Nehmen statt Geben: Im besitzergreifenden Staat

Er hat seine Corona-Maßnahmen nie so richtig vermitteln können, den Energieausstieg wacker behauptet, aber ebenso wie die Kohlendioxidsenkung nicht realisieren können. Die Elektrifizierung der Bahn ist in 70 Jahren nicht vollendet worden, die Begrenzung der Größe des Bundestages blieb ein Symbol, das ihn demnächst noch größer werden lassen wird. Aber an der Heimatfront, dort, wo der vormundschaftliche Staat sich die Kraft holt, die Gewogenheit der Bürgerinnen und Bürger zu erringen, zeigte die oft kritisierte Versteinerung der Verhältnisse durch Bürokratisierung und allgegenwärtige Prozesshanselei, zu welch enormen Leistungen sie fähig ist: Der bundesdeutsche Staat ist heute, nach 16 Jahren Angela Merkel, zwei Finanzkrisen und einer Pandemie, finanziell besser ausgestattet als je zuvor.

Ein Rekord, der heller strahlt

Ein wirklich smarter Staat, der eine solche Bilanz ziehen kann. Um fast 64 Prozent sind die Steuereinnahmen in der Ära Merkel gestiegen, sie liegen nun bei stolzen 740 Milliarden Euro, mehr als 9.000 Euro pro Bürgerin, Bürger, egal, ob Kind oder Rentner. Angela Merkel hat es geschafft, die Einnahmen des Gemeinwesens mit den vier Regierungen, die sie führte, um mehr als 63 Prozent zu steigern. Ein Rekord, der umso heller strahlt, als der Einkommenszuwachs bei denen, die die Steuern zahlen, in der gleichen Zeit nur 42,6 Prozent betrug. 

Ein Unterschied von einem Fünftel, der nichts anderes bedeutet, als dass Vater Staat sich von jedem Häppchen Euro Wohlstandszuwachs, der in den vergangenen 16 Jahren erarbeitet wurde, einen größeren Bissen nahm als er den Bürgerinnen und Bürgern ließ, die den Wohlstand erarbeiteten. Doch Vater Staat ist ein guter Vater, ein großherziger Geber sogar. Es sieht vielleicht ungerecht aus, wenn er sich mehr nimmt, aber er tut es, um zu geben, und nicht mal nur das, was er hat, sondern auch alles, was er bekommen kann. In denselben 16 Merkeljahren, in denen der Staatswohlstand dem der Bürger davoneilte wie Porsche einem Lastenrad, verschuldete sich der Wohlstandsstaat auch noch mit Summen, die bei denen der Bürger die Nullen zählen muss, um sie vorlesen zu können. 

Das Tempo nimmt zu

Wenn schon nicht bei der Elektrifizierung der Bahn, der Digitalisierung oder dem Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung, dann wird er dabei zumindest immer schneller. Bis zur ersten Schuldenmilliarde brauchte Deutschland 45 Jahre und sechs Bundeskanzler. Für die zweite Milliarde reichten ihm dann bescheidene 25 Jahre und zwei Kanzler/(&Innen. Gespart wurde auch: 200 Milliarden konnten seit 1949 zurückgelegt werden. Rein rechnerisch war die Hälfte davon nach einem Corona-Jahr verfrühstückt. Die andere Hälfte ist den Wahlprogrammen der Parteien zufolge bis Jahresende drei oder viermal weg.

Kann es aber gelingen, den Coup von 2005 zu wiederholen? Wird ein zweiter Steuerkompromiss zwischen Senkungswilligen und Erhöhungsverweigerern noch einmal dazu führen, dass wieder dazu führen, dass man sich in der Mitte trifft und sich in der Abwägung zwischen Senkung und Nichterhöhung entscheidet, die Mehrwertsteuer nur von 16 auf 18, sondern gleich auf 19 Prozentzu erhöhen? Oder wird ein Kanzler Scholz mit seiner globalen Mindeststeuerdoch andere zahlen lassen wie Donald Trump die Mexikaner für seine Mauer? Und die Steuerzahler in ärmeren Ländern springen ein für den deutschen Wohlstandserhalt, klimagerecht und CO2-neutral?

Der Staat weiß es immer besser

Die Einnahmemaschine jedenfalls muss weiterlaufen, denn wie noch jede Bundesregierung seit der Übernahme der DDR wird auch die künftige zutiefst davon überzeugt sein, dass es der Staat ist, der mit dem Geld seiner Bürger Besseres anzufangen weiß als diese selbst. Eine Logik, die ihn geradezu zwingt, ihnen so viel nehmen, wie er nur kann, denn nur er kann es wirklich "klug" (Julia Klöckner) in Milliardengräbern wie Stuttgart 21, den Berliner Flughafen, die Elbphilharmonie oder das Berliner Stadtschloss verbuddeln. 

Ein Grund, den Leuten in die Taschen zu greifen, findet sich immer: Mal ist es die Einheit gewesen, mal die Rente, mal war ein Krieg zu führen und mal ein Gesundheitstopf zu füllen. An Angela Merkel Fähigkeit, all das auf eine Weise zu tun, die ihr Empörung, sondern tiefe Dankbarkeit einbringt, wird die oder der Nachfolger sich messen lassen müssen. 

Denn Großes ist zu tun: Lag der Anteil der Ausgaben für soziale Zwecke beim Bundeshaushalt von vor acht Jahren noch bei nur 47 Prozent, waren es vor drei Jahren schon 52 Prozent. Inzwischen ist der Anteil auf über 55 Prozent gestiegen. Es muss der kommenden Bundesregierung nun gelingen, die zuletzt erreichte Steigerungsrate beizubehalten, um das Ziel, im Jahr 2050, pünktlich zur Verfehlung des 2015 vereinbarten Zwei-Grad-Zieles beim Weltklima, die kompletten Bundesausgaben für soziale Zwecke zu verwenden.

H2
H3
H4
3 columns
2 columns
1 column
24 Comments
Ecency