Du blöde Sau!

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Warum müssen Tiere beleidigt werden, nur weil wir keine richtigen Sätze bilden können?

Heute starte ich den Versuch euch mit dem Wirrwarr näher bekanntzumachen, in welchem meine Sätze ihre Untermieter suchen und sie Interpunktionszeichen das gewähren, was man gemeinhin als einen gelungenen Abschluss bezeichnet.

Was (vorurteilsfrei betrachtet) nichts anderes heißt, als: Du blöde Sau, nicht als vollständiger Satz wahrgenommen werden darf und damit der grammatikalischen Logik folgend, keinen Punkt am Arsch der Sau verdient hat. Die Sau hätte sich, allein ihrer auferlegten Verunglimpfung wegen, mit Sicherheit noch ein Verb als Beistand gewünscht – und sei es auch lediglich eines, dieser in Verruf gekommenen Hilfsverben.

Greifen wir in diesem Fall zur einfachsten Variante und einigen uns auf sein, welches uns im Präsens dann als du bis zur Verfügung stehen könnte.

Das Resultat: Du bist eine blöde Sau.

Mit der Einbeziehung des Verbs hat sich (ganz still und heimlich) noch ein unbestimmter Artikel in den Satz geschlichen. Dieser Zuwachs hat viel damit zu tun, dass ein Verb grundsätzlich dem ihm folgenden Substantiv skeptisch gegenübersteht und einen Artikel (und sei er auch von der unbestimmten Sorte) als Puffer bei eventuell anstehenden Reibereien, liebend gerne in Kauf nimmt.

So. – Jetzt wäre wahrhaftig an der Zeit, ein von Euphorie geprägte Hurra-Gefühl würde sich bei mir ein kuschliges Plätzchen suchen. Schon allein darum, weil mein Stolz sich unaufhörlich dem Siedepunkt nähert, denn das, was sprachwissenschaftlich als kurzer, aber dennoch zusammenhängender Satz bezeichnet werden darf, hiermit endlich auf dem Papier gelandet ist.
Halleluja!

Kaum die erste Hürde überwunden, meldet sich die Moral zu Wort, die als Hüterin der Sitten, des Anstandes und der Werte als die schwerst zu überzeugende Lektorin im Berufsstand der Satzkonstrukteure gilt. Vorwiegend dann, wenn es um bedenkliche Passagen innerhalb des Konstruktes geht.
Die postwendend formulierten Einwände, von moralischer Seite her, scheinen insbesondere in diesem Fall nicht von schlechten Eltern. (Der Volksmund würde sie wohl als gepfeffert bezeichnen?)

Liste aller moralischen Bedenken nach einem ersten Überflug:

  1. An wen ist diese, in ihrer philosophischen Omnipotenz kaum anzuzweifelnden Botschaft, eigentlich gerichtet?
  2. Der Wortwahl folgend, müsste das Sus scrofa domesticus aus dem femininen Zweig in Betracht gezogen werden.
  3. Doch weibliche Hausschweine gibt es massenhaft. Sind alle blöd oder nur jene Sau, der dieser Satz gewidmet scheint?
  4. Bist du wirklich vollkommen sicher, dass die zugeordnete Blödheit an die Speckfalte der Sau oder vielleicht nicht doch an den fetten Nacken des Ebers gehört?
  5. Was hat dich überhaupt zu der Erkenntnis getrieben, dass ein Schwein (ob wild oder willkürlich eingepfercht) mit einer Notration an Intelligenz auskommen muss?
  6. Könnte es eventuell auch sein, dass der Adressat jener geistig armseligen Behauptung überhaupt nicht der Familie der Schweine zugeordnet werden kann, sondern auf zwei Beinen durch den Alltag schreitet und über seine eigene Blödheit bislang nicht informiert wurde?
  7. Nähere ich mich einer Auflösung des Rätsels, wenn der Name Ella Bleistift ins Spiel gebracht wird? Genau, jene Ella aus Bad Bergzabern, die sich damals hartnäckig weigerte, mit dir die Nacht im selben Bett zu verbringen, weil (wie sie ausdrücklich betonte) lieber ‘was Festes hätte? Worauf du lapidar meintest, was Festes stets dabei zu haben. Das Beste am Festen – man kann sich eine ganze Nacht (mitunter auch auf unterschiedlichste Weise) daran festklammern.

Wie liebe ich doch solche Einwände von oben herab – insbesondere jene, von sich unantastbar gebenden Moralaposteln vorgebrachte.

Es gibt sie unzweifelhaft, jene Momente, in denen die Moral besser eine Auszeit genommen oder (auch eine Möglichkeit) den Jahresurlaub angetreten hätte. Anstatt mir, und dies mit voller Absicht, mitten in der komplizierten Konstruktion eines Satzes, unablässig tugendhafte Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Was soll das mit Ella Bleistift überhaupt? Der hohlen Nuss hatte ich meiner, in voller Blüte stehenden Fantasielandschaft, bereits kurz nach ihrer, an mich adressierten Abfuhr, das Betreten strikt untersagt. Zumal der Frau von der Weinstraße zu meiner Einladung (sich mit was Festem zu beschäftigen) lediglich ein Satzfragment für mich parat hatte:
„Du bist so etwas von einem Arschloch.“

Ich, der bei der Verabreichung von “Abfuhr-Mitteln” dieser Sorte, die aufkommenden Nebenwirkungen sofort verspüre, musste der jungen Dame selbiges auch mitteilen. Und das klang dann so:
„Falsches Verb. Nicht sein, sondern haben, wäre hier angebracht. Niemand kann als autonomes Arschloch existieren – egal, wie viel Scheiß man auch von sich gibt. Wir alle haben so ein Ding – und daran braucht sich auch nichts zu ändern. Nur so viel zum Biologischen und zur Grammatik.“

Obwohl ich nichts verbal von mir gegeben hatte, was im weiblichen Hals hätte quer stecken bleiben können, blickte ich urplötzlich in ein Gesicht, von dem ich hoffte, es möge mir auch nicht in meinen schlimmsten Träumen wiederbegegnen. Absolut kein Gesicht für die Ablage in die Kategorie Dauerhaftes und Festes – wie Ella es zu bezeichnen pflegte.

