Gedanken zur Simulationshypothese

Liebe Simulanten,

die Theorie, dass unsere Realität in Wirklichkeit eine Computersimulation ist bzw. wir alle in einer Art Matrix leben, ist so absurd und faszinierend, dass ich heute wieder darüber schreiben muss. Zuletzt hatte ich sie hier erwähnt, zusammen mit anderen Alternativen zur - überschätzten - Urknalltheorie.

Falls jemand noch nicht davon gehört hat, es geht darum, dass wir eventuell eine (für uns) supergenaue Simulation einer höherentwickelten Zivilisation sind, die über weit mehr Rechnerkapazität verfügt als wir heute haben. Möglicherweise sind es unsere eigenen Nachkommen (falls wir uns nicht vorher ausrotten oder in die Steinzeit zurückbombardieren), die auf diese Weise Geschichtsforschung betreiben - genauso wie wir mittelalterliche Musikinstrumente nachbauen oder Katapulte aus der Römerzeit. Wir lieben es, Dinge zu simulieren, von SimCity bis hin zu immer komplexeren Wettersimulationen und virtuellen Produkt- und sonstigen Tests, die Tests in der Realität zunehmend ablösen. Also eigentlich naheliegend, dass unsere Nachfahren das perfektionieren werden. An der Rechnerleistung wird es sicher nicht scheitern, wenn man annimmt, dass es eines Tages automatisierte Rechnerfabriken geben wird, die z.B. im Asteriodengürtel Metalle in Computer verwandeln werden können.

Was spricht denn überhaupt dafür, dass wir in einer Simulation leben?

Eine gute Frage, denn starke Behauptungen bedürfen zweifellos auch starker Belege! Hier eine Auswahl der Argumente:

  1. Nicht nur digitale Simulationen, sondern auch unser Universum selbst basiert letztlich auf Ja/Nein-Entscheidungen. Wie schon der Physiker John Archibald Wheeler 1889 dargelegt hat (1), können alle Fragen des Universums mit Ja oder Nein beantwortet werden, wenn man nur lange genug nachfragt. Da jede physische Gegebenheit unseres Universums letztlich aus einfachen Ja/Nein-Informationen besteht, ist unsere Realität auch ohne Annahme einer Simulation einem Computerprogramm nicht unähnlich! Auch Konrad Zuse, der Erfinder des ersten Computers, hatte 1969 in seinem Buch "Der rechnende Raum" das Universum als "digitale Maschine" konzipiert. Er war damit auch Wegbereiter der "Digitalen Physik" (2). Andere haben den Informationsgehalt des gesamten Universums seit seines Beginns mit 10120 bis 10122 Bit geschätzt (3).

  2. Unser Universum ist genau so aufgebaut, mit exakt den Werten der physikalischen Konstanten, sodass Leben ermöglicht wird. Blosser Zufall? Natürlich, wäre es anders, wären wir nicht da, um das festzustellen. So gesehen gibt es eventuell abermillionen Universen und nur wenige, die Leben tragen können, unter anderem unseres. Aber die Annahme der Simulationshypothese erklärt viel einfacher diesen scheinbaren Zufall, ohne erst Millionen anderer Universen erfinden zu müssen. Auch unter der (wahrscheinlichen) Annahme, dass es sehr viele, auch technisch hochstehende Zivilationen im Universum gibt, die Myriaden simulierter Universen am Laufen haben, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir ausgerechnet im einzigen echten Universum leben und nicht in einem der simulierten?

  3. Unser Universum hat eine maximale Geschwindigkeit, nämlich die des Lichts, c=300.000 km/s oder 1,08 Mrd. km/h (4). Warum gibt es diese Geschwindigkeitsgrenze? Auch hier liefert die Simulationshypothese eine einleuchtende Antwort, denn in einer Simulation ist die maximale Geschwindigkeit durch die Taktrate des Prozessors limitiert. Zustände können sich nicht schneller ändern als der Prozessor Informationen abruft. c als Geschwindigkeitsobergrenze entspräche also dem Takt des Prozessors, der unsere Realität erschafft (5).

  4. Auch die Quantenmechnik spielt den Anhängern der Simulationshypothese in die Hände, denn die Heisenbergsche Unschärferelation (6) erklärt gut den Umstand, dass nichts simuliert wird, solange es nicht beobachtet wird. Wir könnten innen hohl sein, solange wir uns nicht verletzen, erst dann müssen Blut, etc. simuliert werden. Auf der Quantenebene ist das bereits nachgewiesen worden - die Entscheidung ob Welle oder Teilchen wird erst im Moment der Beobachtung getroffen. Außerdem: Die verknüpften Daten auf dem Rechner, auf dem unsere Simulation läuft, liegen vermutlich deutlich näher beieinander als die in der simulierten Umgebung. Werden diese also auf der Hardware aus irgendeinem Grund umgeschrieben, müssen sie nicht erst mit Lichtgeschwindigkeit durch die Simulation reisen, sondern nur von einer Stelle des Speichers an eine andere. Das würde die beobachteten Effekte der Quantenverschränkung erklären!

