Erlösung, Transzendenz, Nichts? | Schopenhauer über den Tod



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(art by @wooka , unreleased)



Wenn, was uns den Tod so schrecklich erscheinen läßt, der Gedanke des Nichtseins wäre, so müßten wir mit gleichem Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren. Denn es ist unumstößlich gewiß, daß das Nichtsein nach dem Tode nicht verschieden sein kann von dem vor der Geburt, folglich auch nicht beklagenswerter. Eine ganze Unendlichkeit ist abgelaufen, als wir noch nicht waren: aber das betrübt uns keineswegs. Hingegen, daß nach dem momentanen Intermezzo eines ephemeren (vorübergehenden) Daseins eine zweite Unendlichkeit folgen sollte, in der wir nicht sein werden, finden wir hart, ja unerträglich. Sollte nun dieser Durst nach Dasein etwa dadurch entstanden sein, daß wir es jetzt gekostet und so gar allerliebst gefunden hätten? Gewiß nicht: Viel eher hätten die gemachten Erfahrungen eine unendliche Sehnsucht nach dem verlorenen Paradiese des Nichtseins erwecken können. Auch wird der Hoffnung der Seelen-Unsterblichkeit allemal die einer „besseren Welt“ angehängt – ein Zeichen, daß die gegenwärtige nicht viel taugt.
Die Welt als Wille und Vorstellung Band 2

xD der Kerl ist super

Schopenhauer erinnert mich sehr an den Taoismus/ Buddhismus

https://soundcloud.com/gerardoagraz/kindred-spirit

da muss man wohl erstmal hinter diese Welt blicken.. nur lässt sich dies leider nicht mit Begriffen aus dieser Welt beschreiben

das "Unerträgliche" ist wohl auch die Angst der Schein-Existenz im direkten Gegenüber mit der Nicht-Existenz..
vor allem bezogen auf den Verstand, welcher es gerne leugnet, sehr tief immanent dann doch weiß, dass er lediglich ein unwichtiger Nebenprozess ist. ;) er bleibt so lange aktiv wie er seinen Wirt davon überzeugen kann dass er, der Verstand, wichtig ist

die komplette (östliche) spirituelle Suche ist die Erlösung, also Los-Lösung, des (vom) Verstand :)
der Verstand will scheinbar erleuchtet werden - meidet dann jedoch die Erkenntnis, da sie ihn auslöschen würde..
somit wird lediglich einem projiziertem ultimativen Kick hinterhergesucht/-rannt
(besonders krass im Westen, wo die Identifikation mit dem Verstand, Ratio, Logos umso stärker ist)

das größte Hindernis an der Erleuchtung ist die Identifikation - vor allem mit dem Verstand, Ego (ECHO), das was zu sich selbst "Ich" sagt

der Verstand ist kein unabhängiges Einzelwesen, vielmehr lediglich ein scharfes, alles aufschneidendes und zerteilendes Werkzeug

und so geht die Identifikation weiter.. die Suche nach dem Kick, der Transzendenz, sowie gleichzeitigen Erlösung von dieser Welt durch einen Gott (dabei bist du selbst dieser, welcher sich von der Identifikation [mit seinem Verstand] lösen kann)

Diesbezüglich könnte auch das EM (Ehrliches Mitteilen) von Gopal sehr nützlich sein ;) (Tipp)

Wie kann man nur beim Anblick des Todes eines Menschen vermeinen, hier werde ein Ding an sich selbst zu nichts? Daß vielmehr nur eine Erscheinung in der Zeit ... ihr Ende finde, ohne daß das Ding an sich selbst dadurch angefochten werde, ist eine unmittelbare, intuitive Erkenntnis jedes Menschen ... Jeder fühlt, daß er etwas anderes ist als ein von einem andern einst aus Nichts geschaffenes Wesen. Daraus entsteht ihm die Zuversicht, daß der Tod wohl seinem Leben, jedoch nicht seinem Dasein ein Ende machen kann. Der Mensch ist etwas anderes als ein belebtes Nichts: und das Tier auch. Wer da meinet, sein Dasein sei auf sein jetziges Leben beschränkt, hält sich für ein belebtes Nichts: denn vor dreißig Jahren war er nichts und über dreißig Jahre wird er wieder nichts.
Parerga und Paralipomena Band 2

