Im Nationalpark Kalkalpen ⛰️🌲⛰️

Liebe Naturfreunde,
letzte Woche waren wir im Nationalpark Kalkalpen, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Österreich, trotz nicht gerade idealen Wetters. Dieser in den oberösterreichischen Voralpen gelegene Nationalpark ist knapp 21000 Hektar groß und wurde erst 1997 gegründet, nachdem sich Behörden, Bundesforste und Grundbesitzer nach jahrelangen Verhandlungen auf ein Konzept geeinigt hatten. Das Problem war, dass weite Teile des heutigen Parks wirtschaftlich genutzt worden waren, aber das Hauptprinzip des Parks ist, eben keine wirtschaftliche Nutzung mehr zu haben, damit sich das Ökosystem Wald selbst erneuern kann in Richtung Urwald (offiziell heißt das "Schutz der natürlichen Dynamik von Waldgesellschaften").

Denn durch die Gegend verläuft auch die österreichische "Eisenstraße". Die ganze Gegend bis zum steirischen Erzberg (das weltweit größte Sideritvorkommen (FeCO3)) wurde seit dem 16.Jhd intensiv genutzt und für die Verhüttung von Eisen wurde früher in Ermangelung anderer Energiequellen vieel Holz benötigt! Daher begann man schon früh die Wälder zu roden und durch schnellwachsende Fichten zu ersetzen. Außerdem wurde Platz benötigt für die Weide- und Viehwirtschaft - die Almen entstanden. Nur die unwegsamsten Bergwälder sind heute noch in komplett natürlichem Zustand erhalten.

Der Nationalpark Kalkalpen bildet zusammen mit dem Wildnisgebiet Dürrenstein den österreichischen Beitrag zum UNESCO-Weltnaturerbe Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas. Aber da wir nur in der Randzone unterwegs waren, haben wir die Buchenurwälder diesmal leider nicht gesehen.

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https://da.wikipedia.org/wiki/Nationalpark_Kalkalpen

Im Park leben auch mehrere streng geschützte Luchse (Lynx lynx), aber die bekommt man nicht leicht zu sehen, auch nicht auf den eigens angebotenen "Luchs-Touren".

Die Gegend um den Hengstpass bei Rosenau.
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Die schroffen Felsen der nördlichen Kalkalpen bestehen aus porösem, relativ weichem Kalkstein biogener Herkunft, der mit der Zeit verwittert (Wasser dringt ein und im Winter kommt es zu Frostsprengungen). Daher werden sie nach einigen Jahrmillionen verschwunden sein. Ein Grund mehr, sie zu besuchen 😄.
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Blick vom Nationalpark auf einen Fichtenforst (nicht mehr Teil des Parks).
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Man sieht an diesem Beispiel, wie anfällig diese Fichtenmonokulturen sind. Vor ein paar Jahren hat hier ein Sturm gewütet und eine Menge Fichten umgeworfen (man sieht nur noch die herausgerissenen Baumstümpfe, die Stämme selbst wurden abgetragen und auch eine gerade Linie zum noch intakten Forst gezogen). Die ungeschützte Flanke der übrigen Fichten ist jetzt anfällig für die Borkenkäfer. Vor allem der Buchdrucker (Ips typographus) und der kleinere Kupferstecher (Pityogenes chalcographus), die nur Fichten befallen, sind in der ganzen Region ein Riesenproblem. Daher wird auch Totholz sofort aus einem bewirtschafteten Wald herausgeschafft - um nicht eine Einladung für die Eiablage zu sein - schade, denn gerade Totholz ist Lebensraum Tausender Insekten- und Pilzarten (ca. 4000 in diesem Park!). Die Borkenkäfer befallen auch lebende Fichten, besonders wenn Trockenheit herrscht (bei Trockenstress können die Fichten nicht genug Harz zur Abwehr produzieren). Die Befürchtung ist, dass - falls der Klimawandel voranschreitet - sämtliche Fichten unter einer Höhenlage von 500m nicht mehr gedeihen können. Dumm für die Förster, aber langfristig gesehen muss man sagen, dass dieser exzessive Fichtenbestand nicht naturnah ist. Eigentlich gehören an diese Stelle Buchenwälder, denen der Borkenkäfer auch nichts anhaben kann. Über den Borkenkäfer reguliert sich die Natur quasi selbst. Beim Beackern von Feldern kann man jedes Jahr eine andere Frucht ausbringen - bei Wald dauert es Generationen, bis Fehler repariert sind! Es reicht auch nicht, einfach andere Bäume anzupflanzen, denn die Bäume haben eine wichtige Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen - bis die gefestigt ist, dauert es!

