Moritz versteht die Welt nicht mehr

… und bangt gleichzeitig um seine Männlichkeit.

Zum besseren Verständnis, ein paar Informationen vorab:

Sendet im Spätherbst der Wettergott seine frostigen Vorboten ins hüglige Land südlich der Karawanken, präsentiert sich, nahezu über Nacht, das winzige Dorf, in dem wir beheimatet sind, wie menschenleer. Dieses Phänomen resultiert daher, dass immer weniger Familien den Winter auf dem Land, sondern viel lieber in der, an die bequeme Fernwärme angeschlossene, Stadtwohnung verbringen. Leidtragend dabei sind nicht ausschließlich die alten Holzhäuser, die nun über Monate hinweg vollkommen unbeheizt einem tragischen Ende entgegenstreben, sondern auch die verschiedensten Haustiere, die hier zum Alltag gehören, allerdings in der Stadt nicht erwünscht sind.

Einen aus unserer Pflegeschar dieser Hinterlassenen möchte ich euch vorstellen.

Und das nicht ohne Grund.

Denn am vergangenen Montagmorgen, also ein Tag nach dem 1. Advent, ließ Moritz, während ich das Frühstück servierte, seinem aufgestauten Frust freien Lauf.

O-Ton Moritz:

Soll das hier ein guter Morgen sein? Es sind kaum zwölf Stunden der Lebenszeit geopfert, da bot sich mir bei meinem nachmittäglichen Kontrollgang durch das Dorf noch dieses Bild. Wer hätte in dem Moment im Traum daran gedacht, dass Petrus die Nacht dazu nutzen würde, um sich von so viel weißem Ballast zu befreien?

Und jetzt der Scheiß!

Kaum aus meiner warmen Kuscheldecke gekrochen, dachte ich spontan, einer akuten Sehstörung anheimgefallen zu sein. Eine klitzekleine Vorahnung hatte ich zwar, doch hegte ich noch die Hoffnung, mit einem unabwendbaren Regenschauer sei die Angelegenheit erledigt.

Dir dürfte das Problem nicht gänzlich unbekannt sein. In aller Herrgottsfrühe, die sandigen Rückstände der nächtlichen Träume noch quer in den Augen verteilt, kann der erste Blick auf die Realität noch ziemlich verschwommen sein. Da lohnt sich ein zweiter Versuch allemal.

Aber, da kannst du auch noch so viel Sand aus den verschlafenen Augen kratzen, die Katastrophe vor der Haustür kann nicht ignoriert werden.

Du hast gut grinsen.
Die Hälfte des Kopfes in den Hut gesteckt, der eben noch über der warmen Teekanne hing, dicke Daunenjacke und hohe Schuhe mit mehr Fell innen, als ich am kompletten Leib habe.
Und jetzt schau mich mal genau an.

Es wird nicht lange dauern, und der Frost hat meine gesamte Männlichkeit auf Eis gelegt. Heij, ich rede hier gerade von meinen Eiern und dem Wärmefühler, der unwiderruflich dazugehört.

Was glaubst du, was Ella dazu sagen wird? Die hat ohnehin schon nicht die beste Laune. Wenn Madame nämlich bereits mit nassen Pfoten zum Frühstück antreten muss, kannst du jegliche Schmuserei mit ihr vom Plan der guten Hoffnung streichen.

Es sieht verdammt schlecht für mich aus.

Doch – alte Katerweisheit – die Hoffnung
Ich hoffe lediglich, dass du auch an etwas Aufwärmendes gedacht hast. Ich meine, ich persönlich
hätte nichts gegen eine ordentliche Portion Lachs mit Gemüse einzuwenden. Aber du kennst ja Ella.

»Was? Heute keine lauwarme Milch mit Einlage? Immer nur das elende Dosenfutter. Das kommt einem doch schon aus den Ohren raus.«
Mir jedenfalls nicht. Und wenn sie ihre Portion nicht schafft, kümmere ich mich liebend gerne drum.

Und was steht bei dir noch an? Hast du deine ungenießbaren Hagebutten endlich verarbeitet?
Ich verstehe euch Zweibeiner beim besten Willen nicht. Wer ernährt sich freiwillig von so einem Zeug? Nur die Vögel, wenn ich mich nicht irre. Aber, wo wir gerade bei den Vögeln sind. Die fliegen bei dem Sauwetter garantiert besonders tief. Darauf sollte ich nach dem Frühstück mein Augenmerk richten. Ein kleines Dessert kommt immer gut.

Abgesehen davon, dass ich auf derartige Informationen gut und gerne verzichten kann, erinnere ich mich daran, selbst noch keinen Bissen zu mir genommen zu haben. Also, höchste Zeit für einen Standortwechsel. Außerdem, und den hätte ich beinahe ganz vergessen, wartet noch mein treuer Wegbegleiter geduldig auf mich. Was die Fresssucht betrifft, bestehen zwischen Amigo und Moritz keine wesentlichen Unterschiede. Allerdings sieht das vollkommen anders aus, wenn es um die Liebe zum Schnee geht.

Hier stellt sich nämlich jemand die Frage, warum es eigentlich nicht immer Winter sein kann?

Das mit den tieffliegenden Vögel und den dazugehörigen Gedanken von Moritz erwähne ich besser nicht in Gegenwart meiner Frau – denn dann ist nämlich für einen ganz bestimmten Kater in der unmittelbaren Nachbarschaft beim Abendessen absolute Schonkost angesagt.

Eines scheint jedenfalls auf dem Land so sich wie das Amen in der Kirche -
die Langeweile findet keinen Platz zur Entfaltung.

H2
H3
H4
3 columns
2 columns
1 column
27 Comments
Ecency