Jedoch – und dies sollte uns anhand dieses Beispiels eine Lehre sein – dürfen wir beim Satzbau nie vergessen, dass auch das Hilfsverb (egal, wie sehr es in Verruf geraten ist) jede Menge Kollateralschäden verursachen kann. Ich mache trotzdem mit dem Satzbau weiter und gebe so schnell auch nicht auf.
Ähnlich denen, die Tag für Tag das Laufband betreten oder Gewichte stemmen, schnappe ich stattdessen nach meinem gespitzten Griffel und dem Blatt Papier und versuche mich an der Herausforderung, einen gelungenen Satz zu kreieren.
Immer (also vom ersten Buchstaben an) ohne jegliche Erfolgsgarantie!

Haben es die Komponisten da nicht leichter?

Auf den ersten Blick könnte ich der Versuchung anheimfallen, diese Frage rundum mit Ja zu beantworten. Ganz im Gegensatz zu dem mir zur Verfügung stehenden Alphabet, welches auf 26 bis maximal 30Buchstaben Zugriff gewährt (einbeziehend der Snobs mit ihrem übertriebenen Kopfschmuck), kommen die Kletterer zwischen den Oktaven mit sage und schreibe 8 Tönen aus. Okay, auch das Ton-Alphabet beherbergt Quertreiber (von mir Halbgeschwister genannt) in den Reihen. Diese großzügigerweise mitgezählt, komme ich auf 12 Noten.

Der Komponist pickt sich somit 8 Buchstaben aus meinem 26er-Paket, beginnt (warum auch immer) mit dem C und erteilt dem H den Auftrag, sich nach hinten den Rücken freizuhalten. Noch ein Unterschied: das, was für mich wie ein E aussieht, ist und bleibt auf dem Papier dann auch ein E.

Der Komponist bevorzugt einen anderen Weg, malt aus dem E einen dicken Punkt, fügt einen Strich an und behauptet stur und steif, es handele sich um eine Note. Ob nun Banknote, Fußnote oder Duftnote – das wird wohl immer sein Geheimnis bleiben. Außerdem klingt dieses E nicht immer gleich. Mal tief aus dem Keller, dann wieder so schrill, dass so manches Trommelfell in Mitleidenschaft gezogen werden kann.

Das Bemerkenswerte an der Sache, falls es diesem Punkt und Strich-Maler gelingen sollte, diese 8 Noten dementsprechend zu mischen, dass die halbe Welt wenige Wochen später nur noch DA-DA-DA nuschelt, kann er sich getrost mit seinem Notenblatt in den finanziell abgesicherten Ruhestand begeben.

Warum hat mir nie jemand ein Blatt Papier mit sich immer wiederholenden 5 Strichen vor die Nase gelegt? Zu mir wurde stets gesagt: „Das Blatt Papier, welches weiß und blütenrein vor dir liegt, regt dich zum Denken an.“
Was nutzt das idiotische Denken, wenn mir nicht DA-DA-DA mit Noten einfällt?

Einer derer, denen man vergaß mitzuteilen, dass der Text zur Musik (so schwachsinnig er auch sein mag) nicht nur zu Ruhm und Ehre, sondern den Schlüssel zum Schotter in sich birgt, ist:

Martin Herzberg

Man hört seine Kompositionen. Kennen tut ihn jedoch kaum jemand. Ich sollte Martin Herzberg unbedingt anrufen. Während er in Zukunft weiter mit seinen 8 Noten jongliert, kümmere ich mich um den Buchstabensalat.
Möglicherweise verabschiede ich mich in Kürze in den Ruhestand?

Martin Herzberg wurde 1981 in Berlin geboren, studierte Musikwissenschaften, gründete das Label „Cloudbreak Records“, produziert seine Alben in eigener Verantwortung, komponiert Film- sowie Fernsehmusik („Ziemlich Beste Freunde“ und „Die Fabelhafte Welt der Amelie“), promovierte noch ganz nebenbei und publizierte bislang fünf Langspielplatten.
Die vorerst letzte Produktion ist unter dem Titel „Stars“ jetzt zu haben.
Wer mehr über Martin Herzberg herausfinden möchte, der sollte es hier versuchen: https://www.martinherzberg.com/

Dies war jetzt erneut ein Gemischtwarenladen der eher außergewöhnlichen Sorte. Aber bleiben Buchstabe und Noten unbeachtet im Keller liegen, dürfen wir uns in Kürze nicht mehr fragen, wieso die künstliche Intelligenz besser weiß als ich selbst, was mir schmeckt oder mich musikalisch abholt.
In diesem Sinne – bleibt mir bitte gesund und bei klarem Verstand, bis der Gemischtwarenladen das nächste Mal seine Pforten öffnet.

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