einmal eine Dividendenrentabilität von 16,85%. Dies macht also einen Anstieg von 57% aus.

Ich spreche übrigens vom heutigen Tag. D.h. der letzte Kurssturz ist darin bereits vollständig eingrepreist. Wieso sollte ich wegen solcher Zahlen den panisch werden, wenn ein Ziel mal nicht erreicht wurde? Nur die schwachen Hände trennen sich in der Krise von ihren Aktien. Wenn ich hier auf das Niveau von 2016 zurückfalle, dann werte ich es als Erfolg, weil der von mir erwartete Cashflow immer noch stimmt.

Der Kollege hat seine Verkaufsorder übrigens nicht mehr schnell genug entfernen können und seinen Verlust realisiert. Bereits einen Tag später ärgerte er sich bereits darüber, weil die Kurse auf Grund einer technischen Gegenbewegung wieder leicht nach oben gegangen sind. Mir schmerzt es immer sehr, wenn ich so etwas sehe.

Aber ich kann eben immer nur für meine Investorensicht werben und grundsätzlich davon abraten News zu traden. Ich halte es immer für fatal, wenn jemand denkt, dass er den Markt schlagen kann und besonders smart dabei ist. Eine Gewinnwarnung führt zu einem Kurssturz. Wow... glaubt wirklich jemand, dass jemand zu einem anderen Schluss kommt, wenn er die News liest? Wichtig ist doch eher zu analyisieren, was die Zukunft bringt. Denn erst hier kann man schlauer als der Markt agieren.

In diesem Sinne... weniger Panik und mehr Freude an Kursstürzen Eurer Aktienlieblings. Macht das Börsenleben wesentlich einfacher ;)

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