  5. Die Existenz der mysteriösen "Dunklen Materie", aus denen 27% unseres Universums bestehen soll und der noch viel mysteriöseren "Dunklen Energie", die sogar 68% ausmachen soll (7), werden zwar angenommen, beide sind aber bis heute trotz zahlreicher Anstrengungen nie nachgewiesen worden. Ein fundamentales Verständnis unseres Universums fehlt völlig (vom Urknall und was davor war ganz zu schweigen)! Alles Hinweise darauf, dass wir es gar nicht verstehen können, weil es logische Fehler bzw. systematische, eventuell sogar systembedingt notwendige Fehler in der "Matrix" sind. Auch unserer Bewußtsein entzieht sich jeglicher Beschreibung. Bis heute wissen wird nicht, wie es entsteht. Warum? Vielleicht weil die (nicht perfekte) Simulation eines Bewußtseins die Funktionsweise eines echten Bewußtseins nie begreifen wird.

Beweisen lässt sich die S-Hypothese (noch) nicht, obwohl es Manche versuchen (7,8). Rein theoretisch gibt es gar keine Möglichkeit, sie jemals zu beweisen, denn innerhalb der Simulation wären solche Beweise ja auch nur Teil der Simulation und als solche simuliert, aber andere wie Nick Bostrom halten es für möglich. Es gibt sogar experimentelle Befunde wie z.B. eine nicht erklärbare Ungleichverteilung bestimmter energiereicher kosmischer Strahlung, aber die Daten reichen nicht aus für eine eindeutige Bestätigung der S-Hypothese (3).
Falsifizieren lässt sie sich aber auch nicht! Es ist unmöglich, zu beweisen, dass wir KEINE Simulation sind!

Selbst wenn die S-Hypothese zutreffend wäre, so könnten wir erstens ohnehin nichts daran ändern (oder doch?) und zweitens hätte es keine Auswirkung auf das Leben innerhalb der Simulation. Das typische Argument "wie furchtbar wäre es, wenn wir gar nicht in echt leben, sonder nur in einer Simulation - wie traurig, etc." ist haltlos, denn welchen Unterschied im Alltag bewirkt dieses Wissen? Die Frage, ob unser Leben ein simuliertes Leben, unser Bewußtsein ein simuliertes Bewußtsein und das Universum ein simuliertes Universum ist, finde ich genauso müssig, wie ob die Künstliche Intelligenz (sofern sie einmal da sein wird) eine wirkliche Intelligenz ist oder nicht und Rechner mit einem KI-Bewußtsein ein "echtes" Bewußtsein haben oder ein künstliches (besser gesagt ein simuliertes künstliches😄). Was ist überhaupt echt, wer definiert das? Was zählt sind die Handlungen, nicht auf welcher Grundlage diese zustande kommen.

Abgesehen davon, wenn die Simulationshypothese zutrifft, sind wir Menschen dann nicht selbst Künstliche Intelligenzen? Dadurch, dass wir sie nicht widerlegen können, können wir letztlich gar nicht wissen, ob wir echt sind oder nicht (erinnert mich frappant an Blade Runner und andere SF-Filme, in denen die KIs sich selbst für Menschen halten, nur dass dieser Zweifel auf uns genauso zutrifft).

Spannend ist für mich auch die Frage, was passiert, wenn unser Beobachter die Simulation abschaltet (zum Beispiel weil wir ihn "durchschaut" haben bzw. Beweise für die Simulation gefunden haben). Würde er sie von vorne starten, mit Verbesserungen? Würde dann nicht unser Sein schlagartig beendet sein? Aber würden wir es überhaupt bemerken? Vermutlich nicht, denn unser Bewußtsein würde ein Fehlen seiner Existenz wohl gar nicht wahrnehmen können, genauso wie wir nicht den Wechsel vom Wachzustand in den Schlaf bemerken (zumindest mir ist das noch nie geglückt). Ein vorübergehendes Stoppen der Simulation und Wiederstarten (auch Jahre in Echtzeit später) könnte völlig unbemerkt bleiben. Eventuell wurde die Simulation gerade jetzt, während Du diesen Satz liest, kurzfristig gestoppt. Verrückt, nicht?

Und wie sieht wohl das echte Universum aus, wenn unseres nur simuliert ist? Eventuell hat es völlig andere Naturgesetze, gar keinen Urknall und auch andere Zeitabläufe. Was für uns ein Menschenalter lang ist, könnte für den Beobachter nur ein Augenblick sein, je nach der Rechenleistung, die er zur Verfügung hat. Befinden wir uns gerade im "schnellen Vorlauf", da es für ihn so langweilig ist und er vielleicht wartet, bis wir endlich den Weltraum kolonisieren, oder hat er gerade auf Zeitlupe geschaltet, um genau zu verstehen, was hier gerade abgeht?
Und auch das Universum, in dem unsere Simulation läuft, könnte theoretisch selbst eine Simulation sein, aber jetzt höre ich auf.

Was hält Ihr von der Sache, Blödsinn, reine Gedankenspielerei oder könnte doch was dran sein?

Quellen:
(1) https://jawarchive.files.wordpress.com/2012/03/informationquantumphysics.pdf
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Physik
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Simulationshypothese#Urspr%C3%BCnge_der_Simulationshypothese
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtgeschwindigkeit
(5) https://www.gamestar.de/artikel/realitaet-simulation-matrix-5-gruende-physik,3387135.html
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/Heisenbergsche_Unsch%C3%A4rferelation
(7) https://www.indiegogo.com/projects/is-the-universe-a-simulation-let-s-test-it--2#/
(8) https://arxiv.org/abs/1703.00058v2

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