Wie durch den Eintritt der Nacht die Welt verschwindet, dabei jedoch keinen Augenblick zu sein aufhört: ebenso scheinbar vergeht Mensch und Tier durch den Tod, und ebenso ungestört besteht dabei ihr wahres Wesen fort... Dies ist die zeitliche Unsterblichkeit.
Infolge derselben ist, trotz Jahrtausenden des Todes und der Verwesung, noch nichts verloren gegangen ... Demnach können wir jeden Augenblick wohlgemut ausrufen: “Trotz Zeit, Tod und Verwesung sind wir noch alle beisammen.”
Die Welt als Wille und Vorstellung Band 2

Der Zustand ..., in welchen uns der Tod zurückversetzt, ist unser ursprünglicher, d. h. ist der selbsteigene Zustand des Wesens, dessen Urkraft in der Hervorbringung und Unterhaltung des jetzt aufhörenden Lebens sich darstellt. Es ist nämlich der Zustand des Dinges an sich, im Gegensatz der Erscheinung.

Parerga und Paralipomena Band 2

Wer stirbt geht dahin, wo alles Leben herkommt; auch das seine.
Arthur Schopenhauer, Manuskriptbuch Spicilegia

https://soundcloud.com/kesslerofficial/kindred-spirit/

Wie bekanntlich unser Gehen nur ein stets gehemmtes Fallen ist, [ist] das Leben unsers Leibes nur ein fortdauernd gehemmtes Sterben, ein immer aufgeschobener Tod ... Jeder Atemzug wehrt den beständig eindringenden Tod ab, mit welchem wir in jeder Sekunde kämpfen. ... Zuletzt muß er siegen: denn wir sind ihm durch Geburt anheimgefallen, und er spielt nur eine Weile mit seiner Beute, bevor er sie verschlingt...
Die Welt als Wille und Vorstellung Band 1

(Okay, aus der Perspektive dann wohl auch Memento Mori @captainloken - lediglich mit einer sehr speziellen Sicht auf den "Tod" ^^)

Das Leben selbst ist ein Meer voller Klippen und Strudel, die der Mensch mit der größten Behutsamkeit und Sorgfalt vermeidet, obwohl er weiß, daß, wenn es ihm auch gelingt, mit aller Anstrengung und Kunst sich durchzuwinden, er eben dadurch mit jedem Schritt dem größten, dem totalen, dem unvermeidlichen und unheilbaren Schiffbruch näher kommt, ja gerade auf ihn zusteuert, dem Tode: dieser ist das endliche Ziel der mühseligen Fahrt und für ihn schlimmer als alle Klippen, denen er auswich.
Die Welt als Wille und Vorstellung Band 1

Weist schon sehr stark auf die Upanishaden und die Lebendigkeit/ den Aether hin :)
Manche meinen auch, dass man Schopenhauer statt den trockenen Übersetzungen der Upanishaden lesen sollte ^^

Brahmanismus und Buddhismus, die den Menschen lehren, sich als das Urwesen selbst, das Brahm zu betrachten welchem alles Entstehen und Vergehen wesentlich fremd ist, werden darin viel mehr leisten, als solche, welche ihn aus nichts gemacht seyn und seine, von einem andern empfangene Existenz wirklich mit der Geburt anfangen lassen.
Dementsprechend sehen wir in Indien eine Zuversicht und eine Verachtung des Todes, von der man in Europa keinen Begriff hat.
Es ist in der Tat eine bedenkliche Sache, dem Menschen in dieser wichtigen Hinsicht schwache und unhaltbare Begriffe durch frühes Einprägen aufzuzwingen,
und ihn dadurch zur Aufnahme der richtigeren und standhaltenden auf immer unfähig zu machen. Z.B. ihn lehren, dass er erst kürzlich aus Nichts geworden, folglich eine Ewigkeit hindurch Nichts gewesen sei und dennoch für die Zukunft unvergänglich seyn solle, ist gerade so wie ihn lehren, dass er, obwohl durch und durch das Werk eines Andern, dennoch für sein Thun und Lassen in alle Ewigkeit verantwortlich seyn solle. Wenn nämlich dann, bei
gereiftem Geiste und eingetretenem Nachdenken, das Unhaltbare solcher Lehren sich ihm aufdringt, so hat er nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen, ja ist nicht mehr fähig es zu verstehen und geht dadurch des Trostes verlustig, den auch ihm die Natur, zum Ersatz
für die Gewissheit des Todes bestimmt hatte.