Aber derzeit ist von Trockenheit keine Spur - im Gegenteil! Durch die hohe Luftfeuchtigkeit und den ständigen Regen fühlt man sich eher in einen tropischen Regenwald versetzt!
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Der ca. 600x300m kleine Gleinkersee steht schon seit 1965 unter Naturschutz.
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Der Klebrige Salbei (Salvia glutinosa) ist hier allgegenwärtig.
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Im Gegensatz zum Echten Salbei (Salvia officinalis) (für den es aber hier zu kalt ist), hat der Klebrige Salbei keine medizinische Anwendung. Man benutzt ihn aber gelegentlich als Ziepflanze und - aufgrund der relativ starken Klebrigkeit der Blätter und Blüten - als „biologischen“ Fliegenfänger (Quelle)!

Berg-Ulmen (Ulmus glabra) in typischer schattiger Hanglage.
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Sie sind durch den Pilz Ophiostoma ulmi am Rande des Aussterbens. Er wird durch einen Borkenkäfer übertragen und befällt das Tracheensystem der Ulmen. Der Baum wehrt sich, indem er die befallenen Tracheen verstopft, geht aber dabei zugrunde. Mehr darüber hier. Die Ulme in der Mitte ist noch gesund, die links davon schon befallen.

Die Echte Lungenflechte (Lobaria pulmonaria), früher weit verbreitet, ist mittlerweile auch stark gefährdet und kommt fast nur noch oberhalb von 900m Höhe am Alpennordrand vor.
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Da sie empfindlich auf Luftschadstoffe reagiert, gilt sie als Indikator für intakte Ökosysteme. Die Ulme in der Mitte ist noch gesund, die links davon sind aber bereits befallen.

Eine typische Almlandschaft.
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Im Hintergrund sieht man einen Bereich, wo der Wald langsam Terrain zurückerobert. Es wird aber noch viele Jahre dauern, bis der Vorgang abgeschlossen ist und die Walddecke wieder intakt ist.

Hier kann man sporadisch Exemplare des Schwalbenwurz-Enzians (Gentiana asclepiadea) finden.
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Diese spätblühende Enzianart wurde früher gegen Tollwut und bei Hundebissen verwendet.

Auch sehr selten: der Blauer Eisenhut (Aconitum napellus) - die giftigste Pflanze Europas!
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Achtung! Alle Teile der Pflanze sind sehr giftig. Schon 0,2g führen zu Vergiftungserscheinungen, ca. 3g z.B. von der Wurzel sind beim Menschen innerhalb von einer Stunde tödlich! Das Gift Aconitin, das sogar als wirksamer als Strychnin gilt, führt durch Blockade der Muskelendplatten zu einer Lähmung der Muskulatur, der Tod tritt durch Atemlähmung ein. Aconitin wurde früher als Pfeilgift bei der Jagd (vermutlich schon von den Kelten) und für Morde eingesetzt. "Hexen" sollen früher halluzinogene Salben aus blauem Eisenhut hergestellt haben (Quelle).

Im Gegensatz dazu ist die Rossminze oder Waldminze (Mentha longifolia) eine alte Heilpflanze und auch Küchenkraut.
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An Flüssen und am Wegesrand oft üppig gedeihend, hat sich auch hier das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) ausgebreitet.
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Erst im 19. Jhd. als Zierpflanze aus Indien eingeführt, ist das Drüsige Springkraut rasch verwildert und wird stellenweise als invasiver Neophyt betrachtet und als solcher bekämpft, da es heimische Pflanzen durch sein rasches Wachstum verdrängen kann. Da die Pflanze einjährig ist, ist die Bekämpfung relativ leicht (einfach mähen oder ausreißen vor der Blüte). Andererseits bieten die Blüten des Drüsigen Springkrauts auch im Spätsommer noch reichlich Nektar und Pollen und es ist daher für Bienen und Hummeln eine willkommene Futterquelle. Zufälligerweise hat erst gestern @beesmartblog hier über diese Pflanze geschrieben.

Apropos Bienen: Hier hat sich eine auf einem Blatt ausgeruht. Eventuell musste sie sich erstmal etwas putzen, nachdem sie eine ordentliche Ladung Pollen bei ihrem letzten Blütenbesuch abbekommen hat!
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Die Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre) mag ebenfalls feuchte Standorte.
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In Europa heimisch, ist sie in den USA und Kanada ein Neophyt.

Der viele Regen hat auch einen Feuersalamander (Salamandra salamandra) herausgelockt, der sich aber flugs wieder verkroch, als er uns bemerkte. Das ist leider alles, was ich von ihm noch erwischen konnte.
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Eine der 8 Marktgemeinden, deren Gebiet den Nationalpark umschliessen: Molln.
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Molln ist bekannt durch seine Maultrommel-Manufakturen - eine Maultrommel ziert auch sein Gemeindewappen (Quelle: wikipedia).

Eine mächtige Linde spendet seit Jahrhunderten Schatten vor einem Haus.
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Blick vom Wurbauer Kogel auf die Windischgarstner Kulturlandschaft.
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All pics by @stayoutoftherz

Seite des Nationalparks:
https://www.kalkalpen.at/de

Frühere Posts zum Thema:
Das Wildnisgebiet Dürrenstein
Geschichte des Waldes und des Menschen

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