Die Welt als Wille und Vorstellung Band II

^ultra wichtig! einer der Hauptbestandteile wie unsere Prägung funktioniert

Alle Philosophen haben darin geirrt, daß sie das Metaphysische, das Unzerstörbare, das Ewige im Menschen in den Intellekt setzten: es liegt ausschließlich im Willen, der von jenem gänzlich verschieden und allein ursprünglich ist. Der Intellekt ist ... ein sekundäres Phänomen und durch das Gehirn bedingt, daher mit diesem anfangend und endend.
Der Wille allein ist das Bedingende, der Kern der ganzen Erscheinung, von den Formen dieser, zu welchen die Zeit gehört, somit frei, also auch unzerstörbar.

Mit dem Tode geht demnach zwar das Bewußtseyn verloren, nicht aber Das, was das Bewußtseyn hervorbrachte und erhielt: das Leben erlischt, nicht aber mit ihm das Princip des Lebens, welches in ihm sich manifestirte.
Daher also sagt Jedem ein sicheres Gefühl, daß in ihm etwas schlechthin Unvergängliches und Unzerstörbares sei.

Sogar das Frische und Lebhafte der Erinnerungen aus der fernsten Zeit, aus der ersten Kindheit, zeugt davon, daß irgend etwas in uns nicht mit der Zeit sich fortbewegt, nicht altert, sondern unverändert beharrt. Aber was dieses Unvergängliche sei, konnte man sich nicht deutlich machen. Es ist nicht das Bewußtseyn, so wenig wie der Leib, auf welchem offenbar das Bewußtseyn beruht. Es ist vielmehr Das, worauf der Leib, mit sammt dem Bewußtseyn beruht. Dieses aber ist eben Das, was, indem es ins Bewußtseyn fällt, sich als Wille darstellt.
Die Welt als Wille und Vorstellung Band II

Denn nochmal:

Wenn, was uns den Tod so schrecklich erscheinen läßt, der Gedanke des Nichtseins wäre, so müßten wir mit dem gleichen Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren. Denn es ist unumstößlich gewiß, daß das Nichtsein nach dem Tode nicht verschieden sein kann von dem vor der Geburt, folglich auch nicht beklagenswerter.

Eine ganze Unendlichkeit ist abgelaufen, als wir noch nicht waren: aber das betrübt uns keineswegs. Hingegen, daß nach dem momentanen Intermezzo eines ephemeren (vorübergehenden) Daseins eine zweite Unendlichkeit folgen sollte, in der wir nicht sein werden, finden wir hart, ja unerträglich.

Sollte nun dieser Durst nach Dasein etwa dadurch entstanden sein, daß wir es jetzt gekostet und so gar allerliebst gefunden hätten? Gewiß nicht: Viel eher hätten die gemachten Erfahrungen eine unendliche Sehnsucht nach dem verlorenen Paradiese des Nichtseins erwecken können. Auch wird der Hoffnung der Seelen-Unsterblichkeit allemal die einer „besseren Welt“ angehängt – ein Zeichen, daß die gegenwärtige nicht viel taugt.
Die Welt als Wille und Vorstellung Band 2

Wir schaudern vor dem Tode vielleicht hauptsächlich, weil er dasteht als die Finsternis, aus der wir einst hervorgetreten und in die wir nun zurück sollen. Aber ich glaube, daß, wann der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Licht stehn, von welchem unser Sonnenlicht nur der Schatten ist.
handschriftliche Nachlaß Band 3

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